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Stahl war schon drinnen, allein. Die wichtigsten Versammlungen liefen immer so ab, nur Stahl und sie selbst. Sie verstand die Beziehung. Anfangs hatte Stahl einfach fürchterliche Angst vor ihr gehabt — der einzigen Person, die er glaubte, niemals töten zu können. Zehn Tage lang war er hin und her gerissen gewesen, ob er vor ihr kriechen oder sie umbringen sollte. Es war amüsant zu sehen, wie die von Flenser vor Jahren ihm eingepflanzten Bande immer noch wirkten. Dann war die Nachricht vom Tode der anderen Fragmente gekommen. Tyrathect war nicht mehr Flenser im Wartestand. Halb hatte sie damals mit dem Tode gerechnet. Doch in mancher Beziehung stärkte es ihre Sicherheit. Nun war Stahl weniger ängstlich, und sein Bedarf an vertraulichem Rat konnte auf eine Weise befriedigt werden, die er als weniger bedrohlich ansah. Sie war sein Flaschengeist: Flensers Weisheit ohne die damit verbundene Gefahr.

Diesen Nachmittag wirkte er fast gelöst; als Tyrathect eintrat, nickte er ihr beiläufig zu. Sie nickte zurück. In vielerlei Hinsicht war Stahl ihr — Flensers — bestes Geschöpf. So viel Mühe war darauf verwendet worden, Stahl zu schleifen. Wie viele Rudel von Gliedern waren geopfert worden, nur um die Kombination zu erhalten, die Stahl war. Sie — Flenser — hatte Brillanz gewollt und Skrupellosigkeit. Als Tyrathect konnte sie die Wahrheit erkennen: Mit all dem Flensen hatte Flenser ein armes, trauriges Wesen erschaffen. Es war seltsam, aber… manchmal erschien Stahl ihr als Flensers bedauernswertestes Opfer.

»Bereit zur Generalprobe?«, fragte Tyrathect. Endlich schienen die Radios fertig zu sein.

»Gleich. Ich wollte dich nach dem Zeitplan fragen. Meine Quellen sagen, dass Holzschnitzerins Armee unterwegs ist. Wenn sie ordentlich vorankommen, müssten sie in fünf Zehntagen hier sein.«

»Also mindestens drei Zehntage, ehe Ravnas Schiff eintrifft.«

»Mindestens. Wir werden deinen alten Feind aus dem Weg schaffen, lange bevor wir um die hohen Einsätze spielen. Aber… etwas ist seltsam an den jüngsten Botschaften der Zweibeiner. Wie viel, meinst du, ahnen sie? Kann es sein, dass Amdijefri ihnen mehr erzählt, als wir wissen?«

Diese Ungewissheit hätte Stahl verborgen gehalten, als Tyrathect noch Flenser im Wartestand war. Sie setzte sich hin, ehe sie antwortete. »Du könntest die Antwort wissen, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, mehr von der Sprache der Zweibeiner zu lernen, lieber Stahl, oder wenn du mir die Gelegenheit dazu gegeben hättest.« Den ganzen Winter über hatte Tyrathect verzweifelt gehofft, mit den Kindern allein sprechen zu können, um dem Schiff eine Warnung zukommen zu lassen. Amdijefri waren so leicht zu durchschauen, so unschuldig. Wenn sie einen Blick von Stahls Verrat erhascht hätten, so hätten sie es nicht verbergen können. Und was konnten die Retter tun, wenn sie von Stahls Hinterlist erführen? Tyrathect hatte ein Sternenschiff im Fluge gesehen. Die Landung allein schon konnte eine schreckliche Waffe sein. Außerdem… Wenn Stahls Plan gelingt, werden wir nicht auf den guten Willen der Fremden angewiesen sein.

Laut fuhr Tyrathect fort: »Solange du mit deiner großartigen Vorstellung weitermachen kannst, hast du von dem Kind nichts zu befürchten. Siehst du denn nicht, dass er dich liebt?«

Einen Moment lang schien Stahl zufrieden zu sein, dann kehrte der Verdacht zurück. »Ich weiß nicht. Amdi scheint mich immerzu zu verspotten, als ob er meine Rolle durchschaute.«

Der arme Stahl. Amdiranifani war sein größter Erfolg, und er würde es niemals begreifen. In dieser einen Sache hatte Stahl seinen Meister wahrlich übertroffen, er hatte eine Technik entdeckt und verfeinert, die einst Holzschnitzer benutzt hatte. Der Flenser musterte seinen ehemaligen Schüler mit fast hungrigem Blick. Wenn er ihn nur ganz von neuem machen könnte; es musste einen Weg geben, Furcht und Flensen mit Liebe und Zuneigung zu vereinen. Das dabei entstehende Werkzeug würde den Namen Stahl wirklich verdienen. Tyrathect zuckte mit den Schultern. »Mein Wort darauf. Wenn du deine freundliche Rolle weiterspielen kannst, werden dir beide Kinder treu sein. Was den Rest deiner Frage betrifft: Ich habe eine gewisse Veränderung in Ravnas Botschaften bemerkt. Sie scheint in Bezug auf die Zeit ihrer Ankunft viel zuversichtlicher zu sein, aber etwas ist bei ihnen schiefgegangen. Ich glaube nicht, dass sie misstrauischer als zuvor sind, sie glauben anscheinend, dass Jefri hinter Amdis Idee mit den Radios steckt. Das war übrigens eine gute Lüge. Sie hat ihr Gefühl der Überlegenheit angesprochen. Auf einem ordentlichen Schlachtfeld sind wir ihnen wahrscheinlich überlegen — und das dürfen sie nicht ahnen.«

»Aber was macht ihnen plötzlich so zu schaffen?«

Das Fragment zuckte die Achseln. »Geduld, lieber Stahl. Geduld und Beobachtung. Vielleicht hat Amdijefri es auch bemerkt. Du könntest die beiden sehr vorsichtig auf den Gedanken bringen, danach zu fragen. Ich vermute, die Zweibeiner haben sich um ihre eigene Politik zu kümmern.« Er hielt inne und wandte alle Köpfe Stahl zu. »Könntest du deine ›Quelle‹ unten in Holzschnitzerheim dieser Frage nachgehen lassen?«

»Das werde ich vielleicht tun. Das Datio ist Holzschnitzerins einziger großer Vorteil.« Stahl blieb für einen Augenblick schweigend sitzen und kaute sich nervös auf den Lippen. Unvermittelt gab er sich einen Ruck, als wolle er die vielfältigen Bedrohungen abschütteln, die er heraufziehen sah. »Sreck!«

Es erklang das Geräusch von Pfoten. Die Luke ging quietschend auf, und Sreck steckte einen Kopf herein. »Herr?«

»Hol die Radioausrüstung herein. Und dann bitte Amdijefri, dass er herunterkommt und mit uns spricht.«

Die Radios waren schöne Gegenstände. Ravna behauptete, dass das Grundprinzip von Zivilisationen erfunden werden konnte, die kaum weiter fortgeschritten waren als Flensers. Das war schwer zu glauben. Es gab so viele Schritte bei der Herstellung, so viele unwichtige Abschweifungen. Das Endergebnis: acht ellengroße Quadrate von Nachtdunkel. Gold und Silber schienen in dem seltsamen Material auf. Das zumindest war kein Rätseclass="underline" Ein Teil von Flensers Gold und Silber waren beim Bau verwendet worden.

Amdijefri traf ein. Sie rannten über den Fußboden in der Mitte, stukten gegen die Radios, riefen Stahl und dem Flenser-Fragment etwas zu. Manchmal fiel es schwer, zu glauben, dass sie nicht wirklich ein Rudel waren, dass der Zweibeiner nicht einfach ein zusätzliches Glied war: Sie hingen so eng zusammen, wie es ein einzelnes Rudel tun konnte. Andauernd beantwortete Amdi Fragen über die Zweibeiner, ehe Jefri auch nur den Mund aufmachen konnte, und benutzte das ›Rudel-Ich‹ -Fürwort, wenn sie beide gemeint waren.

Heute jedoch schienen sie uneins zu sein. »Oh, bitte, mein Fürst, lasst mich es ausprobieren!«

Jefri rasselte etwas in Samnorsk herunter. Als Amdi nicht übersetzte, wiederholte er die Worte langsamer, direkt an Stahl gewandt. »Nein. Es ist (unverständlich unverständlich) gefährlich. Amdi ist (unverständlich) klein. Und auch die Zeit (unverständlich) knapp.«

Der Flenser bemühte sich, die Bedeutung zu erfassen. Verdammt. Früher oder später würde sie ihre Unkenntnis der Zweibeiner-Sprache teuer zu stehen kommen.

Stahl hörte dem Menschen zu und seufzte dann in dieser wunderbar geduldigen Art. »Bitte. Amdi. Jefri. Wo liegt das Problem?« Er sprach Samnorsk und war für das Flenser-Fragment besser zu verstehen als das Menschenkind.

Amdi zögerte einen Moment lang. »Jefri glaubt, dass die Radiojacken zu groß für mich sind! Aber seht, sie passen gar nicht so schlecht!« Amdi sprang um eins der nachtdunklen Quadrate herum und zerrte es unbekümmert von einer Samtpritsche zu Boden. Er zog den Stoff über Rücken und Schultern seines größten Gliedes.