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»Wa…?«

»Das ist Flensers Fahne… seine persönliche Standarte!«

»Das kann nicht sein.« Flenser war vor sechs Zehntagen in der Republik ermordet worden. Die Meute, die ihn zerfetzt hatte, hatte gleichzeitig Dutzende seiner führenden Anhänger getötet… Doch es war nur eine Mitteilung der republikanischen Politischen Polizei gewesen, dass alle von Flensers Körpern gefunden worden seien.

Oben an der Festung spazierte ein einzelnes Rudel zwischen den Reihen der Soldaten und Weißjacks einher. Silber und Gold glänzten auf seinen Schultern. Schreiber ließ eins seiner Glieder hinter einem Pfosten verschwinden und holte verstohlen sein Augen-Werkzeug hervor. Nach einem Moment: »Seelentod… es ist Tyrathect.«

»Sie ist genauso wenig der Flenser, wie ich es bin«, sagte Wanderer. Sie waren zusammen von Osttor den ganzen Weg über die Eisfänge gereist. Sie war offensichtlich eine Neukunft, und nicht besonders gut beisammen. Sie hatte reserviert und nach innen gekehrt gewirkt, doch es hatte auch Ausbrüche von Wut gegeben. Wanderer wusste, dass etwas Tödliches in Tyrathect steckte… Nun konnte er sich denken, woher es kam. Zumindest einige von Flensers Gliedern waren dem Mordanschlag entgangen, und er und Schreiber hatten drei Zehntage in ihrer Gegenwart verbracht. Wanderer erschauderte.

Am Festungstor wandte sich das Tyrathect genannte Rudel den Soldaten und Dienern zu. Sie machte eine Geste, und wieder ertönten Hörner. Der neue Wanderer verstand das Signaclass="underline" der Einruf. Er unterdrückte den plötzlichen Drang, den anderen auf der Pier zu folgen, die mit gesenkten Bäuchen auf die Festung zukrochen, alle Augen auf Den Meister gerichtet. Schreiber blickte zu ihm zurück, und Wanderer nickte. Sie hatten ein Wunder gebraucht, und da war eins — vom Feinde selbst vollbracht! Schreiber bewegte sich langsam zum Ende der Pier hin und zog die Schleife von Schatten zu Schatten.

Noch immer blickte sich niemand um. Aus gutem Grund: Wickwracknarb erinnerte sich, was mit denen geschah, die bei einem Einruf den Respekt vermissen ließen. »Zieh das Geschöpf auf das Bug-Steuerbord-Boot«, sagte er zu Yaqueramaphan. Er sprang von der Pier und verteilte sich über das Multiboot. Es war großartig, wieder auf schwankenden Decks zu sein, wo jedes Glied in eine andere Richtung trieb. Er schnüffelte zwischen den Bugkatapulten, lauschte den Rümpfen und dem Knarren der Verbindungstaue.

Doch Narb war kein Seemann und konnte sich des womöglich Wichtigsten nicht entsinnen.

»Was suchst du?«, zischte Schreiber in Hochsprache.

»Flutspunde.« Wenn es welche gab, sahen sie ganz anders aus als auf den Südmeeren.

»Oh«, sagte Schreiber, »das ist leicht. Das sind Nordgleiter. Mit abklappbaren Platten und einem dünnen Rumpf dahinter.« Zwei von ihm verschwanden für eine Sekunde, und es gab ein dröhnendes Geräusch. Die Köpfe tauchten wieder auf und schüttelten Wasser ab. Er grinste überrascht, perplex über seinen eigenen Erfolg. »Es ist ja ganz wie in den Büchern!«, schien sein Ausdruck zu sagen.

Wickwracknarb fand sie nun, die Platten hatten wie Lagerstätten für die Besatzung ausgesehen, doch sie ließen sich leicht herausziehen, und das Holz dahinter war leicht mit einer Streitaxt zu durchbrechen. Er ließ einen Kopf draußen, um zu sehen, ob sie Aufmerksamkeit erregten, während er gleichzeitig auf die Spundbretter einhackte. Wanderer und Schreiber arbeiteten sich durch die Bugreihen des Multiboots; wenn die absackten, würde es eine Weile dauern, die Doppelrümpfe dahinter flottzumachen.

Oh. Einer von den Bootsarbeitern schaute zu ihnen zurück. Ein Teil von dem Kerl ging weiter den Hügel hinan, den anderen drängte es, zur Pier zurückzukehren. Die Hörner ließen abermals ihren Befehl erschallen, und der Matrose folgte dem Ruf. Doch auf seine jaulenden Alarmrufe hin blickten weitere sich um.

Keine Zeit, sich davonzustehlen. Wanderer stürzte zurück auf den Doppelrumpf vorn steuerbord. Schreiber schlug die Verstrebungen aus Flechtenbein durch, die den Doppelrumpf am Rest des Schiffes hielten. »Kannst du mit einem Boot umgehen?«, fragte Wanderer. Dumme Frage.

»Tja, ich habe alles darüber gelesen…«

»Gut!« Wanderer scheuchte ihn ganz in den Steuerbordrumpf. »Sieh zu, dass das Fremde in Sicherheit ist. Duck dich und sei so still wie möglich.« Er konnte den Doppelrumpf allein segeln, aber er würde überall sein müssen, um das zu tun; je weniger Störgeräusche, um so besser.

Wanderer stieß ihr Boot mit einer Stange vom Multiboot weg. Das Fluten war noch nicht zu bemerken, doch er sah Wasser in den Bugrümpfen. Er drehte seine Stange um und benutzte ihren Haken, um das nächste Boot in die Lücke zu ziehen, die ihre Abfahrt gelassen hatte. In fünf Minuten würde nur noch eine Reihe von Masten aus dem Wasser ragen. Fünf Minuten. Es war nicht zu schaffen — wenn da nicht Flensers Einruf gewesen wäre. Oben an der Festung drehten sich Soldaten um und zeigten zum Hafen. Dennoch mussten sie Flenser/Tyrathect folgen. Wie lange würde es dauern, bevor jemand Wichtiges entschied, dass etwas sogar über einen Einruf gehen konnte?

Er setzte Segel.

Der Wind trieb sie von der Pier hinaus. Wanderer sprang hierhin und dorthin, die Segelleinen fest zwischen den Zähnen. Selbst ohne Rum — was für Erinnerungen der Geschmack von Salz und Tauwerk weckte! Er fühlte, wie straffe Spannung und Nachlassen bedeuteten, dass der Wind sein Bestes gab. Die Doppelrümpfe waren schnittig und schmal, der Mast von Eisenholz knarrte, während der Wind das Segel füllte.

Die Flenseristen strömten jetzt den Hügel hinab. Bogenschützen blieben stehen, und eine Wolke von Pfeilen stieg auf. Wanderer riss an den Segelleinen und ließ das Boot auf einem Rumpf nach links wenden. Schreiber sprang, um das Fremde zu decken. Vor ihnen auf Steuerbord wurde das Wasser geriffelt, doch nur ein paar Pfeile trafen das Boot. Wanderer zog wieder an den Leinen, und sie drehten sich in die andere Richtung. Noch ein paar Sekunden, und sie wären außer Schussweite. Soldaten rannten hinab zu den Piers, kreischten, als sie sahen, was von ihrem Schiff übrig war. Die Bugreihen waren geflutet: die ganze Vorderseite des Ankerplatzes war ein Trümmerhaufen von versunkenen Booten. Und die Katapulte befanden sich am Bug.

Wanderer ließ sein Boot zurückschwingen und hielt gerade nach Süden, aus dem Hafen hinaus. Auf Steuerbord konnte er sehen, wie sie die Südspitze der Verborgenen Insel passierten. Die Burgtürme ragten hoch und verhängnisvoll empor. Er wusste, dass es dort schwere Katapulte gab, und ein paar schnelle Boote im Inselhafen. Noch ein paar Minuten, und selbst das würde keine Rolle mehr spielen. Erst allmählich wurde ihm bewusst, wie wendig ihr Boot war. Er hätte sich denken können, dass sie das beste an einer Bugecke placieren würden. Vermutlich wurde es für Erkundungsfahrten und zum Übersetzen benutzt.

Yaqueramaphan hatte sich am Heck seines Rumpfes gesammelt und starrte übers Wasser auf den Festlandshafen. Soldaten, Arbeiter, Weißjacks drängten sich in geistbetäubendem Durcheinander an den Enden der Piers. Sogar von hier aus konnte man sehen, dass der Ort ein Tollhaus von Wut und Enttäuschung war. Ein närrisches Lächeln breitete sich über Schreiber aus, als ihm bewusst wurde, dass sie es wirklich schaffen würden. Er stützte sich auf die Reling und sprang in die Luft, um ihren Feinden ein Glied zu zeigen. Die obszöne Geste hätte ihn beinahe über Bord fallen lassen, doch sie wurde tatsächlich gesehen: die ferne Wut flammte für einen Augenblick noch heller auf.

Sie waren schon ein gutes Stück südlich der Verborgenen Insel, selbst deren Katapulte konnten sie jetzt nicht mehr erreichen. Die Rudel am Ufer des Festlands gerieten außer Sicht. Flensers persönliche Standarte flatterte noch munter in der Morgenbrise, ein kleiner werdendes Quadrat von Rot und Gelb vor dem Grün des Waldes.

Der ganze Wanderer schaute auf die Meerenge, wo sich die Walinsel im Bogen nahe an das Festland heranschob. Sein Narb erinnerte sich, dass die Inselspitze schwer befestigt war. Normalerweise wäre das ihr Ende gewesen. Doch die Bogenschützen waren abgezogen worden, um sich an dem Überfall zu beteiligen, und die Katapulte wurden gerade repariert.