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  »Selbstverständlich«, meinte Danton. »Die Frage ist, als was Sie gehen werden?«

  Zuerst blickte Felicity verständnislos, dann irritiert drein. Ganz automatisch hatte sie Danton herbeizitiert, eigentlich nur aus dem Verlangen nach einem aufmerksamen Zuhörer. Weitere Gedanken hatte sie sich bislang nicht gemacht.

  »Sie können nicht einfach so gehen, Mrs. G.«

  »Kann ich nicht?« Daß sie überhaupt eine Entscheidung getroffen hatte, war für Felicity schon genug gewesen. Was sie tragen sollte, wie sie aussehen wollte, all dies waren Fragen, mit denen sie sich noch nicht beschäftigt hatte. Doch nun, da das Thema angeschnitten worden war, begriff sie, welche Bedeutung es hatte. Ihr nervöser und verletzlicher Verstand schrieb den potentiellen Gästen schon die unterschiedlichsten Rollen zu. Sollten ihre Erwartungen zutreffen, durfte sie sich nicht nur einfach irgendwas überschmeißen, sondern mußte sich gegen eine beachtliche Ansammlung von Gegnern wappnen. Auf der anderen Seite...

  »Nichts Extremes, Danton.«

  »In diesem Fall dürfen Sie mir getrost vertrauen.«

  Sie hatte ihn beleidigt. Hastig entschuldigte sich Felicity. Danton stand auf.

  »Nun - dann machen wir uns lieber an die Arbeit. Gut gekleidet und bei Verstand, so heißt es doch, oder?«

  Ein gemeiner Seitenhieb, möglicherweise gar beabsichtigt, was eigentlich nicht der Fall sein konnte. Man nahm einem Kunden nicht hundert Pfund die Stunde für seine Dienste ab und beleidigte ihn dann. Felicity folgte ihm die Empore hinauf zu ihren Ankleidezimmern. Wie gern hätte sie noch was getrunken, verzichtete aber darauf, weil sie nicht maßlos erscheinen mochte. Danton trank niemals Alkohol und auch nichts, das Koffein enthielt. Hin und wieder benetzte etwas Quellwasser seine Lippen. Seine Zähne und das Weiß seiner sanften braunen Augen funkelten.

  Felicitys Kleidung wurde in drei Zimmern aufbewahrt. Eins für den Abend, eins für den Tag und eins für nicht leicht zu kategorisierende Kleidungsstücke wie Kreuzfahrtklamotten, Bikinis und Wickeltücher, selten benutzte Sportartikel. Tennisschläger, Skier, Golfausrüstung. (Sie hatte angefangen, Golfunterricht zu nehmen und sich gleich am ersten Morgen tödlich gelangweilt.) Die den Türen gegenüberliegenden Wände waren verspiegelt. Gut einen Meter unterhalb der Decken hingen metallene Kleiderstangen.

  Zusammen mit Danton spazierte Felicity die Ansammlung ab, zog gepolsterte Kleiderbügel hervor und hängte sie wieder weg, begutachtete Taftrüschen, Seidengebilde und weichfallende Samtfalten. Unter einem Dutzend in die Decke eingelassener Glühbirnen, die »Tageslicht« suggerierten, musterten sie Muir und Miyake, Lagerfeld und Bellville Sassoon. Chanel und St. Laurent. Zahlreiche Kreationen wurden hervorgezogen, diskutiert und verworfen. Ein orangerotes Flamencokleid mit stark gerüschtem Rock, rückenfrei und vorn tief dekolletiert. »Das sollte ich nicht tragen. Nach acht Uhr könnte es etwas frisch werden.« Ein enges schwarzes Ding aus Samt mit Schleppe und einem weißen Band um den Hals. »Sie sind ihre Mutter und nicht ihr Beichtvater.« Ein beiges Hemdblusenkleid aus Rohseide, perlenbestickt, mit Goldfäden durchwirkt und furchtbar steif. »Ungewöhnlich langweilig.« Himbeerfarbener Georgette und Federn. »Zu sehr Ginger und Fred.«

  Und so ging es weiter, bis sie alles durchhatten und wieder von vorn anfangen mußten. Schließlich entsann sich Felicity der Karelia. Sie ging weg und kehrte mit einem aufgebauschten Nebel aus weißer Baumwolle unter einem durchsichtigen Überwurf zurück. »Das war für eine Premiere im Garden gedacht.« Sie riß die Druckknöpfe auf und Danton hielt den unteren Hüllenrand fest, um zu ziehen. »Die Leute, mit denen ich in die Oper gehe«, fuhr Felicity fort, »haben für gewöhnlich eine Loge, aber an jenem Abend hatten wir aus irgendeinem unerfindlichen Grund Plätze im ersten Rang. Es wäre mir unmöglich gewesen, in diesem Ding zu meinem Sitzplatz zu gelangen. Daher habe ich es nie getragen.« Felicity schob mit dem Fuß die Hülle zur Seite. »Es war Pavarotti.«

  »Das hier müssen Sie tragen.«

  »Oh. Meinen Sie nicht, daß es ein bißchen zu -«

  »Wir reden von einem feierlichen Diner auf einem Anwesen auf dem Land. Jeder wird sich herausputzen. Was sollen die armen Hunde dort draußen im Unterholz denn sonst tun?«

  In Wirklichkeit dachte Danton, daß das Kleid »ein bißchen«, wenn nicht gar völlig übertrieben war, andererseits war es unerhört phantasievoll. Allein beim Betrachten zuckte es ihm in den Fingern. Ein Traumgewand, das dazu bestimmt war, zwischen Reihen von Bewunderung zollender, Zylinder tragender Männern eine Busby-Berkeley-Treppe hinunterzurauschen.

  Lagen über Lagen aus durchsichtigem Chiffon in jeder nur erdenklichen Grauschattierung, angefangen von der Andeutung eines blassen Rauchtons bis hin zu sattem Anthrazitgrau, und alles über Petticoats in der Farbe von geschwärztem Silber. Das Satinmieder und die spitz zulaufenden Ärmel waren mit Schleifenschlingen verziert, die mit einer einzelnen dunklen Perle fixiert waren.

  »Ziehen Sie es an.«

  Ohne Scham legte Felicity ihren Hausmantel ab.

  »Richten Sie mich her als... Nun - was schlagen Sie vor?«

  »O mein Gott...« Er trat einen Schritt zurück und platzte fast vor Aufregung. »Wann müssen Sie los?«

  »Ich denke... wegen des Feierabendverkehrs so gegen halb sechs.«

  »Werden Sie zu Mittag essen?«

  »Ich würde keinen Bissen runterkriegen.«

  »Gut. Dann fangen wir lieber gleich an.«

3

Gleich nach dem Mittagessen gingen Suhami und Christopher nach draußen, um Calypso herumzuführen. Die schnell und gierig fressende Ziege mußte in relativ kurzen Intervallen an einen anderen Ort gebracht werden.

  Wie sehr Calypso Gras liebte! Wegen des Verbots von Unkrautvernichtern gediehen Fingerkraut, Brennessel und dicker Löwenzahn allerorten. Als Christopher ihren Pfahl rauszog, hatte sie noch nicht den Eindruck, ihr jetziges Territorium ausreichend abgegrast zu haben, und er mußte die Leine mehrmals um seinen Unterarm schlingen, um sie wegzuzerren.

  Calypso, die sehr wohl in der Lage war einzuschätzen, wie stark ihr Betreuer war, neigte zur Sturheit, falls sie ihn für schwächlich hielt. Erst neulich war sie wie wild die Zufahrt hinuntergesprungen und zum Tor hinaus auf die High Street gerannt, wo man sie zehn Minuten später geduldig wartend in der Schlange vor dem Fischgeschäft entdeckt hatte.

  »Du bist ein einfältiges Mädchen«, hatte May sie auf dem Heimweg gescholten. »Zumal du Fisch gar nicht magst.«

  »Möchtest du festhalten oder draufklopfen?«

  »Festhalten«, antwortete Suhami und griff nach dem genieteten Halsband.

  »Dann nimm dich lieber vor Eibenbeeren in acht.«

  Christopher schlug den Pfahl in den Boden, während Calypso Luftsprünge vollführte und in einem Anfall von Zorn mit den Hinterbeinen ausschlug. Kaum angepflockt, legte sich ihre Wut. Sie begann friedlich zu mampfen und hob ab und an den Kopf, um der Welt einen ihrer enigmatischen Blicke zu schenken.

  »Wir müssen uns unterhalten, Suze. Meinst du nicht auch?« fragte Christopher.

  Sie wandte sich von ihm ab. »Ich weiß nicht.«

  »Ich liebe dich.« Er stellte sich vor sie und bemerkte den Schatten, der ihre Miene verdüsterte. »Nun... es ist schön, wenn man gemocht wird.«

  »Ich will dich ja - wirklich. Es ist nur so, daß...«