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Das Flenser-Glied zuckte in seinem dunklen Umhang mit den Schultern. Stahl wusste, dass das Radio so schwer war, wie es aussah. Es tröstete ihn, dass der andere für seine Allwissenheit bezahlen musste. Man stelle sich nur vor, bei so einer Hitze bis über alle Trommelfelle vermummt zu sein. Er konnte sich vorstellen, wie unbequem das war… In geschlossenen Räumen konnte er es riechen.

Sie kamen an einem der Mauergeschütze vorbei. Der Lauf glänzte von beschichtetem Metall. Das Ding hatte die dreifache Reichweite von Holzschnitzerins armseliger Erfindung. Während Holzschnitzerin mit dem Datio und der Intuition eines Menschenkinds gearbeitet hatte, hatte er über den unmittelbaren Rat von Ravna & Co. verfügt. Zuerst fürchtete er ihre Großzügigkeit und glaubte, die Besucher seien so überlegen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchten. Jetzt aber… Je mehr er von Ravna und den anderen hörte, um so deutlicher erkannte er ihre Schwächen. Sie konnten nicht mit sich selbst experimentieren, sich selbst vervollkommnen. Starre, sich — wenn überhaupt — nur langsam ändernde Dummköpfe. Mitunter ließen sie eine simple Schläue erkennen — Ravnas Zurückhaltung bei der Frage, was sie von dem ersten Sternenschiff wollte —, aber ihre Verzweiflung in all ihren Botschaften war unüberhörbar, und ebenso, wie sehr sie an dem Menschenkind hingen.

Bis vor ein paar Tagen war alles so gut gegangen. Als sie außer Hörweite des Kanonierrudels waren, sagte Stahl zu dem Glied Flensers: »Und immer noch keine Nachricht von unseren ›Rettern‹ .«

»Scheint so.« Das war der andere gestörte Zeitplan, der wichtige, den sie nicht unter Kontrolle hatten. »Ravna hat vier Sendungen ausgelassen. Zwei von mir sind jetzt eben unten bei Amdijefri.« Das Solo zuckte mit der Schnauze zu der Kuppel im inneren Mauerring. Die Geste wirkte unbeholfen. Ohne andere Mäuler und andere Augen war die Körpersprache ziemlich eingeschränkt. Wir sind einfach nicht dafür geschaffen, einen Teil hier, den anderen da herumlaufen zu lassen. »Noch ein paar Minuten, und die Weltraumleute werden die fünfte Sendung verpasst haben. Die Kinder sind am Verzweifeln, weißt du.«

In der Stimme des Gliedes klang Mitgefühl. Fast unbewusst wich Fürst Stahl noch ein bisschen weiter nach außen von ihm zurück. Stahl erinnerte sich dieses Tonfalls von seiner eigenen frühen Existenz her. Er erinnerte sich auch an das Schneiden und den Tod, die darauf immer gefolgt waren. »Ich möchte, dass sie froh bleiben, Tyrathect. Wir gehen davon aus, dass die Verbindung wieder in Gang kommen wird; dann werden wir sie brauchen.« Stahl bleckte dem umringten Solo sechs Paar Kiefer entgegen. »Keinen von deinen alten Tricks.«

Das Glied zuckte zurück, eine fast unmerkliche Bewegung, die Stahl größere Befriedigung verschaffte, als die Unterwürfigkeit von zehntausend. »Natürlich nicht. Ich sagte nur, dass du sie besuchen und ihnen in ihrer Angst beistehen solltest.«

»Du tust das.«

»Äh… sie vertrauen mir nicht vollends. Ich habe es dir schon gesagt, Stahl, sie lieben dich.«

»Ah! Und sie haben deine Gemeinheit durchschaut, he?« Die Situation machte Stahl stolz. Er hatte einen Erfolg erzielt, wo Flensers eigene Methoden versagt hätten. Er hatte ohne Drohungen oder Schmerz manipuliert. Es war Stahls verrücktestes Experiment gewesen, und gewiss sein einträglichstes. Aber… »Sieh mal, ich habe keine Zeit, jeden zu beeitern. Es macht Mühe, mit den beiden zu reden.« Und es war sehr ermüdend, sich zu beherrschen, Jefris ›Schmusen‹ und Amdis Streiche zu ertragen. Anfangs hatte Stahl darauf bestanden, dass niemand anders engen Kontakt zu den Kindern haben dürfe. Sie waren zu wichtig, als dass man sie anderen aussetzen durfte, der erste beste Lapsus konnte ihnen die Wahrheit zeigen und sie verderben. Sogar jetzt war Tyrathect das einzige Rudel außer ihm selbst, das regelmäßig mit ihnen in Berührung kam. Doch für Stahl war jede Begegnung schlimmer als die vorige, ein Härtetest für seine Selbstbeherrschung. Es war schwer, in tödlicher Wut klar zu denken, und damit endete für Stahl fast jedes Gespräch mit ihnen. Wie wundervoll würde es sein, wenn die Weltraumleute landeten. Dann konnte er das andere Ende des Werkzeugs benutzen, das Amdijefri war. Dann würde er ihr Vertrauen und ihre Freundschaft nicht mehr nötig haben. Dann würde er einen Hebel besitzen, etwas, das er foltern und töten konnte, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Natürlich, wenn die Fremden niemals landeten, oder wenn… »Wir müssen etwas tun! Ich will kein Treibgut auf der Woge der Zukunft sein.« Stahl schlug auf die Brüstung ein, die auf der Innenseite des Wehrgangs entlanglief, und hieb mit seinen schimmernden Klauen Splitter aus dem Holz. »Wir können bei den Fremden nichts machen, also wollen wir uns mit Holzschnitzerin befassen. Ja!« Er lächelte des Flenserglied an. »Ironisch, nicht wahr? Hundert Jahre lang hast du versucht, sie zu beseitigen. Nun kann ich es schaffen. Was dein großer Triumph gewesen wäre, ist für mich nur eine lästige Abschweifung, die ich unternehme, weil sich größere Projekte zeitweilig verspäten.«

Das Verhüllte wirkte nicht beeindruckt. »Da ist noch eine Kleinigkeit — Geschenke, die aus heiterem Himmel herabfallen.«

»Ja, in meine offenen Kiefer. Und das ist mein Glück, nicht wahr?« Er ging ein paar Schritte weiter und kicherte in sich hinein. »Ja. Es wird Zeit, dass Feilonius seine vertrauensselige Königin an die Schlachtbank führt. Vielleicht wird es sich mit anderen Ereignissen überlagern, aber… Ich weiß, wir werden die Schlacht östlich von hier schlagen.«

»Der Margrum-Steig?«

»Richtig. Holzschnitzerins Truppen müssten ziemlich dicht beisammen sein, wenn sie den Hohlweg heraufkommen. Wir werden unsere Geschütze da hinüber schaffen, sie hinter dem Grat am oberen Ende des Steigs aufstellen. Es wird leicht sein, alle ihre Leute zu vernichten. Und es ist weit genug vom Schiffsberg entfernt; sogar wenn die Weltraumleute zur gleichen Zeit eintreffen, können wir die beiden Projekte getrennt halten.« Das Solo sagte nichts, und nach einer Weile starrte Stahl es an. »Ja, lieber Lehrer, ich weiß, dass ein Risiko darin liegt. Aber wir haben eine Armee vor unserer Schwelle sitzen. Sie sind unpassend spät eingetroffen, doch nicht einmal Feilonius kann sie jetzt kehrtmachen und nach Hause gehen lassen. Und wenn er versucht, die Ereignisse zu bremsen, könnte die Königin… Kannst du dir vorstellen, was sie tun würde?«

»Nein. Sie ist immer für eine Überraschung gut gewesen.«

»Sie könnte sogar Feilonius’ Spiel durchschauen. Er soll die Armee der Königin in spätestens zwei Tagen den Margrum-Steig heraufkommen lassen. Du kannst dir Einzelheiten überlegen, du kennst die Gegend besser als ich. Die letzten Details legen wir fest, wenn beide Seiten in Stellung sind.« Es war wunderbar, im Grunde der Befehlshaber beider Seiten in einer Schlacht zu sein! »Noch etwas. Es ist wichtig, und Feilonius muss sich binnen eines Tages darum kümmern: Ich will Holzschnitzerins Menschen tot sehen.«

»Was kann sie dir schaden?«

»Das ist eine dumme Frage«, vor allem von dir. »Wir wissen nicht, wann Ravna und Pham uns erreichen können. Bis wir sie sicher zwischen unseren Kiefern haben, ist es gefährlich, diese Johanna in der Nähe zu haben. Sag Feilonius, er soll es wie einen Unfall aussehen lassen, aber ich will, dass dieser Zweibeiner tot ist.«

Flenser war überall. Es war eine Form der Göttlichkeit, von der er geträumt hatte, seit er Holzschnitzerins Neukunft gewesen war. Während sich eines von ihm mit Stahl unterhielt, lungerten zwei andere mit Amdijefri beim Sternenschiff herum, und zwei weitere trabten durch den lichten Wald ein kleines Stück nördlich von Holzschnitzerins Lager.

Das Paradies kann auch eine Qual sein, und jeden Tag war die Folter etwas schwerer zu erdulden. Vor allem war dieser Sommer so unerträglich heiß wie nur jemals einer im Norden. Und die Radioumhänge waren nicht bloß heiß und schwer. Sie bedeckten notwendigerweise die Trommelfelle seiner Glieder. Und im Unterschied zu jeder anderen unbequemen Kleidung bedeutete, diese auch nur für einen Augenblick abzulegen, den Verstand zu verlieren. Seine ersten Versuche hatten nur ein, zwei Stunden gedauert. Dann war eine fünftägige Expedition zusammen mit Fernspäher Rangolith gekommen, um Stahl mit sofortigen Informationskanälen und der augenblicklichen Kontrolle über das Land um den Schiffsberg zu versorgen. Es hatte ein paar Tage gedauert, ehe er sich von den wundgescheuerten Stellen und den Schmerzen erholte, die er sich unter den Radioumhängen geholt hatte.