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Einer von Krazis Köpfen schaute in Tschitirattus Richtung herüber. Das Pfahlwesen nahm jetzt die Schüsseln und wandte sich vom Essenwagen ab…

»Hallo, Johanna? Wie geht’s?«

Johanna blickte von dem Eintopf auf und sah Wanderer Wickwracknarb den Rand des Lazaretts entlangkommen. Er bewegte sich so, dass er möglichst nahe heran kam, ohne die Denklaute der Patienten zu beeinträchtigen. Der Wachposten, der eben dort Halt gemacht hatte, zog sich vor ihm zurück und blieb ein paar Meter weiter stehen. »Ganz gut«, rief sie zurück. »Kennst du den mit den Rädern? Er hat heute wirklich etwas gegessen.«

»Gut, ich habe mir über ihn und das Dreisam auf der anderen Seite des Lazaretts Gedanken gemacht.«

»Den verwundeten Arzt?«

»Ja. Der Rest von Trellelak ist ganz weiblich, weiß du. Ich habe den Denklauten zugehört und…« Pilger lieferte seine Erklärung in fließendem Samnorsk, doch für Johanna ergab es nicht viel Sinn. Zur Zuchtkunde gehörten so viele Vorstellungen, für die es in der Menschensprache keine Entsprechung gab, dass nicht einmal Pilger es verständlich machen konnte. Der offensichtliche Gedanke war, dass Schwarzer als Rüde und das Arzt-Dreisam vielleicht früh genug Welpen bekommen konnten, um die Gruppe zusammenzuschweißen. Der Rest drehte sich um ›Stimmungsresonanz‹ und das ›Durchsetzen schwacher Stellen mit starken‹ . Pilger behauptete, in der Zuchtkunde ein Amateur zu sein, doch es war interessant, wie die Ärzte — und manchmal sogar Holzschnitzerin — seinen Rat einholten. Auf seinen Reisen hatte er eine Menge durchgemacht. Seine Neuzusammenstellungen schienen öfter als die von allen anderen zu ›greifen‹ . Sie winkte ihm zu, dass er still sein solle. »In Ordnung. Wir werden es versuchen, sobald ich alle gefüttert habe.«

Pilger reckte ein, zwei Köpfe zu den nächstgelegenen Abteilungen des Lazaretts hin. »Irgendetwas Seltsames ist im Gange. Ich kann nicht recht ›den Finger drauflegen‹ , aber… alle Fragmente beobachten dich. Sogar mehr als üblich. Spürst du es?«

Johanna zuckte mit den Achseln. »Nein.« Sie kniete sich hin, um die Schüsseln mit Eintopf und Wasser vor den zweisamen Patienten zu stellen. Die beiden hatten vor Eifer gezittert, obwohl sie höflicherweise niemandem ins Wort gefallen waren. Am Rande ihres Blickfeldes sah sie den Lazarettposten eine seltsame zuckende Bewegung mit den beiden mittleren Köpfen machen, und…

Die Schläge trafen sie wie zwei große Fäuste gegen Brust und Gesicht. Johanna fiel zu Boden, und sie waren über ihr. Sie erhob blutige Arme gegen reißende Kiefer und Krallen.

Als Tschitirattu das Signal gab, sprangen beide von Krazi los — und prallten aufeinander, wobei sie fast zufällig das Pfahlwesen zu Boden warfen. Ihre Krallen und Zähne zerrissen die Luft und den jeweils anderen ebenso wie den Zweibeiner. Einen Moment lang war Tschitirattu starr vor Überraschung. Vielleicht ist sie nicht tot. Dann besann er sich und sprang über den Zaun, zugleich seine Armbrust spannend und ladend. Vielleicht konnte er mit dem ersten Schuss fehlen. Krazi zerriss das Pfahlwesen, aber langsam…

Mit einem Mal gab es keine Möglichkeit mehr, das Zweisam zu erschießen. Eine Woge von knurrendem Schwarz und Weiß schlug über Krazi und dem Pfahlwesen zusammen. Jedes körperlich taugliche Fragment im Lazarett schien sich in den Angriff zu stürzen. Es war unvermittelte Mordwut, weitaus wilder als alles, wozu ganze Rudel imstande waren. Tschitirattu wich zurück, erstaunt über den Anblick und seinen Gedankenklang.

Sogar der Pilger schien davon erfasst zu sein, das Rudel rannte an Tschitirattu vorüber und umkreiste das Durcheinander. Der Pilger stürzte sich niemals direkt hinein, schnappte aber hier und da zu und schrie Worte, die in dem allgemeinen Aufruhr untergingen.

Eine Fontäne koordinierter Denklaute spritzte aus der Meute hervor, so laut, dass sie Tschitirattu noch auf zwanzig Ellen Entfernung betäubte. Die Meute schien in sich selbst zusammenzufallen, nachdem die Wut aus den meisten Gliedern gewichen war. Was beinahe eine einzige Bestie mit zwei Dutzend Körpern gewesen war, verwandelte sich plötzlich in eine verwirrte und blutige Ansammlung einzelner Glieder.

Der Pilger rannte noch immer am Rand entlang und brachte es irgendwie fertig, bei Verstand zu bleiben. Sein großes, narbenbedecktes Glied tauchte immer wieder in die übrig gebliebende Menge ein und schlug mit den Krallen nach allem, was noch kämpfte.

Die Patienten schleppten sich vom Ort des Gemetzels fort. Manche, die sich als Dreisams hineingestürzt hatten, kamen als Duos oder Solos wieder heraus. Andere schienen zahlreicher als vorher zu sein. Der Boden war blutgetränkt. Mindestens fünf Glieder waren umgekommen. Nahe bei der Mitte lag eine Radprothese verbogen da.

Der Pilger beachtete das alles nicht, seine vier standen rings um und über dem blutigen Häufchen in der Mitte.

Tschitirattu lächelte in sich hinein. Pfahlwesen-Brei. Wie tragisch.

Johanna verlor nie vollends das Bewusstsein, doch der Schmerz und das erdrückende Gewicht von Dutzenden von Körpern ließen keinen Raum fürs Denken. Nun wurde der Druck schwächer. Irgendwo jenseits des Getöses hörte sie Rufe in normaler Klauensprache. Sie schaute auf und sah Pilger rings um sie stehen. Narbenhintern stand breitbeinig über ihr, die Schnauze nur wenige Zentimeter entfernt. Er beugte sich herab und leckte ihr das Gesicht. Johanna lächelte und versuchte zu sprechen.

Feilonius hatte es eingerichtet, bei einer Besprechung mit Scrupilo und Holzschnitzerin zu sein. Gerade eben war der ›Befehlshaber der Kanoniere‹ tief in taktische Fragen versunken und benutzte das Datio, um seinen Plan für den Margrum-Steig zu illustrieren. Wellen von Wutlauten drangen vom Fluss unten herauf.

Scrupilo blickte gereizt vom Rosa Olifanten auf. »Was, zum Teufel…«

Die Geräusche dauerten an, länger als eine gelegentliche Schlägerei. Holzschnitzerin und Feilonius wechselten besorgte Blicke, während sie gleichzeitig die Hälse bogen, um zwischen den Bäumen hindurchzuschauen. »Ein Kampf im Lazarett?«, sagte die Königin.

Feilonius ließ sein Notizbrett fallen und sprang aus der Versammlungsfläche heraus, wobei er den Wachen in der Nähe zurief, sie sollten die Königin beschützen. Während er durch das Lager rannte, sah er, wie sich seine Streifenposten schon um das Lazarett sammelten. Alles schien glatt zu laufen wie ein Programm im Datio… nur, warum so viel Lärm?

Auf den letzten paar hundert Ellen überholte ihn Scrupilo. Der Kanonier rannte ins Lazarett und stolperte über sich selbst, von plötzlichem Entsetzen erfasst. Feilonius stürzte auf die Lichtung hinaus, ganz darauf eingestellt, seine eigene Erschütterung zusammen mit wachsamer Entschlossenheit zu zeigen.

Wanderer Wickwracknarb stand bei dem Essenwagen, Tschitirattu nicht weit hinter ihm. Der Pilger stand über dem Zweibeiner inmitten der Überreste eines Gemetzels. Beim Rudel aller Rudel, was ist geschehen? Es gab viel zu viel Blut. »Jeder zurück außer den Ärzten«, brüllte Feilonius die Soldaten an, die sich am Rande des Lazaretts drängten. Er ging einen Weg entlang, der die am lautesten denkenden Patienten mied. Es gab eine Menge frischer Wunden und hier und da dunkle Blutspritzer an den hellen Baumstämmen. Etwas war schiefgegangen.

Inzwischen war Scrupilo um den Rand des Lazaretts gelaufen und stand nur ein paar Dutzend Ellen von dem Pilger entfernt. Die meisten von ihm starrten auf den Boden unter Wickwracknarb. »Es ist Johanna! Johanna!« Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte der Narr über den Zaun springen.