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Das dumme Singen ging noch ein bisschen weiter, und dann sprach Amdi in fast vernünftigem Ton. »He, dieser Tunnel teilt sich an manchen Stellen richtig. Mein vorderstes ist an eine Gabelung gekommen. Eine Seite geht nach unten… Ich hätte so gern genug Glieder, um in beide Richtungen zu gehen!«

»Hast du aber nicht!«

»Hei ho, heute nehme ich den oberen Tunnel.« Ein paar Sekunden Stille. »Hier gibt es eine kleine Tür! Wie eine gliedgroße Zimmertür. Nicht verschlossen.« Amdi gab die Schürfgeräusche von Stein auf Stein wieder. »Ha! Ich sehe Licht! Ein paar Meter weiter oben geht ein Fenster hinaus. Hör den Wind.« Er gab den Klang des Windes und die Rufe von Seevögeln durch, die von der Verborgenen Insel aufstiegen. Es klang wunderbar. »Oh, oh, das zerrt ganz schön an einem, aber ich möchte hinausschauen… Jefri, ich kann die Sonne sehen! Ich bin draußen, sitze hoch oben an der Seite der Kuppel. Ich kann den ganzen Süden überblicken. Junge, ist das ein Qualm da unten.«

»Was ist mit dem Berghang?«, fragte Jefri das nächste Glied, dessen weißgeflecktes Fell durch das Eingangsloch kaum zu sehen war. Wenigstens blieb Amdi in Kontakt.

»Ein bisschen brauner als letzten Zehntag. Ich sehe keine Soldaten da draußen.« Jefri hörte den weitergegebenen Klang eines Kanonenschusses. »Huch! Es wird doch geschossen… Gerade hat es auf dieser Seite des Kamms eingeschlagen. Jemand ist da draußen, knapp unter meiner Sichtgrenze.« Holzschnitzerin, die nun also doch gekommen war. Jefri zitterte vor Wut, dass er nichts sehen konnte, und vor Angst vor dem, was vielleicht zu sehen wäre. Er hatte oft Alpträume davon, was Holzschnitzerin wirklich sein musste, was sie mit Mutti und Vati und Johanna gemacht hatte. Bilder, die niemals ganz Gestalt annahmen — und doch fast Erinnerungen. Herr Stahl wird Holzschnitzerin erwischen.

»Oha. Der alte Tyrathect kommt über den Burghof zu uns herüber.« Dumpfe Töne erklangen aus dem Loch, während Amdi herabtapste. Es hatte keinen Sinn, Tyrathect wissen zu lassen, dass in der Mauer ein Tunnel verborgen war. Er würde ihnen vermutlich nur befehlen, davon wegzubleiben. Eins, zwei, drei, vier — die Hälfte von Amdi sprang aus der Wand. Die vier liefen ein wenig benommen umher. Jefri wusste nicht, ob es an ihrer Erfahrung des Langgezogenseins lag, oder ob sie sich vorübergehend von der anderen Hälfte des Rudels abgespalten hatten. »Natürlich verhalten. Natürlich verhalten.«

Dann trafen die anderen vier ein, und Amdi kam allmählich wieder zu sich. Er führte Jefri in schnellem Trab von der Wand weg. »Lass uns das Kom-Gerät nehmen. Wir werden so tun, als hätten wir versucht, Ravna damit zu erreichen.« Amdi wusste genau, dass das Sternenschiff sich frühestens in etwa dreißig Minuten wieder melden würde. Er war es gewesen, der die Berechnungen der Flugverzögerung für Herrn Stahl überprüft hatte. Dennoch jagte er die Stufen zum Schiff hinauf und nahm sich das Radio herunter. Die beiden steckten schon die Antenne in einen Signalverstärker, als das Breittor an der Westseite der Kuppel aufgeriegelt wurde. Gegen das Tageslicht hoben sich die Umrisse eines Wachrudels und eines einzelnen Gliedes von Tyrathect ab. Der Wachposten zog sich zurück und schob das Tor zu, und das Vermummte kam langsam über das Moos auf sie zu.

Amdi rannte auf ihn zu und plapperte etwas über ihre Versuche, das Radio zu benutzen. Er übertrieb ein wenig, dachte Jefri. Die Welpen waren noch verwirrt von ihrem Ausflug in die Mauern.

Das Solo schaute auf den Mörtelstaub, der Amdis Fell bedeckte. »Du bist in den Mauern herumgeklettert, nicht wahr?«

»Was?« Amdi betrachtete sich selbst und bemerkte den Staub. Für gewöhnlich war er klüger. »Ja«, sagte er beschämt. Er wischte den Staub weg. »Ihr werdet es nicht weitersagen, ja?«

Der wird uns gerade helfen, dachte Jefri. Herr Tyrathect hatte besser Samnorsk gelernt als Herr Stahl und war außer Stahl der Einzige, der viel Zeit hatte, sich mit ihnen zu unterhalten. Doch sogar schon vor den Radioumhängen war er kurz angebunden und herrisch gewesen. Jefri hatte Babysitter von der Sorte gehabt. Tyrathect war bis zu einem bestimmten Punkt nett, und dann wurde er sarkastisch oder sagte eine Gemeinheit. In letzter Zeit war das besser geworden, doch Jefri konnte ihn immer noch nicht besonders gut leiden.

Aber Herr Tyrathect sagte erst einmal gar nichts. Er setzte sich langsam, als ob ihm der Rumpf weh täte. »… Nein, ich werde nichts sagen.«

Jefri tauschte einen überraschten Blick mit einem von Amdi. »Wozu dient der Tunnel?«, fragte er schüchtern.

»Alle Burgen haben verborgene Tunnel, vor allem in meinem… in Herrn Stahls Reich. Man möchte gern Fluchtwege haben, Wege, um seine Feinde auszuspionieren.« Das Solo schüttelte den Kopf. »Macht nichts. Empfängt euer Radio ordentlich, Amdijefri?«

Amdi reckte einen Kopf zur Anzeige des Kom hin. »Ich glaube ja, aber es gibt noch nichts zu empfangen. Seht Ihr, Ravnas Schiff musste verzögern und, ähm, ich könnte Euch die Arithmetik zeigen…?« Doch Herr Tyrathect hatte offensichtlich kein Interesse, mit Kreidetafeln zu spielen. »… Nun ja, je nachdem, wie sie mit dem Ultraantrieb Glück haben, müssten wir wirklich bald schon mit ihnen Funkkontakt bekommen.«

Doch das kleine Fenster des Kom zeigte kein eintreffendes Signal. Sie betrachteten es etliche Minuten lang. Herr Tyrathect senkte die Schnauze und schien zu schlafen. Alle paar Sekunden zuckte sein Körper. Jefri fragte sich, was die übrigen von ihm gerade taten.

Dann leuchtete das Kom-Fenster grün. Es gab ein Wirrwarr von Tönen, als das Gerät versuchte, das Signal vom Hintergrundrauschen zu trennen. »… in fünf Minuten über euch«, erklang Ravnas Stimme. »Jefri? Hörst du?«

»Ja! Wir sind hier.«

»Lass mich bitte mit Herrn Stahl sprechen.«

Herr Tyrathect trat näher ans Kom. »Er ist jetzt nicht hier, Ravna.«

»Wer ist das?«

Tyrathects Lachen war ein Kichern; er hatte es nie anders gehört. »Ich?« Er machte in der Klauensprache den Akkord, der für Jefri wie ›Tyrathect‹ klang. »Oder meinst du einen angenommenen Namen, wie Stahl? Ich kenne das genaue Wort nicht. Du kannst mich… Herr Schneider nennen.« Tyrathect lachte abermals. »Gegenwärtig kann ich für Stahl sprechen.«

»Jefri, bist du in Ordnung?«

»Ja, ja. Hör Herrn Schneider zu.« Was für ein seltsamer Name.

Die Töne aus dem Kom klangen jetzt gedämpft. Eine Männerstimme erhob Einwände. Dann war Ravna wieder da, mit einer Art angespannter Stimme wie bei Mutti, wenn sie wütend war. »Jefri… Was für ein Volumen hat eine Kugel von zehn Zentimeter Durchmesser?«

Amdi hatte während des ganzen Gesprächs ungeduldig herumgezappelt. Das ganze letzte Jahr über hatte er von Jefri Geschichten über Menschen gehört und davon geträumt, wie Ravna wohl wirklich sein mochte. Nun hatte er eine Gelegenheit, sich darzustellen. Er sprang auf das Kom zu und grinste Jefri an. »Das ist leicht, Ravna.« Er sprach perfekt mit Jefris Stimme — und völlig fließend. »Sie hat 523,598 Kubikzentimeter…, oder möchtest du mehr Stellen hinter dem Komma?«

Gedämpfter Wortwechsel. »… Nein, das ist sehr gut. In Ordnung, Herr Schneider. Wir haben Bilder von unserem früheren Vorbeiflug und eine allgemeine Radiopeilung. Wo genau sind Sie?«