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»Ich… weiß nicht. Aber wir fliegen weiter. Darum sind wir gekommen. Es könnte immer noch klappen… Sie wissen, dass es da unten etwas gibt, etwas, das die PEST verzweifelt haben will. Vielleicht sind fünfundfünfzig Stunden genug, es herauszufinden und dem Netz mitzuteilen. Und… wir haben immer noch Phams Gottsplitter.«

Euren schlimmsten Feind? Es mochte durchaus sein, dass Pham Nuwen ein Gebilde der MÄCHTE war. Jedenfalls sah er so aus, als sei er nach einer Beschreibung der Menschheit aus zweiter Hand gebaut worden. Doch wie sollte man Gottsplitter von gewöhnlicher Spinnerei unterscheiden?

Sie zuckte die Achseln, als sei sie sich der Zweifel bewusst — und nehme sie hin. »Was werden Sie und die Sicherheitsgesellschaft also tun?«

»Es gibt keine Sicherheitsgesellschaft mehr. Es sieht so aus, als ob alle unsere Kunden vor unseren Augen abgeschossen worden seien. Jetzt haben wir die Besitzerin unserer Gesellschaft getötet — oder zumindest ihr Schiff zerstört, und die Schiffe, die sie unterstützt haben. Wir sind jetzt die Aniara-Flotte.« Das war der offizielle Name, der auf der soeben beendeten Flottenbesprechung beschlossen worden war. Es lag eine Art grimmiges Vergnügen darin, sich mit diesem Namen zu verbinden, mit dem Gespenst aus der Zeit vor Sjandra Kei und vor der Nyjora, aus den frühesten Zeiten der menschlichen Rasse. Denn nun waren sie tatsächlich abgeschnitten von ihren Welten und ihren Kunden und ihren früheren Führern. Einhundert Schiffe auf dem Wege nach… »Wir haben es besprochen. Ein paar wollten Ihnen immer noch auf die Klauenwelt folgen. Manche von den Besatzungen wollen ins Mittlere Jenseits zurückkehren und den Rest ihres Lebens mit dem Töten von Schmetterlingen zubringen. Die Mehrheit will die Rasse von Sjandra Kei von neuem beginnen lassen, an einem Ort, wo wir nicht bemerkt werden, wo es niemanden kümmert, ob wir leben.«

Und in einem Punkt stimmten alle überein: dass Aniara nicht weiter aufgespalten werden durfte, keine Opfer mehr für andere bringen sollte. Nachdem das klar war, fiel es nicht schwer, zu entscheiden, was zu tun sei. Nach der Großen Flutwelle war dieser Teil des Grundes ein unglaublicher Schaum von Langsam und Jenseits. Es würde Jahrhunderte dauern, ehe die zonographischen Schiffe von weiter oben brauchbare Karten der neuen Grenzschicht besaßen. Versteckt in den Falten und Fugen lagen Welten frisch aus dem Langsam, Welten, wo Sjandra Kei wiedergeboren werden konnte. Ny Sjandra Kei?

Er schaute quer über die Brücke nach Tirroll und Glimfrell. Sie waren damit beschäftigt, die Haupt-Navigationsprozessoren wieder in Gang zu bringen. Das war nicht unbedingt nötig für das Rendezvous mit der Lynsnar, doch es wäre viel bequemer, wenn beide Schiffe manövrieren könnten. Die Brüder schienen Kjets Unterhaltung mit Ravna nicht wahrzunehmen. Und vielleicht beachteten sie sie nicht. In mancher Hinsicht bedeutete für sie die Entscheidung für Aniara mehr als für die Menschen in der Flotte: Niemand zweifelte daran, dass im Jenseits noch Millionen von Menschen lebten (und wer wusste, wie viel Menschenwelten es vielleicht noch im Langsam gab, entfernte Vettern der Nyjora, ferne Nachkommen der Alten Erde). Doch diesseits des Transzens waren die Dirokime von Aniara die einzigen, die es gab. Die Traumhabitate von Sjandra Kei waren dahin, und mit ihnen die Rasse. An Bord der Aniara befanden sich mindestens eintausend Dirokime, Paare von Schwestern und Brüdern, auf hundert Schiffe verteilt. Es waren die Abenteuerhungrigsten aus den alten Tagen ihrer Rasse, und nun sahen sie sich ihrer größten Herausforderung gegenüber. Die beiden auf der Ølvira hatten schon unter den Überlebenden nach Freundinnen und Freunden Ausschau gehalten und begonnen, eine neue Wirklichkeit zu träumen.

Ravna hörte sich seine Erklärungen mit großem Ernst an. »Gruppenkapitän, Zonographie ist eine heikle Sache — und Ihre Schiffe haben bald ihre Grenzen erreicht. In diesem Schaum könnten Sie jahrelang suchen, ohne eine neue Heimat zu finden.«

»Wir treffen Sicherheitsvorkehrungen. Wir geben alle Schiffe außer die mit Staustrahlantrieb und Kälteschlaf-Vorrichtungen auf. Wir werden in koordinierten Netzen vorgehen; niemand dürfte länger als ein paar Jahre verlorengehen.« Er zuckte die Achseln. »Und wenn wir niemals finden, was wir suchen« — wenn wir zwischen den Sternen sterben, während die Lebenserhaltungssysteme allmählich versagen —, »nun gut, dann werden wir immer noch getreu unserem Namen gelebt haben.« Aniara. »Ich glaube, wir haben eine Chance.« Das ist mehr, als man von euch sagen kann.

Ravna nickte langsam. »Ja, gut. Es… ist gut, das zu wissen.«

Sie redeten noch eine Weile, Tirroll und Glimfrell beteiligten sich. Sie hatten sich im Mittelpunkt von etwas sehr Großem befunden, doch wie üblich in den Angelegenheiten der MÄCHTE wusste niemand recht, was geschehen war, noch welches Ergebnis die Bemühungen hatten.

»Rendezvous Lynsnar zweihundert Sekunden«, sagte die Stimme des Schiffs.

Ravna hörte es, nickte. Sie hob die Hand. »Lebt wohl, Kjet Svensndot und Tirroll und Glimfrell.«

Die Dirokime pfiffen das gemeinsame Lebewohl zur Antwort, und Svensndot hob die Hand. Das Fenster mit Ravna Bergsndot verschwand.

… Kjet Svensndot erinnerte sich sein ganzes Leben lang an ihr Gesicht, obwohl es in späteren Jahren immer mehr mit dem von Ølvira zu verschmelzen schien.

TEIL DREI

SIEBENUNDDREISSIG

»Die Klauenwelt! Ich sehe sie, Pham!«

Das Hauptfenster zeigte eine Direktansicht des Systems: eine Sonne in weniger als zweihundert Millionen Kilometern Entfernung, Tageslicht, das auf das Steuerdeck strömte. Die Positionen identifizierter Planeten waren mit blinkenden roten Pfeilen markiert. Doch einer von ihnen — gerade mal zwanzig Millionen Kilometer weit entfernt — trug das Etikett ›erdähnlich‹ . Wenn man aus einem interstellaren Sprung hervortrat, konnte man nicht viel besser positioniert sein.

Pham antwortete nicht, er starrte nur aus dem Fenster, als ob mit dem, was er sah, etwas nicht stimme. Etwas in ihm war nach der Schlacht mit der PEST zerbrochen. Er war sich seiner Gottsplitter so sicher gewesen — und so von den Folgen überrascht. Danach hatte er sich mehr als je zuvor zurückgezogen. Nun schien er zu glauben, wenn sie sich nur schnell genug bewegten, könnte ihnen der überlebende Feind kein Leid tun. Mehr denn je misstraute er Blaustiel und Grünmuschel, als ginge von ihnen irgendwie eine größere Gefahr aus als von den Schiffen, die sie noch verfolgten.

»Verdammt«, sagte Pham schließlich. »Seht euch die Relativgeschwindigkeit an.« Siebzig Kilometer pro Sekunde.

Die Positionsabstimmung war kein Problem, aber: »Die Geschwindigkeiten anzugleichen, wird uns Zeit kosten, Herr Pham.«

Phams starrer Blick wandte sich Blaustiel zu. »Das haben wir vor drei Wochen mit den Einheimischen durchgesprochen, weißt du noch? Du hast den Raketenbrand gesteuert.«

»Und Sie haben meine Arbeit kontrolliert, Herr Pham. Da muss noch ein Fehler im Navigationssystem sein…, obwohl ich nicht erwartet habe, dass mit der gewöhnlichen Ballistik etwas nicht stimmen könnte.« Ein umgekehrtes Vorzeichen, siebzig Kilometer pro Sekunde Endgeschwindigkeit anstelle von null. Blaustiel schwebte zum zweiten Steuerpult.

»Vielleicht«, sagte Pham. »Ich möchte dich jetzt nicht auf dem Deck haben, Blaustiel.«

»Aber ich kann helfen! Wir sollten jetzt mit Jefri Verbindung aufnehmen, die Geschwindigkeiten angleichen und…«