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Wer hätte ahnen können, dass er wirklich die Raumleute brauchen würde, damit sie ihn vor Holzschnitzerin retteten? Er hatte so viel daran gesetzt, den Südländern gegenüberzutreten, ehe Ravna eintraf. Doch jetzt brauchte er jene Hilfe vom Himmel — und sie war mehr als fünf Stunden entfernt. Bei dem Gedanken wäre Stahl beinahe wieder in den Zustand der Raserei verfallen. Sollte letzten Endes all das Herumgeschmuse mit Amdijefri vergebens gewesen sein? Oh, wenn das vorbei ist, wie ich es genießen werde, die beiden umzubringen. Mehr als jeder andere verdienten sie den Tod. Sie hatten so viel Scherereien gemacht. Sie hatten ständig sein freundliches Verhalten notwendig gemacht, als ob sie über ihn herrschten. Sie hatten ihn mit mehr Unverschämtheiten überschüttet als zehntausend normale Untertanen.

Aus dem Burghof drang das Geräusch von arbeitenden Rudeln herauf, das Knarren von Winden, das Schurren und Knirschen von versetzten Steinen. Der professionelle Kern von Flensers Imperium hielt stand. In ein paar Stunden würden die Breschen in den Mauern repariert und neue Kanonen aus dem Norden herbeigeschafft sein. Und der große Plan kann immer noch gelingen. Solange ich beisammen bin, egal, was sonst verloren geht, kann er gelingen.

Fast vom Lärm verschluckt, hörte er das Klicken von Krallen auf der Innentreppe. Stahl wich zurück, wandte alle Köpfe dem Geräusch zu. Sreck? Aber Sreck hätte sich erst gemeldet. Dann entspannte er sich; es war eine Gruppe von Krallengeräuschen. Es war ein Solo, das die Stufen heraufkam.

Flensers Glied erschien oben und verbeugte sich vor Stahl, eine unvollständige Geste, da sie nicht von anderen Gliedern mitvollzogen wurde. Der Radioumhang des Gliedes schimmerte rein und dunkel. Die Armee war voller Ehrfurcht vor diesen Umhängen und vor den Solos und Duos, die klüger zu sein schienen als das intelligenteste Rudel. Sogar Stahls Leutnants, die begriffen, worum es sich bei den Umhängen wirklich handelte — sogar Sreck —, waren in ihrer Gegenwart vorsichtig und zurückhaltend. Und nun brauchte Stahl das Flenser-Fragment mehr als je zuvor, mehr als alles andere, ausgenommen die Leichtgläubigkeit des Sternenvolks. »Was gibt’s?«

»Darf ich mich setzen?« Stand das sardonische Lächeln Flensers hinter der Bitte?

»Genehmigt«, warf Stahl hin.

Das Solo machte es sich auf den Steinen bequem. Doch Stahl sah, als der andere zusammenzuckte; das Fragment war nun seit fast zwanzig Tagen über das Reich zerstreut. Ausgenommen kurze Zeitabschnitte, war es die ganze Zeit in die Umhänge gehüllt. Dunkle und goldene Folter. Stahl hatte dieses Glied ohne seinen Umhang gesehen, wenn es gebadet wurde. Sein Fell war an Schultern und Hüften völlig abgeschabt, wo die Last des Radios am größten war. Blutige Wunden hatten sich in der Mitte der kahlen Stellen gebildet. Allein ohne Umhang, hatte das geistlose Solo seinen Schmerz herausgeplappert. Stahl genoss solche Gelegenheiten, obwohl dieses Glied sich nicht besonders gut ausdrücken konnte. Fast war es, als sei er, Stahl, nun Der, Der Mit Einem Messer Lehrt, und Flenser sein Schüler.

Das Solo schwieg einen Moment lang. Stahl konnte sein schlecht verhohlenes Keuchen hören. »Der letzte Tag ist gut gegangen, mein Fürst.«

»Hier nicht! Wir haben fast alle Geschütze verloren. Wir sind in diesen Mauern gefangen.« Und das Sternenvolk kommt vielleicht zu spät.

»Ich meine das draußen.« Das Solo streckte die Nase in Richtung der freien Räume jenseits des Wehrgangs. »Deine Kundschafter sind gut ausgebildet, mein Fürst, und haben ein paar kluge Kommandeure. Eben jetzt bin ich über Holzschnitzerins Rücken und Flanken ausgebreitet.« Das Solo machte seine rudimentäre Geste eines Lachens. ›»Rücken und Flanken‹ . Komisch. Für mich ist Holzschnitzerins ganze Armee wie ein einziges feindliches Rudel. Die Einheiten unserer Angriffsinfanterie sind wie Klauen an meinen eigenen Pfoten. Wir reißen tiefe Wunden in die Königin, mein Fürst. Ich habe das Feuer in der Bitterschlucht gelegt. Nur ich sah genau, wo es sich ausbreitete, wie man damit töten konnte. In vier Tagen wird von den Reserven der Königin nichts mehr übrig sein. Sie wird uns gehören.«

»Zu lange hin, wenn wir diesen Abend tot sind.«

»Ja.« Das Solo reckte Stahl den Kopf entgegen. Er lacht mich aus. Ganz wie all die Male unter Flensers Messer, wenn eine Aufgabe gestellt und ein Versagen mit dem Tode bestraft wurde. »Aber Ravna und ihre Leute müssten in fünf Stunden hier sein, nicht wahr?« Stahl nickte. »Gut, ich garantiere dir, dass das Stunden vor Holzschnitzerins Hauptangriff sein wird. Du hast Amdijefris Vertrauen. Anscheinend brauchst du deinen früheren Zeitplan nur vorzuverlegen und zusammenzudrängen. Wenn Ravna verzweifelt genug ist…«

»Die Sternenleute sind verzweifelt. Ich weiß das.« Ravna mochte vielleicht ihre wahren Motive verschleiern, doch ihre Verzweiflung war offensichtlich. »Und wenn du Holzschnitzerin bremsen kannst…« Stahl setze sich mit allen seinen hin, um sich auf die allernächsten Pläne zu konzentrieren. Halb wurde ihm bewusst, wie seine Ängste wichen. Pläne zu schmieden war immer angenehm. »Das Problem ist, dass wir jetzt zwei Dinge tun müssen, und zwar perfekt aufeinander abgestimmt. Früher ging es einfach darum, eine Belagerung vorzutäuschen und das Sternenschiff zwischen die Kiefer unserer Burg zu locken.« Er wandte einen Kopf zum Burghof hin. Die Steinkuppel über dem gelandeten Sternenschiff war seit Mitte des Frühlings an Ort und Stelle. Sie wies jetzt etliche Schäden vom Beschuss auf, die Marmorverkleidung war weggesprengt worden, doch sie hatte keine direkten Treffer abbekommen. Daneben lag das Feld der Kiefer: groß genug, um das Rettungsschiff aufzunehmen, doch von Steinsäulen umringt, den Zähnen der Kiefer. Beim richtigen Gebrauch von Schießpulver würden die Zähne auf die Retter fallen. Das würde das letzte Mittel sein, falls man die Menschen nicht töten und gefangen nehmen konnte, wenn sie herauskamen, um ihren lieben Jefri zu treffen. Dieser Plan war viele Zehntage lang liebevoll gehegt worden, unterstützt von Amdijefris Mitteilungen über menschliche Psychologie und sein Wissen darüber, wie Raumschiffe normalerweise landeten. Jetzt aber: »… Jetzt brauchen wir wirklich ihre Hilfe. Worum ich sie bitte, muss zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: sie zu übertölpeln und Holzschnitzerin zu vernichten.«

»Schwer, das alles auf einmal zu tun«, stimmte das Vermummte zu. »Warum nicht in zwei Schritten spielen, wobei der erste mehr oder weniger ohne Täuschung auskommt: sie Holzschnitzerin vernichten lassen und sich dann darum kümmern, wie wir uns ihrer bemächtigen?«

Stahl ließ geistesabwesend eine Klaue gegen den Stein klicken. »Ja. Das Problem ist, wenn sie zu viel sehen… Sie können unmöglich so naiv wie Jefri sein. Er sagt, dass die Menschheit in ihrer Geschichte Zeiten mit Burgen und Kriegen hatte. Wenn sie zu viel herumfliegen, werden sie Dinge sehen, die Jefri niemals erblickt oder nie verstanden hat… Vielleicht könnte ich sie dazu bringen, innerhalb der Burg zu landen und Waffen auf den Mauern in Stellung zu bringen. Sie werden meine Geiseln sein, sobald sie zwischen unsern Kiefern stehen. Verdammt. Das würde ein bisschen geschickte Arbeit mit Amdijefri erfordern.« Die Wonnen der abstrakten Planung verblassten für einen Moment voller Wut. »Es fällt mir immer schwerer, mich mit diesen beiden abzugeben.«

»Um des Großen Rudels willen, sie sind doch beide noch ganz und gar Welpen.« Das Fragment schwieg kurz. »Natürlich mag Amdiranifani ein größeres Intelligenz-Potential als jedes andere Rudel besitzen, das ich jemals gesehen habe. Du meinst, er könnte sogar schlau genug sein, um durch seine Kindlichkeit« — er benutzte Samnorsk-Wort — »hindurch die Täuschung zu sehen?«