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Diese letzte Übung in Allwissenheit dauerte schon zwölf Tage. Es war unmöglich, die Umhänge dauernd zu tragen. Jeden Tag warf der Reihe nach eins von seinen Gliedern das Radio ab, wurde gebadet und bekam das Futter seiner Umhänge gewechselt. Es war Flensers Stunde des täglichen Wahnsinns, in der manchmal die willensschwache Tyrathect wieder hervortrat und vergebens versuchte, ihre Vorherrschaft wiederherzustellen. Es machte nichts. Wenn eins von seinen Gliedern abgetrennt war, war das verbleibende Rudel nur zu viert. Es gibt Viersams von normaler Intelligenz, doch es steckte keins in Flenser/Tyrathect. Das ganze Baden und Kleiderwechseln fand in einem wirren Dämmerzustand statt.

Und obwohl sich Flenser ›überall zugleich‹ befand, war er natürlich keine Spur klüger als zuvor. Nach den ersten schrillen Versuchen entwickelte er eine Vorliebe, radikal unterschiedliche Szenen zu sehen und zu hören — aber es war so schwierig wie eh und je, ein mehrgleisiges Gespräch zu führen. Wenn er mit Stahl plänkelte, hatten seine anderen Glieder Amdijefri oder Rangoliths Spähern sehr wenig zu sagen.

Fürst Stahl war mit ihm fertig. Flenser ging mit seinem früheren Schüler die Wehrgänge entlang, doch wenn Stahl etwas zu ihm gesagt hätte, hätte es ihn von seinem gegenwärtigen Gespräch abgelenkt. Flenser lächelte (und vermied sorgfältig, dass sein eines Glied bei Stahl es zeigte). Stahl glaubte, dass er gerade mit Fernspäher Rangolith sprach. O ja, er würde es tun — in ein paar Minuten. Ein Vorteil dieser Situation war, dass niemand mit Sicherheit alles wissen konnte, was Flenser gerade im Schilde führte. Wenn er vorsichtig war, würde er vielleicht wieder hier herrschen. Es war ein gefährliches Spiel, und die Umhänge selbst waren gefährliche Vorrichtungen. Man brauchte einen Umhang nur für ein paar Stunden aus dem Sonnenlicht zu nehmen, und er verlor an Kraft, und das Glied, das ihn trug, war vom Rudel abgeschnitten. Schlimmer war das Problem des Rauschens — das war das Wort der Pfahlwesen. Der zweite Satz Umhänge hatte seinen Benutzer umgebracht, und die Raumleute waren sich nicht über den Grund im klaren, außer dass es eine Art ›Interferenzproblem‹ sei.

Flenser hatte nichts derart Extremes durchgemacht. Doch manchmal, auf seinen fernsten Streifzügen mit Rangolith oder wenn die Kraft eines Umhangs schwand…, dann war ein unglaubliches Kreischen in seinem Geist, als drängte sich ein Dutzend Rudel um ihn, Klänge, die zwischen dem Wahnsinn von Sex und Blutrausch hin und her schwankten. Tyrathect schienen solche Gelegenheiten zu gefallen, sie kam dann aus der Verwirrung hervor und überschwemmte ihn mit ihrem weichen Hass. Normalerweise lauerte sie an den Rändern seines Bewusstseins und verschob hier ein Wort, da ein Motiv. Nach dem Rauschen war sie viel schlimmer; einmal hatte sie fast einen Tag lang die Kontrolle behalten. Wenn er ein Jahr Zeit ohne Krisen gehabt hätte, hätte Flenser Ty und Ra und Thect studieren und das richtige herausschneiden können. Thect, das Glied mit den weißen Ohrspitzen, war wahrscheinlich dasjenige, das getötet werden musste: Es war nicht besonders klug, aber anscheinend das Bindeglied des Trios. Mit einem präzise geformten Ersatz konnte Flenser vielleicht großartiger werden als vor dem Massaker in der Parlaments-Senke. Doch vorerst saß Flenser fest; ein chirurgischer Eingriff in die eigene Seele war eine schreckliche Herausforderung — sogar für Den Meister.

So. Vorsichtig. Vorsichtig. Halte die Umhänge gut geladen, unternimm keine langen Ausflüge und lass niemanden alle Fäden in deinem Plan sehen. Während Stahl glaubte, er suche Rangolith, sprach Flenser mit Amdi und Jefri.

Das Gesicht des Menschen war nass von Tränen. »V-viermal haben wir R-ravna verpasst. Was ist mit ihr geschehen?« Seine Stimme glitt hoch. Flenser hatte nicht gewusst, dass so viel Flexibilität in der Rülpsvorrichtung steckte, die die Menschen zum Erzeugen von Lauten verwendeten.

Die meisten von Amdi drängten sich rings um den Jungen. Er leckte Jefris Wangen. »Es könnte unsere Ultrawelle sein. Vielleicht ist sie kaputt.« Er sah Flenser flehend an. Auch in den Augen der Welpen standen Tränen. »Tyrathect, fragt bitte Stahl noch einmal. Lasst uns den ganzen Tag im Schiff bleiben. Vielleicht gibt es Botschaften, die durchgekommen, aber nicht aufgezeichnet worden sind.«

Flenser bei Stahl stieg die Nordtreppe hinab, überquerte den Paradeplatz. Eine schmale Scheibe Aufmerksamkeit widmete er den Klagen des anderen über die schlampige Pflege der Übungsstände. Wenigstens war Stahl klug genug, die Strafschaffotts drüben auf der Verborgenen Insel zu lassen.

Flenser bei Rangoliths Soldaten watete durch einen Bergbach. Selbst im Hochsommer, mitten in einem Trockenwind, gab es noch Schneeflecken, und die darunter hervorströmenden Bäche waren eiskalt.

Flenser bei Amdijefri trat vor und ließ zwei von Amdi sich an seine Seiten lehnen. Beide Kinder mochten Körperkontakt, und er war der Einzige, den sie außer dem jeweils anderen hatten. Es war natürlich alles Perversion, doch Flenser hatte sein Leben darauf gegründet, die Schwächen anderer zu manipulieren, und nahm es — abgesehen vom Schmerz — gern hin. Flenser ließ einen tiefen summenden Ton durch seine Schultern laufen, während er den nächsten der Welpen streichelte. »Ich werde unseren Fürst Stahl gleich das nächste Mal fragen, wenn ich ihn sehe.«

»Danke.« Ein Welpe schnüffelte an seinem Umhang, entfernte sich dann gnädig. Unter dieser Hülle war Flenser fast eine einzige wunde Stelle. Vielleicht hatte Amdi das erkannt, oder vielleicht… Mehr und mehr sah Flenser die Zurückhaltung bei den beiden. Mit seiner Bemerkung zu Stahl war ihm die Wahrheit herausgerutscht: Diese beiden trauten ihm wirklich nicht. Das war Tyrathects Fehler. Allein wäre es Flenser nicht schwer gefallen, Amdijefris Liebe zu erringen. Flenser hatte nichts von Stahls mörderischem Temperament und seiner verletzlichen Würde. Flenser konnte zum gelegentlichen Vergnügen plaudern und dabei die ganze Zeit Wahrheit mit Lügen vermischen. Eins seiner größten Talente war Einfühlungsvermögen; kein Sadist kann hoffen, ohne diese diagnostische Fähigkeit zur Vollkommenheit zu gelangen. Doch gerade wenn es gut lief, wenn sie im Begriff zu sein schienen, sich ihm zu öffnen, dann tauchte Ty oder Ra oder Thect auf und verdrehte seinen Ausdruck oder vergiftete die gewählte Formulierung. Vielleicht sollte er sich damit zufriedengeben, die Achtung der Kinder vor Stahl zu untergraben (natürlich ohne jemals etwas direkt gegen ihn zu sagen). Flenser seufzte und tätschelte tröstend Jefris Arm. »Ravna kommt wieder. Da bin ich sicher.« Der Mensch schnüffelte ein bisschen und streckte dann die Hand aus, um den Teil von Flensers Kopf zu streicheln, der nicht vom Umhang bedeckt war. Sie saßen eine Weile in geselligem Schweigen, und seine Aufmerksamkeit wanderte zurück zu…

dem Wald und Rangoliths Truppen. Die Gruppe ging seit fast zehn Minuten bergauf. Die anderen waren nur leicht bepackt und an derlei Übungen gewöhnt. Die beiden Glieder Flensers blieben zurück. Er zischte dem Führer der Gruppe etwas zu.

Der Führer wich zur Seite, und seine Mannschaft umging ihn zügig. Er blieb stehen, als sein Nächstes fünfzehn Fuß von Flensers beiden entfernt war. Der Soldat reckte die Köpfe hierhin und dahin. »Eure Wünsche… mein Fürst?« Dieser war neu, man hatte ihn kurz über die Umhänge informiert, doch Flenser wusste, dass der Bursche die neuen Regeln nicht begriff. Das Gold und Silber, das in der Dunkelheit der Umhänge schimmerte — diese Farben waren den Fürsten des Reichs vorbehalten. Doch hier befanden sich nur zwei von Flenser, normalerweise konnte solch ein Fragment kaum ein Gespräch führen, erst recht keine vernünftigen Befehle erteilen. Genauso irritierend war, wie Flenser wusste, das Fehlen von Denkgeräuschen bei ihm. ›Untoter‹ war das Wort, das manche Soldaten gebrauchten, wenn sie sich allein wähnten.