Выбрать главу

»Der Vorderrand dieser Meute — die Allerschnellsten — holt immer noch auf.«

Blaustiel sagte zögernd: »Wir würden ein bisschen mehr Geschwindigkeit erzielen, wenn Sie mir direkte Steuerung erlaubten. Nicht viel, aber…«

Wenigstens war Phams Antwort höflich. »Nein. Ich denke an etwas anderes, etwas, das Ravna vor einiger Zeit vorgeschlagen hat. Es ist immer eine Möglichkeit gewesen, und… ich… glaube, es ist jetzt vielleicht Zeit dafür.«

Ravna rückte näher an den Bildschirm heran und starrte auf die grünen Spuren. Ihre Verteilung entsprach annähernd dem, was die Nachrichten als die Überbleibsel der Sicherheitsgesellschaft von Sjandra Kei bezeichneten. Das ist alles, was von meinem Volk übrig ist. »Sie versuchen jetzt schon seit hundert Stunden, Kampfhandlungen mit der Allianz aufzunehmen.«

Phams Blick streifte ihren. »Tja«, sagte er leise. »Die armen Kerle. Sie sind buchstäblich die Flotte vom Verzweiflungshafen. Ich an ihrer Stelle würde…« Sein Ausdruck wurde wieder sanfter. »Hat jemand eine Vorstellung, wie gut bewaffnet sie sind?« Das war zweifellos eine rhetorische Frage, doch sie brachte das Thema zur Sprache.

»Die Kriegsbeobachter sagen, dass Sjandra Kei schon die ganze Zeit mit etwas Unangenehmem gerechnet hat, seit die Allianz von ›Tod dem Ungeziefer‹ zu reden begann. Die Sicherheitsgesellschaft stellte die Verteidigung in der Tiefe des Raums. Ihre Flotte besteht aus umgerüsteten Frachtern mit bei Sjandra Kei entwickelter Bewaffnung. Die Kriegsbeobachter behaupten, dass sie niemals dem gewachsen war, was die andere Seite ins Feld führen konnte, vorausgesetzt, dass die Allianz einige schwere Verluste hinzunehmen bereit war. Der Haken ist, dass Sjandra Kei nicht mit einem planetenvernichtenden Angriff gerechnet hat. Als die Allianz also aufkreuzte, flogen unsere ihr entgegen…«

»… und inzwischen kamen die Kinetischen Energie-Bomben mitten ins Herz von Sjandra Kei.«

In mein Herz. »Ja. Die Allianz muss diese Bomben Wochen vorher auf den Weg gebracht haben.«

Pham Nuwen lachte kurz auf. »Wenn ich mit der Allianz-Flotte unterwegs wäre, dann wäre ich jetzt ein bisschen nervös. Sie sind jetzt zahlenmäßig schwächer, und diese umgebauten Frachter scheinen so schnell wie nur irgendetwas zu sein… Ich wette, jeder Pilot von Sjandra Kei ist unerbittlich auf Rache aus.« Das Gefühl verebbte wieder. »Hmm. Sie können unmöglich alle Schiffe der Allianz oder der PEST vernichten, geschweige denn von beiden. Es wäre zwecklos, zu…«

Unvermittelt fixierte sein Blick Ravna. »Wenn wir den Dingen also ihren Lauf lassen, wird die Sjandra-Kei-Flotte früher oder später ihre Position der Allianz angleichen und versuchen, sie zur Hölle zu schicken.«

Ravna nickte nur. »In etwa zwölf Stunden, heißt es.«

»Und dann wird nur noch die eigene Flotte der PEST übrig sein, die uns auf den Fersen ist. Wenn wir aber deine Leute dazu bringen könnten, gegen die richtigen Feinde zu kämpfen…«

So hatte Ravna es sich in ihren Alpträumen vorgestellt. Alles, was von Sjandra Kei übrig war, würde umkommen, um die ADR zu retten…, um zu versuchen, ihre Besatzung zu retten. Es bestand wenig Hoffnung, dass die Sjandra-Kei-Flotte alle Schiffe der PEST vernichten könnte. Doch sie sind hier, um zu kämpfen. Warum keine Vergeltung, die einen Sinn hat! Das war die Botschaft des Alptraums. Nun passte sie irgendwie zu den Plänen der Gottsplitter. »Da gibt es Probleme. Sie wissen nicht, was wir im Begriff sind zu tun, und kennen auch nicht den Zweck der dritten Flotte. Was immer wir ihnen mitteilen, wird mitgehört werden.« Die Ultrawelle wirkte gerichtet, doch die meisten von ihren Verfolgern befanden sich eng beieinander.

Pham nickte. »Irgendwie müssen wir mit ihnen reden, und nur mit ihnen. Irgendwie müssen wir sie überzeugen zu kämpfen.« Ein schwaches Lächeln. »Und ich glaube, wir haben just die… Ausrüstung…, um all das zu tun. Blaustieclass="underline" Erinnerst du dich an die Nacht auf den Hohen Docks, als du uns von der ›verdorbenen Fracht‹ von Sjandra Kei erzählt hast?«

»Gewiss, Herr Pham. Wir transportierten ein Drittel eines Codierers, den die SjK-Sicherheitsgesellschaft für die Humanoiden mit den Rasierklingen-Kiefern erzeugt hatte. Es liegt immer noch in den Safes des Schiffes, wenngleich es ohne die beiden anderen Drittel wertlos ist.« Jedes einzelne Gramm von Crypto-Materialien war so ziemlich das Wertvollste, was zwischen den Sternen transportiert wurde — und so ziemlich das Wertloseste, wenn sie erst einmal kompromittiert waren. Irgendwo in den Frachtdateien der ADR befand sich eine von SjK hergestellte Einweg-Verschlüsselungsmatrix. Ein Teil davon.

»Wertlos? Vielleicht nicht. Selbst ein Drittel würde uns sichere Kommunikation gewährleisten.«

Blaustiel zauderte. »Ich darf Sie nicht irreführen. Kein Kunde mit Sachkenntnis würde so etwas annehmen. Gewiss gewährleistet es sichere Kommunikation, doch die andere Seite hat keine Bestätigung, dass Sie sind, was Sie zu sein behaupten.«

Phams Blick glitt zur Seite zu Ravna. Da war wieder dieses Lächeln. »Wenn sie uns zuhören, glaube ich, dass wir sie überzeugen können… Das Schwierige ist, ich möchte, dass nur einer von ihnen uns hört.« Pham erklärte, woran er dachte. Die Skrodfahrer raschelten schwach zu seinen Worten. Nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, konnte Ravna fast Sinn in ihrer Sprache erkennen — oder vielleicht verstand sie einfach nur ihre Persönlichkeiten. Wie üblich, machte sich Blaustiel Sorgen, wie unmöglich die Idee sei, und Grünmuschel ermahnte ihn, zuzuhören.

Doch als Pham fertig war, brach Blaustiel nicht in Einwände aus. »Über siebzig Lichtjahre hinweg ist Ultrawellen-Kommunikation zwischen Schiffen machbar; wir könnten sogar Live-Bildübertragung haben. Aber Sie haben Recht, der Strahl würde alle Schiffe in der zentralen Flottenansammlung erfassen. Wenn wir ein abgelegenes Schiff zuverlässig als zu Sjandra Kei gehörig identifizieren könnten, dann lässt sich vielleicht machen, was Sie verlangen; dieses Schiff könnte die internen Flottencodes verwenden, um unsere Nachricht an die anderen weiterzugeben. Doch ehrlich gesagt, ich muss Sie warnen«, fuhr Blaustiel fort und strich mit einem Wedel Grünmuschels sanften Einwand beiseite, »professionelle Kommunikationsleute würden Ihren Ruf nicht entgegennehmen — sie würden ihn wahrscheinlich nicht einmal als solchen zur Kenntnis nehmen.«

»Wie dumm.« Endlich sprach Grünmuschel, ihre Voderstimme klang sanft, aber deutlich. »Immer sagst du so etwas — außer wenn wir mit zahlenden Kunden reden.«

»Brap. Ja. Verzweifelte Zeiten, verzweifelte Maßnahmen. Ich will es versuchen, doch ich fürchte… Ich möchte, dass es da keine Anklagen wegen Verrats durch die Skrodfahrer gibt, Herr Pham. Ich möchte, dass Sie das in die Hand nehmen.«

Pham Nuwen lächelte zurück. »Ganz mein Gedanke.«

»Die Aniara-Flotte.« So nannten sich manche Besatzungen der Sicherheitsgesellschaft. Aniara hieß das Schiff in einem alten Mythos der Menschheit, der älter als die Nyjora war, vielleicht bis zu den Tuvo-Norwegischen Genossenschaften der Asteroiden im Sonnensystem der Erde zurückreichte. In der Geschichte war Aniara ein großes Schiff, das unmittelbar vor dem Tod seiner Herkunftszivilisation in interstellare Räume gestartet war. Die Besatzung beobachtete die Todesqualen des Heimatsystems, und in den folgenden Jahren — während ihr Schiff immer weiter hinaus ins endlose Dunkel fiel — starb sie dann selbst, während die Lebenserhaltungssysteme allmählich versagten. Das Bild war gespenstisch, und vermutlich aus diesem Grunde war es über Jahrtausende hinweg bekannt geblieben. Mit der Vernichtung von Sjandra Kei und dem Entkommen der Sicherheitsgesellschaft schien die Geschichte auf einmal wahr geworden zu sein.

Aber wir werden sie nicht bis zu Ende durchspielen. Gruppenkapitän Kjet Svensndot schaute auf den Spurenbildschirm. Diesmal war der Tod der Zivilisation ein Mord gewesen, und die Mörder befanden sich fast in Reichweite der Vergeltung. Tagelang hatte das Flottenhauptquartier sie an die Allianz heranmanövriert. Der Bildschirm zeigte, dass der Erfolg sehr, sehr nahe war. Der größte Teil der Schiffe von Allianz und Sjandra Kei waren zu einer leuchtenden Kugel von Antriebsspuren zusammengeballt — die auch die dritte, schweigende Flotte einschloss. Nach diesem Bildschirm hätte man die Schlacht schon für möglich halten können. Tatsächlich passierten die gegnerischen Schiffe fast denselben Raum — manchmal weniger als eine Milliarde Kilometer voneinander entfernt —, doch noch durch Millisekunden in der Zeit voneinander getrennt. Alle Schiffe flogen mit Ultraantrieb und sprangen vielleicht ein dutzendmal pro Sekunde. Und selbst hier am Grund des Jenseits ergab das einen merklichen Bruchteil eines Lichtjahrs bei jedem Sprung. Gegen einen Feind zu kämpfen, der nicht mitspielte, hieß, die Sprünge perfekt aufeinander abzustimmen und den gemeinsamen Raum mit Waffensonden zu überfluten.