Выбрать главу

… Das Wunder war also geschehen. Sie waren am Leben und frei und hatten den größten Fund seiner ganzen Pilgerschaft. Er schrie seine Freude so laut heraus, dass Yaqueramaphan sich duckte und der Klang von den grünen, mit Schneeflecken bedeckten Anhöhen zurückgeworfen wurde.

FÜNF

Jefri Olsndot besaß nur wenige klare Erinnerungen an den Hinterhalt und hatte nichts von der Gewalt gesehen. Draußen war Lärm gewesen und Muttis angsterfüllter Schrei, er solle drinnen bleiben. Es hatte eine Menge Qualm gegeben. Er wusste noch, wie er gehustet hatte und wie er versuchte, an die frische Luft zu kriechen. Dann hatte er das Bewusstsein verloren. Als er erwachte, war er auf eine Art Erste-Hilfe-Trage geschnallt, und ringsum waren die großen Hundewesen. Sie sahen so komisch aus mit ihren weißen Jacken und den Tressen. Er entsann sich, dass er sich gefragt hatte, wo ihre Besitzer waren. Sie machten sehr sonderbare Geräusche: Kollern, Summen, Zischen. Manches davon war so hoch, dass er es kaum hören konnte.

Eine Zeit lang war er in einem Boot, dann in einem Wagen. Vorher hatte er nur Bilder von Burgen gesehen, doch der Ort, an den sie ihn brachten, war echt, mit dunklen und überhängenden Türmen und großen, spitzwinklig verlaufenden Steinmauern. Sie fuhren schattige Straßen hinauf, die unter den Wagenrädern holperten. Die langhalsigen Hunde hatten ihm nicht wehgetan, aber die Bänder waren schrecklich eng. Er konnte sich nicht hinsetzen, er konnte nicht zur Seite schauen. Er fragte nach Mutti und Vati und Johanna, und er weinte ein bisschen. Eine lange Schnauze erschien neben seinem Gesicht und stupste ihn mit der weichen Nase in die Wange. Ein surrendes Geräusch erklang, das er durch Mark und Bein spürte. Er wusste nicht, ob die Geste Trost oder Drohung sein sollte, doch er schnappte nach Luft und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie gehörten sich ohnehin nicht für einen guten Straumer.

Jetzt sah er mehr Hunde in weißen Jacken, welche mit närrischen Schulterstücken von Gold und Silber.

Seine Trage wurde wieder gezogen, diesmal einen fackelerleuchteten Tunnel hinab. Sie machten an einer Doppeltür Halt, zwei Ellen breit, doch kaum eine hoch. Ein Paar Metalltriangel war in das helle Holz eingelassen. Später erfuhr Jefri, dass sie eine Zahl bedeuteten: fünfzehn oder dreiunddreißig, je nachdem, ob man nach Beinen oder nach Vorderkrallen zählte. Viel, viel später erfuhr er, dass sein Wärter nach Beinen gezählt hatte und der Erbauer der Burg nach Vorderkrallen. So geriet er in den falschen Raum. Es war ein Irrtum, der die Geschichte von Welten verändern sollte.

Irgendwie öffneten die Hunde die Türen und zogen Jefri hinein. Sie drängten sich um die Trage und lösten mit den Schnauzen die Haltebänder. Einen Moment lang sah er Reihen nadelscharfer Zähne. Das Kollern und Summen war sehr laut. Als sich Jefri aufsetzte, wichen sie zurück. Zwei von ihnen hielten die Türen fest, während die vier anderen hinausgingen. Die Türen fielen zu, und die Zirkusnummer war vorbei.

Jefri starrte eine Zeit lang die Türen an. Er wusste, dass es keine Zirkusnummer war, die Hundewesen mussten intelligent sein. Irgendwie hatten sie seine Eltern und seine Schwester überrascht. Wo sind sie? Beinahe hätte er wieder zu weinen begonnen. Er hatte sie nicht beim Raumschiff gesehen. Sie mussten auch gefangen genommen worden sein. Sie wurden alle in dieser Burg gefangen gehalten, aber in verschiedenen Verliesen. Irgendwie mussten sie einander finden!

Er stand auf und schwankte einen Augenblick lang benommen. Alles roch noch nach Rauch. Das machte nichts, es war an der Zeit, sich darum zu kümmern, dass er herauskam. Er ging den Raum ab. Er war groß und glich nicht den Verliesen, die er in Geschichten gesehen hatte. Die Decke war sehr hoch, ein Bogengewölbe. Es war von zwölf vertikalen Schlitzen durchbrochen. Sonnenlicht fiel in einem staubdurchsetzten Strom durch einen davon, reflektiert von der gepolsterten Wand. Es war die einzige Lichtquelle in dem Raum, doch mehr als genug an diesem sonnigen Tag. Balkons mit niedriger Brüstung ragten knapp unter dem Gewölbe in die vier Ecken des Raumes hinein. Er konnte die Türen in der Wand dahinter sehen. Schwere Stoffrollen hingen an den Seiten jedes Balkons. Es war Schrift darauf, wirklich große Buchstaben. Er ging zur Wand und nahm das steife Gewebe in die Hand. Die Buchstaben waren aufgemalt. Die einzige Art, die Darstellung zu verändern, war, sie auszuwischen. Toll. Ganz wie in den alten Zeiten auf der Nyjora, vor dem Straumli-Bereich! Die Fußleiste unter den Rollen war von schwarzem Stein und glänzte. Jemand hatte Kalkstückchen benutzt, um darauf zu zeichnen. Die Strichfiguren von Hunden waren grob, sie erinnerten Jefri an Bilder, wie sie kleine Kinder im Kindergarten malen.

Er blieb stehen und dachte an all die Kinder, die sie an Bord des Bootes und auf dem Boden ringsum zurückgelassen hatten. Es war erst ein paar Tage her, dass er mit ihnen in der Schule des Hochlabors gespielt hatte. Das letzte Jahr war so seltsam gewesen — langweilig und abenteuerlich zugleich. Die Unterkünfte hatten Spaß gemacht, mit all den Familien beisammen, doch die Erwachsenen hatten kaum jemals Zeit zum Spielen gehabt. Nachts war der Himmel so anders als auf Straum. »Wir sind jenseits des Jenseits«, hatte Mutti gesagt, »und erschaffen Gott.« Als sie es zum ersten Mal gesagt hatte, hatte sie gelacht. Wenn es später jemand sagte, wirkten die Leute immer ängstlicher. Die letzten Stunden waren verrückt gewesen, die Kälteschlaf-Übungen waren schließlich Wahrheit geworden. Alle seine Freunde waren in jenen Zellen… Er weinte in die schreckliche Stille hinein. Es war niemand da, der ihn hören, niemand, der ihm helfen konnte.

Nach ein paar Minuten überlegte er wieder. Wenn die Hunde nicht versuchten, die Zellen zu öffnen, würde mit seinen Freunden alles in Ordnung sein. Wenn Mutti und Vati den Hunden klarmachen könnten…

Sonderbare Möbel waren im Raum verstreut: niedrige Tische und Schränkchen, und Regale wie Klettergerüste von Kindern — alles aus demselben hellen Holz. Schwarze Kissen lagen rund um den größten Tisch. Dieser war mit Schriftrollen übersät, alle voll Schrift und unbeweglichen Zeichnungen. Er schritt die Länge einer Wand ab, zehn Meter oder so. Der Steinboden endete. Es gab eine zwei mal zwei Meter große Grube voll Kies, wo die Wände aufeinandertrafen. Etwas roch hier noch stärker als Rauch. Wie in einer Toilette. Jefri lachte: Sie waren wirklich wie Hunde!

Die gepolsterten Wände sogen sein Gelächter auf, ohne Echo. Etwas… ließ Jefri aufblicken. Er hatte nur angenommen, er sei allein hier, in Wirklichkeit gab es eine Menge Verstecke in diesem ›Verlies‹ . Einen Augenblick lang hielt er den Atem an und lauschte. Alles war still… fast: An der Obergrenze seines Gehörs, wo manche Maschinen heulen und wo Mutti und Vati, sogar Johanna nicht hören konnten, war etwas.

»Ich… ich weiß, dass du hier bist«, sagte Jefri scharf mit schriller Stimme. Er trat ein paar Schritte zur Seite und versuchte, um die Möbel herum zu schauen, ohne sich ihnen zu nähern. Der Klang hielt an, unüberhörbar nun, da er ihm lauschte.

Ein kleiner Kopf mit großen dunklen Augen schaute hinter einem Schränkchen hervor. Er war viel kleiner als der des Wesens, dass Jefri hergebracht hatte, aber die Schnauze hatte dieselbe Form. Sie starrten einander einen Moment lang an, dann ging Jefri langsam seitlich auf es zu. Ein Welpe? Der Kopf zog sich zurück, kam dann weiter hervor. Seitlich sah Jefri eine Bewegung — noch eine schwarze Gestalt musterte ihn unter dem Tisch hervor. Eine Sekunde lang erstarrte Jefri und kämpfte gegen die Panik an. Aber er konnte nirgendwohin weglaufen, und vielleicht würden ihm die Wesen helfen, Mutti zu finden. Jefri ließ sich auf ein Knie sinken und streckte langsam die Hand aus. »Hier… hier, Hundchen.«