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Johanna war sich nicht sicher, ob sie alles verstand, was er sagte. Ihre Sicht verschwamm jedesmal, wenn sie den Kopf bewegte. Selbst jetzt konnte sie sich nicht der Einzelheiten entsinnen, was im Lazarett geschehen war. Irgendwie war Feilonius tatsächlich ein Verräter, aber wie… Die Erinnerungen schlängelten sich durch den Schmerz. »Du hast Schreiber ermordet, nicht wahr? Warum?« Ihre Stimme war lauter als zuvor, und sie verschluckte sich an Blut, das ihr in die Kehle rann.

Sanftes, menschliches Lachen ertönte rings um sie. »Er hat die Wahrheit über mich herausgefunden. Welche Ironie, dass so ein Nichtskönner der Einzige war, der mich durchschaute… Oder meinst du den höheren Grund?« Die drei nahen Schnauzen kamen noch näher, und die Klinge in einer davon berührte Johannas Wange. »Armer Zweibeiner, ich bin nicht sicher, ob du es jemals verstehen könntest. Manches davon vielleicht, den Willen zur Macht. Ich habe gelesen, was das Datio über menschliche Motive zu sagen hat, das ›freudianische‹ Zeug. Wir Klauenwesen sind viel komplizierter. Ich bin durch und durch männlich, hast du das gewusst? Eine gefährliche Sache, ganz von einem Geschlecht zu sein. Wahnsinn lauert da. Doch es war mein Entschluss. Ich hatte es satt, weiter nichts als ein guter Erfinder zu sein, in Holzschnitzerins Schatten zu leben. So viele von uns sind ihre Abkömmlinge, und sie dominiert die meisten von uns. Sie war ziemlich froh, dass ich mich der Sicherheit zuwandte, weißt du. Sie hat nicht die rechte Kombination von Gliedern dafür. Sie dachte, bis auf ein Glied männlich zu sein, würde mich auf kontrollierbare Weise abartig machen.«

Sein Wachglied machte eine weitere Runde an den Fensterschlitzen. Wieder erklang ein menschliches Kichern. »Ich habe lange Zeit Pläne geschmiedet. Es ist nicht bloß Holzschnitzerin, gegen die ich antrete. Der Machtaspekt ihrer Seele ist über die ganze arktische Küste verstreut; Flenser war mir fast um ein Jahrhundert voraus, Stahl ist neu, doch er besitzt das Reich, das Flenser aufgebaut hat. Ich habe mich für sie alle unersetzlich gemacht: Ich bin Holzschnitzerins Sicherheitschef… und Stahls wertvollster Spion. Wenn ich richtig spiele, habe ich am Ende das Datio, und alle anderen sind tot.«

Seine Klinge stieß wieder leicht gegen ihr Gesicht. »Glaubst du, du kannst mir helfen?« Augen blickten tief in ihr Entsetzen. »Daran zweifle ich stark. Wenn mein eigentlicher Plan gelungen wäre, wärst du inzwischen hübsch tot.« Ein Seufzen schwebte durch den Raum. »Aber er ist misslungen, und ich habe es selbst am Halse, dich zu zerschnitzen. Vielleicht wird es so am besten sein. Das Datio bringt eine Flut von Information über die meisten Dinge, aber es gibt kaum zu, dass so etwas wie Folter existiert. In mancher Beziehung wirkt eure Rasse so verletzlich, so leicht zu töten. Ihr sterbt, ehe euer Verstand zergliedert werden kann. Dennoch weiß ich, dass ihr Schmerz und Schrecken fühlen könnt; der Trick besteht darin, Gewalt anzuwenden, ohne gleich zu töten.«

Die drei nahen Glieder glitten in bequemere Haltungen, wie ein Mensch, der sich zu einem ernsten Gespräch hinsetzt. »Und es gibt wirklich ein paar Fragen, die du vielleicht beantworten kannst, Dinge, nach denen ich vorher nicht fragen konnte. Stahl ist sehr zuversichtlich, weißt du, und nicht nur, weil er mich bei Holzschnitzerin hat. Dieses Rudel hat einen anderen Vorteil. Ob er vielleicht sein eigenes Datio besitzt?«

Feilonius machte eine Pause. Johanna antwortete nicht; sie schwieg gleichermaßen vor Grauen und Halsstarrigkeit. Das war das Ungeheuer, das Schreiber ermordet hatte.

Die Schnauze mit dem Messer schob sich zwischen die Laken und Johannas Haut, und Schmerz schoss an Johannas Arm hoch. Sie schrie. »Ah, das Datio hat gesagt, dass man einem Menschen dort weh tun kann. Du brauchst diese Frage nicht zu beantworten, Johanna. Weißt du, was ich glaube, worin Stahls Geheimnis besteht? Ich denke, dass einer von eurer Familie überlebt hat — wahrscheinlich dein kleiner Bruder, wenn man berücksichtigt, was du uns über das Massaker erzählt hast.«

Jefri? Am Leben? Für einen Moment vergaß sie den Schmerz, vergaß fast die Angst. »Wie…?«

Feilonius zuckte nach Art der Klauenwesen mit den Schultern. »Du hast ihn nie tot gesehen. Du kannst sicher sein, dass Stahl einen lebenden Zweibeiner haben wollte, und nach allem, was ich über den Kälteschlaf in Datio gelesen habe, bezweifle ich, dass er einen von den anderen wiederbelebt haben kann. Und etwas hat er bei sich da oben. Er war scharf auf Informationen von dem Datio, aber er hat nie verlangt, dass ich das Gerät für ihn stehle.«

Johanna schloss die Augen, als könnte sie die Existenz des verräterischen Rudels leugnen. Jefri lebt! Erinnerungen tauchten vor ihr auf: Jefris verspielte Freude, seine kindlichen Tränen, seine vertrauensvolle Tapferkeit an Bord des fliehenden Schiffs — Dinge, die sie für immer verloren geglaubt hatte. Einen Augenblick lang erschienen sie ihr wirklicher als die schneidende Gewalt der letzten Minuten. Doch was konnte Jefri tun, um den Flenseristen zu helfen? Die anderen Datios waren mit Sicherheit verbrannt. Da steckt noch mehr dahinter, etwas, das Feilonius noch nicht weiß.

Feilonius packte ihr Kinn und verpasste ihrem Kopf einen kurzen Ruck. »Mach die Augen auf, ich habe gelernt, darin zu lesen, und ich will sehen… Hmm, ich weiß nicht, ob du mir glaubst oder nicht. Egal. Wenn wir Zeit haben, werde ich herausfinden, was er für Stahl getan haben könnte. Es gibt andere, dringendere Fragen. Das Datio ist offensichtlich der Schlüssel zu allem. In weniger als einem halben Jahr haben ich und Holzschnitzerin und Pilger eine Unmenge über eure Rasse und Zivilisation gelernt. Ich wage zu sagen, wir kennen eure Leute besser als ihr selbst. Wenn all die Gewalt vorüber ist, wird derjenige Sieger sein, der das Datio noch unter Kontrolle hat. Ich habe vor, dieses Rudel zu sein. Und ich habe mich oft gefragt, ob es andere Passwörter gibt, oder Programme, die ich laufen lassen kann, damit sie direkt über meine Sicherheit wachen…«

Der Babysitter-Code.

Die Köpfe, die sie beobachteten, wippten im Gegenstück eines Grinsens. »Aha, es gibt also so etwas! Vielleicht war das Pech von heute Morgen doch das Beste, was passieren konnte. Sonst hätte ich womöglich nie erfahren…« Seine Stimme brach mit einer Dissonanz ab. Zwei von Feilonius sprangen zu dem einen hoch, der schon an den Fensterschlitzen stand. An ihrem Ohr fuhr die Stimme leise fort: »Es ist der Pilger, noch weit weg, aber er kommt näher… Ich weiß nicht. Es wäre viel sicherer, wenn du tot wärst. Eine tiefe Wunde, ganz außer Sicht.« Das Messer glitt tiefer. Johanna bäumte sich vergeblich von der Spitze weg. Dann wurde die Klinge zurückgezogen, die Spitze sanft gegen ihre Haut gedrückt. »Wir wollen hören, was Pilger zu sagen hat. Es hat keinen Sinn, dich jetzt gleich zu töten, wenn er nicht darauf besteht, dich zu sehen.« Er steckte ihr ein Stück Stoff in den Mund und band es fest.

Es folgte für einen Augenblick Stille, unterbrochen vielleicht durch das Knistern von Pfoten im Unterholz unmittelbar an der Hütte. Dann hörte sie ein Rudel laut von jenseits der Holzwände trällern. Johanna zweifelte, ob sie jemals lernen würde, Rudel an der Stimme zu erkennen, aber… ihr Verstand stolperte durch die Klänge, versuchte, die Akkorde der Klauenwesen zu entziffern, die aufeinandergestapelte Wörter waren:

»Johanna

unverständlich Frage

knirsch sicher.«

Feilonius kollerte zurück:

»Gruß Wanderer Wickwracknarb

Johanna triller

keine sichtbaren Verletzungen

traurig ungewiss quiek.«