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»Es sieht nicht so aus, als würden sie schnell aufholen.«

Ein Zucken der Wedel. »Herr Pham hat sich als fähiger Schiffsführer erwiesen. Ich fürchte, die Lage wird sich ändern, wenn wir tiefer kommen. Die höhere Automatik des Schiffs wird nach und nach versagen. Was Sie ›Handsteuerung‹ nennen, wird sehr wichtig werden. Die ADR ist für meine Rasse entworfen worden, meine Dame. Egal, was Herr Pham von uns denkt, am Grunde können wir das Schiff besser als jeder andere fliegen. Also werden die anderen Stück für Stück aufholen — zumindest jene, die wirklich etwas von ihren eigenen Schiffen verstehen.«

»S-sicherlich weiß Pham das?«

»Ich glaube, er muss es wissen. Aber er ist in seinen eigenen Ängsten gefangen. Was kann er tun? Wenn Sie nicht gewesen wären, meine Dame, hätte er uns vielleicht schon getötet. Vielleicht, wenn es so weit kommt, dass er entweder binnen einer Stunde sterben oder uns vertrauen muss — dann gibt es vielleicht eine Chance.«

»Dann wird es zu spät sein. Seht ihr, sogar wenn er euch nicht traut — auch, wenn er das Schlimmste von den Skrodfahrern glaubt —, muss es noch einen Weg geben.« Und es ging ihr auf, dass man mitunter die Denkweise der Leute nicht zu ändern braucht, nicht einmal ihren Hass auf jemanden. »Pham will den Grund erreichen, um dieses GEGENMITTEL zu retten. Er glaubt, ihr könntet Geschöpfe der PEST und hinter derselben Sache her sein. Doch bis zu einem gewissen Punkt…« Bis zu einem gewissen Punkt ist er durchaus zur Zusammenarbeit imstande, kann die Konfrontation, die er sich einbildet, solange zurückstellen, bis sie keine Rolle mehr spielt.

Noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte, schrie Blaustiel sie an: »Ich bin kein Geschöpf der PEST! Grünmuschel ist auch keins! Die Rasse der Skrodfahrer ist es nicht!« Er fuhr rasch um seine Partnerin herum über die Decke, bis seine Wedel direkt vor ihrem Gesicht rasselten.

»Entschuldige. Es ist nur eine Möglichkeit…«

»Unsinn!« Sein Voder surrte in zu hohe Frequenzen hinein. »Wir sind auf ein paar Schlechte gestoßen. Solche gibt es in jeder Rasse, Leute, die gegen Bezahlung zu töten bereit sind. Sie haben Grünmuschel gezwungen, gegen ihren Willen Daten in ihren Voder gespeist. Pham Nuwen würde die vielen Milliarden von uns um seiner Einbildung willen töten.« Er gestikulierte wild. So etwas hatte sie noch niemals bei einem Skrodfahrer gesehen: Seine Wedel wechselten tatsächlich die Farbe, wurden dunkler.

Die Bewegung hörte auf, doch er sagte nichts weiter. Und da hörte Ravna es: einen hohen, langgezogenen Klagelaut, der vielleicht von einem Voder stammte. Der Laut wuchs stetig an, ein Heulen, gegen das alle Geräuscheffekte Blaustiels wie freundlicher Unsinn wirkten. Es war Grünmuschel.

Das Heulen erreichte beinahe die Schmerzgrenze, dann verwandelte es sich in abgehacktes Triskweline: »Es ist wahr! Oh, bei all unseren Handelsfahrten, Blaustiel, es ist wahr…« — und aus ihrem Voder drang statisches Rauschen. Ihre Wedel begannen zu zittern, unkoordinierte Drehungen, die bei einem Menschen wild starrenden Augen entsprechen mussten, dem hysterischen Gemurmel eines Mundes.

Blaustiel war schon wieder an der Wand und wollte ihren neuen Skrod regulieren. Grünmuschels Wedel stießen ihn beiseite, und ihr Voder fuhr fort: »Ich war von Entsetzen gepackt, Blaustiel. Ich war von Entsetzen gepackt, von Grauen. Und es hörte nicht auf…« Sie schwieg einen Augenblick lang. Blaustiel stand erstarrt da. »Ich erinnere mich an alles bis hin zu den letzten fünf Minuten. Und alles, was Pham sagt, ist wahr, Liebster. So treu du auch bist — und ich erlebe diese Treue jetzt seit zweihundert Jahren —, du würdest augenblicklich umgedreht werden… so wie ich.« Nun, da das Eis gebrochen war, kamen ihre Worte schnell, und die meisten ergaben Sinn. Das Grauen, an das sie sich erinnerte, hatte sich tief eingegraben, und sie befreite sich endlich von einem grässlichen Schock. »Ich war direkt hinter dir, weißt du noch, Blaustiel? Du warst in deinen Handel mit den Hauerbeinen versunken, so tief, dass du es nicht richtig gesehen hast. Ich bemerkte, wie die anderen Skrodfahrer auf uns zu kamen. Nun gut: eine freundschaftliche Begegnung so weit von Zuhause. Dann berührte einer meinen Skrod. Ich…« Grünmuschel zögerte. Ihre Wedel rasselten, und sie begann wieder: »… von Entsetzen gepackt, von Entsetzen…«

Nach einer Weile fuhr sie fort: »Es war, es seien plötzlich neue Erinnerungen im Skrod aufgetaucht, Blaustiel. Neue Erinnerungen, neue Einstellungen. Aber Jahrtausende tief. Und nicht von mir. Augenblicklich, augenblicklich. Ich habe keinen Moment das Bewusstsein verloren. Meine Gedanken waren unverändert klar, alle meine eigenen Erinnerungen noch da.«

»Und als du Widerstand leistetest?«

»… Widerstand? Meine Dame Ravna, ich habe keinen Widerstand geleistet, ich gehörte ihnen… Nein. Nicht ihnen, denn auch sie waren besessen. Wir waren Gegenstände, unsere Intelligenz diente einem fremden Zweck. Tot waren wir, und zugleich lebendig genug, um unseren Tod wahrzunehmen. Ich hätte Sie getötet, ich hätte Pham getötet, ich hätte Blaustiel getötet. Sie wissen, dass ich es versucht habe. Und als ich es versuchte, wollte ich, dass es gelänge. Sie können das niemals begreifen…« Eine lange Pause. »Das stimmt nicht ganz. An der Obergrenze des Jenseits, innerhalb der PEST selbst — dort lebt vielleicht jeder so, wie ich es tat.«

Das Zittern ließ nicht nach, doch ihre Gesten waren nicht mehr ziellos. Die Wedel sagten etwas in ihrer eigenen Sprache und streichelten Blaustiel sanft.

»Unsere ganze Rasse, lieber Blaustiel. Genauso, wie Pham sagt.«

Blaustiel wurde welk, und Ravna spürte, wie sich in ihm alles zusammenkrampfte, so wie bei ihr, als sie die Nachricht von Sjandra Kei erhalten hatte. Das waren ihre Welten gewesen, ihre Familie, ihr Leben. Die Nachricht für Blaustiel war schlimmer.

Ravna schwebte etwas näher heran, weit genug, um mit der Hand über die Seite von Grünmuschels Wedeln streichen zu können. »Pham sagt, dass die Ursache in den Höheren Skrods liegt.« Sabotage, eine Milliarde Jahre tief verborgen.

»Ja, es sind vor allem die Skrods. Die ›große Gabe‹ , die wir Fahrer so lieben… Ihre Konstruktion dient dazu, die Kontrolle zu übernehmen, aber ich fürchte, auch wir sind daran angepasst worden. Als sie meinen Skrod berührten, war ich augenblicklich verwandelt. Augenblicklich hatte alles, was mir teuer gewesen war, keine Bedeutung mehr. Wir sind wie intelligente Bomben, zu Billionen über einen Raum verstreut, den jedermann für sicher hält. Wir werden sparsam verwendet. Wir sind die Geheimwaffe der PEST, besonders im Unteren Jenseits.«

Blaustiel zuckte zusammen, und seine Stimme klang holprig: »Und alles, was Pham behauptet, stimmt.«

»Nein, Blaustiel, nicht alles.« Ravna erinnerte sich an die letzte Konfrontation mit Pham. »Er hat die Fakten, aber er wichtet sie falsch. Solange eure Skrods nicht pervertiert sind, seid ihr dieselben Leute, denen ich mich für den Flug zum Grund anvertraut habe.«

Blaustiel wandte mit einem zornigen Ruck seinen Blick von ihr ab. Statt seiner erklang Grünmuschels Stimme: »Solange der Skrod nicht pervertiert ist… Aber seht doch, wie leicht es ging, wie plötzlich ich ein Werkzeug der PEST wurde.«

»Ja, aber ist es auch ohne direkte Berührung möglich? Könnt ihr ›verändert‹ werden, wenn ihr die Netznachrichten lest?«

Die Frage war als grimmiger Sarkasmus gemeint, doch die arme Grünmuschel nahm sie ernst: »Nicht durch eine Nachricht, auch nicht durch die üblichen Protokollsendungen. Aber die Annahme einer an die Skrod-Hilfsprogramme gerichteten Übertragung könnte ausreichen.«

»Dann seid ihr hier in Sicherheit. Du, weil du keinen Höheren Skrod mehr fährst, Blaustiel, weil…«