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Johanna lachte ein wenig nervös. »Sie sind am Gewinnen?«

»In den letzten vier Jahrhunderten nicht. Die Sommer sind oft heiß und windig gewesen. Auf lange Sicht? Ich weiß nicht. Und es ist mir auch nicht mehr ganz so wichtig.« Sie wiegte eine Weile ihre kleinen Welpen und lachte sanft. »Wanderers Kleine denken noch nicht einmal, und ich fange schon an, meine große Perspektive zu verlieren!«

Johanna streckte die Hand aus, um ihren Hals zu streicheln. »Aber es sind auch deine Welpen.«

»Ich weiß. Die meisten meiner Welpen habe ich von anderen Rudeln bekommen, doch diese sind die ersten, die ich behalte, damit sie ich werden.« Ihr Blindes schnüffelte an einem der Jungen.

Es zappelte und machte ein Geräusch an Johannas Hörgrenze. Johanna hielt das andere auf dem Schoß. Klauenwelpen sahen eher wie Seesäuger als wie Hunde aus. Ihr Hals war so lang im Vergleich zum Körper. Und sie schienen sich viel langsamer zu entwickeln als das Hündchen, das sie und Jefri aufgezogen hatten. Selbst jetzt noch hatten sie anscheinend Mühe, den Blick zu fokussieren. Sie bewegte die Finger langsam vor dem Kopf eines Welpen hin und her; seine Versuche, mit dem Blick zu folgen, waren komisch.

Und nach sechzig Tagen konnten Holzschnitzerins Welpen nicht richtig gehen. Die Königin trug zwei besondere Jacken mit Tragetaschen an den Seiten. Den größten Teil der Wachzeit des Tages blieben ihre Jungen dort drin und saugten durch des Fell an ihrem Bauch hindurch. In mancherlei Hinsicht behandelte Holzschnitzerin ihren Nachwuchs wie ein Mensch. Sie war sehr unruhig, wenn sie aus ihrem Blickfeld genommen wurden. Sie schmuste gern mit ihnen und spielte mit ihnen kleine Geschicklichkeitsspiele. Oft legte sie beide auf den Rücken, stukte die acht Pfoten der Reihe nach an und dann plötzlich den einen oder den anderen in den Bauch. Die beiden zappelten wütend unter dem Angriff und fuchtelten mit den Beinchen in alle Richtungen. »Ich zwicke den, dessen Pfote zuletzt berührt worden ist. Wanderer ist meiner würdig. Diese beiden denken schon ein bisschen. Siehst du?« Sie zeigte auf das Junge, das sich zu einer Kugel zusammengerollt hatte und so das überraschende Kitzeln größtenteils vermied.

In anderer Hinsicht war die elterliche Fürsorge der Klauenwesen fremdartig, fast furchteinflößend. Weder Holzschnitzerin noch Wanderer sprachen jemals mit ihren Welpen in hörbaren Tönen, doch ihre Ultraschall-›Gedanken‹ schienen ständig die Jungen abzutasten. Manches davon war so einfach und regelmäßig, dass es Resonanzschwingungen in den Wänden des kleinen Wagens erzeugte. Das Holz summte unter Johannas Händen. Es war, als ob eine Mutter ein Wiegenlied sänge, doch sie sah, dass es einem anderen Zweck diente. Die kleinen Geschöpfe reagierten auf die Töne, indem sie in komplizierten Rhythmen zuckten. Wanderer sagte, dass es noch dreißig Tage dauern würde, bis die Welpen bewusstes Denken zum Rudel beitragen konnten, doch sie wurden darin bereits ausgebildet und geübt.

Für einen Teil jedes Tages schlugen sie ein Lager auf, wobei die Soldaten abwechselnd als Postenketten Wache hielten. Selbst in dem Teil des Tages, wo sie unterwegs waren, hielten sie oftmals an, um den Weg frei zu machen, auf die Rückkehr einer Patrouille zu warten oder einfach zu rasten. Bei einer solchen Rast saß Johanna mit Wanderer im Schatten eines Baumes, der wie eine Kiefer aussah, aber nach Honig roch. Pilger spielte mit seinen Jungen und half ihnen, sich aufzurichten und ein paar Schritte zu gehen. Am Surren in ihrem Kopf merkte sie, dass er zu den Welpen dachte. Und mit einem Mal kamen sie ihr eher wie Marionetten als wie Kinder vor. »Warum lässt du sie nicht allein spielen, oder mit ihren…« — Brüdern? Schwestern? Wie nannte man Geschwister, die ein anderes Rudel geboren hatte? — »… mit Holzschnitzerins Welpen?«

Mehr noch als Holzschnitzerin hatte der Pilger versucht, die Bräuche der Menschen kennen zu lernen. Er war bei weitem das flexibelste Rudel, das sie kannte — immerhin, wenn man einen Mörder im eigenen Geist aufnehmen kann, muss man flexibel sein. Doch Pilger war von ihrer Frage sichtlich überrascht. Das Summen in ihrem Kopf brach unvermittelt ab. Er lachte schwach. Es war ein sehr menschliches Lachen, wenn auch ein wenig theatralisch. Wanderer hatte Stunden mit interaktiven Komödien am Datio verbracht — ob zur Unterhaltung oder um der Erkenntnis willen, wusste sie nicht. »Spielen? Allein? Ja… Ich verstehe, wie natürlich das dir erscheinen würde. Für uns wäre es eine Art Perversion… Nein, schlimmer noch, denn Perversionen machen wenigstens manchmal manchen Leuten Spaß. Aber wenn ein Welpe als Solo aufgezogen würde, oder auch als Duo — es würde bedeuten, ein Tier aus etwas zu machen, was ein gesundes Glied werden könnte.«

»Du meinst, dass Welpen niemals ein eigenes Leben haben?«

Wanderer reckte die Köpfe vor und ließ sich zu Boden fallen. Eins von ihm schnüffelte weiter an den Welpen, doch seine Aufmerksamkeit galt Johanna. Er liebte es, über menschliche Exotika zu sinnieren. »Nun ja, manchmal kommt es zu einer Tragödie — ein verwaister Welpe, der ganz sich selbst überlassen ist. Oft gibt es dafür keine Heilung, das Geschöpf wird zu unabhängig, als dass es sich in irgendein Rudel einpassen könnte. Jedenfalls ist es ein sehr einsames, leeres Leben. Ich kann mich persönlich erinnern, wie unangenehm es ist.«

»Ihr verpasst eine Menge. Ich weiß, dass du dir im Datio Kindergeschichten angesehen hast. Es ist traurig, dass ihr niemals jung und närrisch sein könnt.«

»He! Das habe ich nie behauptet. Ich bin viele Male jung und närrisch gewesen, es ist meine Art zu leben. Und die meisten Rudel sind so, wenn sie mehrere junge Glieder von verschiedenen Eltern haben.« Während sie miteinander sprachen, hatte sich einer der Welpen an den Rand der Decke vorgekämpft, auf der sie saßen. Nun streckte er seinen Hals unbeholfen nach den Blumen aus, die aus den Wurzeln eines nahen Baumes wuchsen. Während er in dem Grün und Purpur herumstocherte, spürte Johanna wieder das Summen. Die Bewegungen des Welpen wurden eine Spur zielgerichteter. »Oha! Ich kann die Blumen zusammen mit ihm riechen. Ich wette, noch ehe wir Flensers Verborgene Insel erreichen, werden wir einer mit den Augen des anderen sehen.« Der Welpe fuhr zurück, und die beiden vollführten einen kleinen Tanz auf der Decke. Wanderers Köpfe wippten im Takt der Bewegung auf und ab. »Sie sind so kluge Kleine!« Er grinste. »Oh, wir sind nicht so sehr verschieden von euch, Johanna. Ich weiß, dass Menschen auf ihre Jungen stolz sind. Holzschnitzerin und ich, wir fragen uns beide, was aus unseren wohl werden wird. Sie ist so glänzend scharfsinnig, und ich bin — na ja, ein bisschen verrückt. Werden diese beiden ein wissenschaftliches Genie aus mir machen? Werden die von Holzschnitzerin eine Abenteurernatur aus ihr machen? He, he. Holzschnitzerin ist eine großartige Züchterin, doch nicht einmal sie weiß sicher, wie unsere neuen Seelen sein werden. Oh, ich kann es gar nicht erwarten, wieder sechs zu sein!«

Schreiber und Pilger und Johanna hatten nur drei Tage gebraucht, um aus Flensers Reich zum Hafen von Holzschnitzerheim zu segeln. Diese Armee würde fast dreißig Tage brauchen, um zurück zu dem Ort zu gehen, wo Johannas Abenteuer begonnen hatte. Auf der Karte hatte der Weg mühselig ausgesehen, wie er sich hin und her durch das Fjordland schlängelte. Doch die ersten zehn Tage waren erstaunlich leicht gewesen. Das Wetter blieb trocken und warm. Es war, als würde sich der Tag des Überfalls bis in alle Ewigkeit erstrecken. Einen Trockenwindsommer nannte es Holzschnitzerin. Im Sommer sollte es gelegentlich Stürme geben, zumindest bewölkten Himmel. Statt dessen kreiste die Sonne endlos über den Baumgipfeln, und wenn sie ins Freie gelangten — niemals für lange Zeit, und nur, wenn Feilonius es für zweifellos sicher hielt —, war der Himmel klar und fast wolkenlos.