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Ja, sie würde das Versprechen halten, das sie ihm gegeben hatte. Und vielleicht würde es den Preis wert sein. Feilonius konnte nur Vermutungen über Stahls innere Geheimnisse anstellen, doch er hatte viel mehr über Stahls taktische Lage herausgefunden, als die andere Seite ahnen konnte. Feilonius hatte gewusst, wo sich die Flenseristen verborgen hielten und in welcher Stärke. Stahls Leute hatten zu sehr auf ihre Superkanonen und ihren geheimen Verräter vertraut. Als Holzschnitzerins Truppen sie überrumpelten, war der Sieg leicht gewesen — und nun besaß die Königin ein paar von den wunderbaren Kanonen.

Von jenseits der Hügel dröhnten diese Kanonen noch immer und fraßen sich durch die Munitionsvorräte, die die gefangen genommenen Kanoniere offenbart hatten. Feilonius als Verräter hatte sie viel gekostet, aber Feilonius als Gefangener brachte ihr vielleicht dennoch den Sieg.

»Holzschnitzerin?« Es war Scrupilo. Sie winkte ihn näher. Ihr Oberster Kanonier ging aus der Sonne und setzte sich in der intimen Entfernung von fünfundzwanzig Fuß hin. Unter den Bedingungen der Schlacht waren alle Erwägungen der Ehrerbietung weggeweht worden.

Scrupilos Denkgeräusche waren ein eifrig besorgtes Durcheinander. Er sah zu verschiedenen Teilen erschöpft und freudig erregt und entmutigt aus. »Es ist ungefährlich, den Burgberg hinauf vorzurücken, Euer Majestät«, sagte er. »Das gegnerische Feuer ist fast erstickt. In Teile der Burgmauern sind Breschen geschlagen worden. Hier ist Schluss mit Burgen, meine Königin. Sogar unsere eigenen armseligen Geschütze würden dafür sorgen.«

Sie ließ die Köpfe zustimmend wippen. Scrupilo verbrachte den größten Teil seiner Zeit mit dem Datio, um zu lernen, wie man Dinge machte — insbesondere Kanonen. Holzschnitzerin wendete ihre Zeit auf, um zu erfahren, was diese Erfindungen letzten Endes mit sich brachten. Inzwischen wusste sie viel mehr als sogar Johanna über die soziale Wirkung von Waffen, von den primitivsten bis hin zu derart sonderbaren, dass sie überhaupt keine Waffen zu sein schienen. Tausend Millionen Male waren Burgbau-Techniken solchen Dingen wie Geschützen unterlegen; warum sollte es auf ihrer Welt anders sein?

»Wir werden dann hinauf marschieren…«

Von jenseits des Zeltschattens drang ein schwaches Pfeifen her, ein einzelner, näherkommender Laut. Sie legte ihre Welpen in ihrer Mitte nieder und hielt für einen Moment inne. Zwanzig Ellen weiter sank Feilonius in tief geduckte Haltung. Doch als sie schließlich kam, war die Explosion ein gedämpftes Krachen am Berg über ihnen. Es kann sogar eine von unseren eigenen gewesen sein. »Unsere Truppen müssen jetzt die Zerstörungen ausnutzen. Stahl soll wissen, dass die alten Spiele von Erpressung und Folter ihm nur zum Schaden gereichen.« Höchstwahrscheinlich werden wir das Sternenschiff und das Kind zurückgewinnen. Die Frage war nur: Würden sie beide heil sein, wenn sie sie bekamen? Sie hoffte, dass Johanna niemals von den Bedrohungen und Risiken erführe, die sie für die nächsten paar Stunden einplante.

»Ja, Majestät.« Doch Scrupilo machte keine Anstalten zu gehen und wirkte plötzlich verwahrloster und sorgenvoller als je. »Holzschnitzerin, ich fürchte…«

»Was? Das Blatt hat sich zu unseren Gunsten gewendet. Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen.«

»Ja, Majestät… Aber während wir vorrücken, ziehen ernsthafte Gefahren an unseren Flanken und im Rücken herauf. Die Fernspäher des Feindes und die Brände.«

Scrupilo hatte Recht. Die Flenseristen, die hinter den Fronten operierten, waren tödlich. Es waren ihrer nicht viele; die feindlichen Truppen beim Margrum-Steig waren größtenteils getötet oder versprengt worden. Die wenigen, die an Holzschnitzerins Flanken fraßen, waren mit gewöhnlichen Armbrüsten und Äxten bewaffnet — aber sie waren außergewöhnlich gut koordiniert. Und ihre Taktik war brillant; sie erblickte die Schnauzen und Klauen des Flensers selbst hinter dieser Brillanz. Irgendwie lebte ihr böses Kind. Wie eine Seuche aus vergangenen Jahren erschien er allmählich wieder auf der Welt. Wenn sie genug Zeit hatten, würden diese Partisanen-Rudel Holzschnitzerins Fähigkeit, ihre Truppen zu versorgen, ernsthaft schädigen. Wenn sie genug Zeit hatten. Zwei von ihr standen auf und sahen Scrupilo in die Augen, um den Worten mehr Nachdruck zu verleihen: »Um so mehr müssen wir jetzt vorrücken, mein Freund. Wir sind es, die sich fern von Daheim befinden. Wir sind es, deren Zahl und Vorräte begrenzt sind. Wenn wir nicht bald siegen, werden wir nach und nach zerschnitten.« Geflenst.

Scrupilo stand auf und nickte ergeben. »Das sagt Wanderer auch. Und Johanna möchte glatt durch die Burgmauern stürmen… Aber da ist noch etwas, Euer Majestät. Selbst wenn wir mit ganzer Kraft voranstürmen müssen: Ich habe zehn Zehntage gearbeitet und jeden Hinweis, den ich im Datio verstehen konnte, ausgenutzt, um unsere Geschütze herzustellen. Majestät, ich weiß, wie schwer es ist, so etwas zu tun. Trotzdem haben die Kanonen, die wir am Margrum erbeutet haben, die dreifache Reichweite und ein Viertel des Gewichts. Wie konnten sie das schaffen?« Zorn und Scham klangen in seiner Stimme. »Der Verräter« — Scrupilo wies mit einer Schnauze in Feilonius’ Richtung — »glaubt, dass sie vielleicht Johannas Bruder haben, aber Johanna sagt, dass sie kein Datio oder dergleichen besitzen. Majestät, Stahl hat einen Vorteil, den wir noch nicht kennen.«

Selbst die Hinrichtungen nützten nichts. Tag für Tag fühlte Stahl seine Wut anwachsen. Allein auf dem Wehrgang hieb er hin und her auf sich selbst ein, kaum zu einer anderen Empfindung als seiner Wut fähig. Niemals, seit ihn der Flenser unterm Messer gehabt hatte, war die Wut derart durchdringend gewesen. Komm zu dir, ehe er dich wieder schneidet, schien die Stimme eines früheren Stahl zu sagen.

Er klammerte sich an den Gedanken, riss sich zusammen. Er starrte hinab auf blutigen Geifer und schmeckte Asche. Drei von seinen Schultern waren mit Rissen von Zähnen gezeichnet — er hatte sich selbst verletzt, noch eine Gewohnheit, von der ihn Flenser vor langer Zeit geheilt hatte. Füge nach außen hin Verletzungen zu, niemals dir selbst. Stahl leckte mechanisch an den klaffenden Wunden und trat näher an den Rand des Wehrgangs.

Am Horizont verdüsterte schwarzgrauer Dunst Meer und Inseln. Die letzten Tage über waren die Sommerwinde ein heißer Atem gewesen, der nach Rauch schmeckte. Jetzt glichen die Winde selbst Bränden, die an der Burg vorbeischlugen und Asche und Rauch mit sich führten. Den ganzen letzten Tag über war die andere Seite der Bitterschlucht ein Feuermeer gewesen; heute konnte er die Bergflanken sehen: sie waren schwarz und braun, gekrönt von Rauch, der zum Meereshorizont hinüberwehte. Im Hochsommer gibt es oft Busch- und Waldbrände. Doch dieses Jahr, als sei die Natur ein göttliches Kriegsrudel, waren die Feuer überall gewesen. Die verdammten Kanonen waren schuld daran. Und dieses Jahr konnte er nicht in die Kühle der Verborgenen Insel zurückweichen und das Küstenvolk sich selbst überlassen.

Stahl ignorierte seine schmerzenden Schultern und lief tief in Gedanken über die Steine, fast analytisch zur Abwechslung. Die Kreatur Feilonius war nicht käuflich geblieben, er hatte sich zum Verräter an seinem Verrat gewendet. Stahl hatte damit gerechnet, dass Feilonius entdeckt werden könnte; er verfügte über andere Spione, die derlei hätten melden müssen. Doch es hatte kein Anzeichen gegeben — bis zur Katastrophe vom Margrum-Steig. Nun hatte die Wendung von Feilonius’ Messer all ihre Pläne auf den Kopf gestellt. Holzschnitzerin würde sehr bald hier sein, und nicht als Opfer.