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Dirokime waren bekannt als haltlose Optimisten, doch in diesem Fall lag Tirroll nicht weit von der Wahrheit entfernt. Ihre Begegnung mit der Bombensonde war etwas gewesen, das einmal in einer Milliarde Fälle vorkommt, der winzigste Bruchteil eines Treffers. Die nächsten anderthalb Stunden hindurch ließen die Dirokime vom gehärteten Prozessor des Monitors aus Routinen für den Neustart laufen und brachten erst ein Aggregat, dann das andere wieder in Gang. Manches war nicht mehr zu retten: Die Kommunikationsautomatik hatte die Sprachanalyse-Intelligenz verloren, und die Ultraantriebsdorne auf einer Seite des Schiffes waren teilweise geschmolzen. (Absurderweise hatte der Brandgeruch von einem verirrten Diagnosesystem gestammt, das eigentlich zusammen mit der übrigen Automatik der Ølvira hätte abgeschaltet werden müssen.) Sie lagen weit hinter der Pestflotte zurück.

… und es gab immer noch eine Pestflotte. Der Knoten der feindlichen Lichter war kleiner als zuvor, doch unbeirrbar auf derselben Flugbahn. Die Schlacht war lange vorüber. Die Reste der Sicherheitsgesellschaft waren über vier Lichtjahre verlassenes Schlachtfeld verstreut; sie hatten die Schlacht mit zahlenmäßiger Überlegenheit begonnen. Wenn sie richtig gekämpft hätten, hätten sie vielleicht gewonnen. Statt dessen hatten sie die Schiffe mit signifikanten Echtgeschwindigkeiten zerstört — und nur etwa die Hälfte der übrigen. Einige von den größten Flotteneinheiten des Feindes waren noch intakt. Diese übertrafen die entsprechenden Überlebenden der Aniara-Flotte zahlenmäßig um mehr als das Vierfache. Die PEST hätte leicht alles vernichten können, was von der Sicherheitsgesellschaft übrig war. Doch das hätte einen Umweg bei der Verfolgungsjagd bedeutet, und diese Jagd war die einzige Konstante im Verhalten des Feindes.

Tirroll und Glimfrell brachten Stunden damit zu, die Verbindung wiederherzustellen und herauszufinden, was zerstört war und was vielleicht wiederhergestellt werden konnte. Fünf Schiffe hatten alle Antriebsmittel eingebüßt, die Besatzungen aber hatten überlebt. Manche Schiffe waren an bekannten Orten getroffen worden, und Svensndot sandte Schiffe mit Sondenschwärmen aus, um die Wracks zu suchen. Kriegführung Schiff gegen Schiff war für die meisten Überlebenden eine saubere, intellektuelle Übung, doch Trümmer und Zerstörungen waren nicht weniger wirklich als bei einem Bodenkrieg, nur über das Billionenfache an Raum verteilt.

Schließlich war die Zeit für wunderbare Rettungen und traurige Entdeckungen vorüber. Die Befehlshaber von SjK versammelten sich auf einem gemeinsamen Kanal, um über eine gemeinsame Zukunft zu entscheiden. Es wäre vielleicht besser eine Totenwache gewesen — für Sjandra Kei und die Aniara-Flotte. Mitten in der Besprechung tauchte ein neues Fenster auf, ein Blick auf die Brücke der Aus der Reihe. Ravna Bergsndot verfolgte die Unterredung schweigend. Die ›Gottsplitter‹ von einst waren nirgends auszumachen.

»Was ist noch zu tun?«, sagte Johanna Haugen. »Die verdammten Schmetterlinge sind längst fort.«

»Sind wir sicher, dass wir alle gerettet haben?«, fragte Jan Trenglets. Svensndot gab eine wütende Erwiderung von sich. Der Kommandeur der Trance fing immer wieder damit an. Er hatte zu viele Freunde in der Schlacht verloren; den ganzen Rest seines Lebens würden ihn Alpträume von Schiffen plagen, die einen langsamen Tod in der tiefen Nacht starben.

»Wir haben alles registriert, sogar Gaswolken«, sagte Haugen so sanft, wie die Worte es erlaubten. »Die Frage ist, wohin wir uns jetzt wenden sollen.«

Ravna räusperte sich. »Meine Herren und Damen, wenn…«

Trenglets schaute auf ihr übertragenes Bild. All sein Schmerz verwandelte sich in einen Wutausbruch. »Wir sind nicht deine Herren, du Schlampe! Du bist keine Fürstin, für die wir gern in den Tod gehen. Du verdienst jetzt unser tödliches Feuer und weiter nichts.«

Die Frau wurde klein angesichts von Trenglets’ Zorn. »Ich…«

»Ihr habt uns in diese selbstmörderische Schlacht gehetzt«, schrie Trenglets. »Ihr habt uns dazu gebracht, unbedeutende Ziele anzugreifen. Und dann habt ihr nichts getan, um uns zu helfen. Die PEST ist auf euch fixiert wie ein Dämhai auf einen Kraken. Wenn ihr euren Kurs auch nur um den winzigsten Bruchteil geändert hättet, hättet ihr die Pestler von unserem Weg abbringen können.«

»Ich glaube nicht, dass das etwas genutzt hätte, mein Herr«, sagte Ravna. »Die PEST scheint eher an unserem Ziel interessiert zu sein.« An dem Sonnensystem ein paar Dutzend Lichtjahre vor der Aus der Reihe. Die Flüchtlinge würden dort gerade mal reichlich zwei Tage vor ihren Verfolgern eintreffen.

Jo Haugen zuckte die Achseln. »Ihnen muss klar sein, was der verrückte Schlachtplan Ihres Freundes angerichtet hat. Wenn wir den Angriff vernünftig geführt hätten, dann hätte unser Feind nur noch den Bruchteil seiner gegenwärtigen Stärke. Wenn er beschlossen hätte, die Verfolgung fortzusetzen, hätten wir Sie vielleicht auf dieser… dieser Klauenwelt beschützen können.« Sie schien dem Klang des sonderbaren Namens nachzulauschen und sich zu fragen, was er bedeuten mochte. »Jetzt… ich denke nicht daran, sie dorthin zu verfolgen. Was von dem Feind übrig ist, könnte uns auslöschen.« Sie schaute in Svensndots Richtung. Kjet zwang sich, den Blick zu erwidern. Egal, wer der Aus der Reihe die Schuld geben mochte, es war Gruppenkapitän Kjet Svensndot gewesen, der die Flotte zu ihrer Taktik überredet hatte. Aniaras Opfer war vergeudet worden, und er wunderte sich, dass Haugen und Trenglets und die anderen überhaupt noch mit ihm sprachen. »Schlage vor, wir setzen die Besprechung später fort. Rendezvous in eintausend Sekunden, Kjet.«

»Ich werde bereit sein.«

»Gut.« Jo unterbrach die Verbindung, ohne noch etwas zu Ravna Bergsndot zu sagen. Sekunden später waren Trenglets und die anderen Kommandeure fort. Nur noch Svensndot und die beiden Dirokime waren da — und Ravna Bergsndot, die über den Bildschirm von der Aus der Reihe her blickte.

Schließlich sagte Bergsndot: »Als ich ein kleines Mädchen auf Herte war, haben wir manchmal Kidnapper und Sicherheitsgesellschaft gespielt. Ich habe immer davon geträumt, von Ihrer Gesellschaft vor Dingen schlimmer als der Tod gerettet zu werden.«

Kjet lächelte matt. »Nun, Sie haben einen Rettungsversuch gekriegt«, und dabei sind Sie zur Zeit nicht einmal ein eingetragener Kunde. »Das war bei weitem die größte Schießerei, die ich je mitgemacht habe.«

»Es tut mir Leid, Kjet — Gruppenkapitän.«

Er betrachtete ihre dunklen Gesichtszüge. Ein Mädchen von Sjandra Kei, bis hin zu den violetten Augen. Das konnte unmöglich eine Simulation sein, nicht hier unten. Er hatte alles darauf gesetzt, dass sie keine war; er glaubte das noch immer. Dennoch… »Was sagt Ihr Freund zu alledem?« Pham Nuwen war seit seiner so beeindruckenden Gottsplitter-Nummer zu Beginn der Schlacht nicht mehr gesehen worden.

Ravnas Blick glitt etwas seitlich von der Kamera weg. »Er sagt nicht viel, Gruppenkapitän. Er läuft noch bestürzter als Ihr Kapitän Trenglets herum. Pham erinnert sich, dass er absolut überzeugt war, das Richtige zu verlangen, aber jetzt kann er nicht herausfinden, warum es richtig war.«

»Hmm.« Etwas spät, um es sich noch einmal zu überlegen. »Was werden Sie jetzt tun? Sie wissen, dass Haugen Recht hat. Es wäre für uns sinnloser Selbstmord, den Pestlern zu ihrem Ziel zu folgen. Ich wage zu sagen, dass es auch für Sie sinnloser Selbstmord ist. Sie werden vielleicht fünfundfünfzig Stunden vor ihnen ankommen. Was können Sie in der Zeit tun?«

Ravna Bergsndot erwiderte seinen Blick, und ihr Gesichtsausdruck brach langsam in gramvolles Schluchzen zusammen. »Ich weiß nicht. Ich… weiß nicht.« Sie schüttelte den Kopf, das Gesicht hinter den Händen und einer Strähne schwarzen Haares verborgen. Schließlich schaute sie auf und strich die Haare zurück. Ihre Stimme war ruhig, doch sehr leise.