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»Hm. Wir werden einen Weg finden. Lass uns jetzt mit Jefri sprechen.«

»Ja.«

Ravna wechselte den Kanal. »Was meinst du, Pham?«

»Für mich gibt es da gar keine Fragen. Diese Johanna ist kein naives Kind wie Jefri. Wir haben immer gewusst, dass Stahl ein harter Brocken ist. Wir haben nur ein paar andere Tatsachen falsch verstanden. Der Landeplatz liegt mitten in seinem Gebiet. Er ist der Mörder.« Phams Stimme wurde leiser, fast ein Flüstern. »Das Schlimme ist, dass es vielleicht nichts ändert. Stahl hat wirklich das Schiff. Ich muss hineinkommen.«

»Das wird noch eine Falle.«

»Ich weiß. Aber was macht das? Wenn wir für mich Zeit mit dem GEGENMITTEL herausholen können, dann könnte es — dann wird es — die Mühe wert sein.« Kam es denn innerhalb eines Selbstmordkommandos noch auf ein weiteres Selbstmordkommando an?

»Ich bin nicht sicher, Pham. Wenn wir ihm alles geben, wird er uns umbringen, ehe wir dem Schiff überhaupt nahekommen.«

»Er wird es versuchen. Pass auf, halt du ihn nur am Reden. Vielleicht können wir sein Radio anpeilen, den Mistkerl wegpusten.« Es klang nicht sehr optimistisch.

Tyrathect brachte sie nicht zurück ins Schiff, auch nicht in ihre Unterkunft. Sie gingen Treppen im Innern der Außenmauern hinab, zuerst ein Teil von Amdi, dann Jefri mit dem Rest von Amdi, dann das Solo von Tyrathect.

Amdi beklagte sich noch immer: »Ich verstehe nicht, ich verstehe nicht. Wir können helfen.«

Jefri: »Ich habe keine feindlichen Kanonen gesehen.«

Das Solo floss über von Erklärungen, obwohl es noch voreingenommener als sonst klang. »Ich habe sie mit einem von meinen anderen Gliedern gesehen, unten im Tal. Wir ziehen alle unsere Soldaten in die Burg. Wir müssen standhalten, oder keiner von uns wird die Rettung erleben. Gegenwärtig ist das der beste Ort für euch.«

»Woher weißt du das? Kannst du jetzt gleich mit Stahl sprechen?«

»Ja, eins von mir ist noch oben bei ihm.«

»Gut, sag ihm, dass wir helfen müssen. Wir sprechen sogar besser Samnorsk als du.«

»Ich werde es ihm sofort sagen«, erwiderte das Vermummte rasch.

In den Mauern befanden sich keine Fensterschlitze mehr. Das einzige Licht kam von Öllampen, die alle zehn Meter im Tunnel angebracht waren. Die Luft war kühl und muffig, Nässe glänzte auf ungepolstertem Stein. Die winzigen Türen waren nicht aus poliertem Holz. Statt dessen gab es Gitterstäbe und dahinter Dunkelheit. Wohin gehen wir? Jefri fühlte sich plötzlich an die Verliese in Geschichten erinnert, an den Verrat, der die beiden Größeren und die Gräfin vom See ereilt hatte. Amdi schien es nicht zu spüren. Bei all seiner vertrackten Natur war Welpen im Grunde vertrauensvoll; er war immer von Herrn Stahl abhängig gewesen. Doch Jefris Eltern hatten sich niemals derart verhalten, nicht einmal auf der Flucht vom Hochlabor. Herr Stahl wirkte mit einem Mal so anders, als ob er sich nicht mehr die Mühe machte, nett zu erscheinen. Und dem finsteren Tyrathect hatte Jefri nie ganz getraut, nun begann der ganz offensichtlich mit Winkelzügen.

Es hatte keine neue Gefahr am Berghang gegeben.

Angst und Starrsinn und Misstrauen trafen zusammen: Jefri drehte sich schnell um und stand dem Vermummten gegenüber. »Wir werden nicht weitergehen. Das ist nicht die Richtung, in die wir gehen sollen. Wir wollen mit Ravna und Herrn Stahl sprechen.« Und mit plötzlicher befreiender Erkenntnis: »Und du bist nicht groß genug, um uns aufzuhalten!«

Das Solo wich jäh zurück und setzte sich dann hin. Es senkte den Kopf, zwinkerte. »Du traust mir also nicht? Daran tust du recht. Es gibt hier niemanden außer euch selbst, dem ihr vertrauen könnt.« Sein Blick wanderte von Jefri über Amdi hinweg, dann in den Korridor hinab. »Stahl weiß nicht, dass ich euch hierhergebracht habe.«

Das Geständnis kam ihm so schnell, so leicht über die Lippen, Jefri schluckte hart. »Du hast uns hier heruntergebracht, um uns zu t-töten.« Alle von Amdi starrten ihn und Tyrathect an, die Augen schreckgeweitet.

Das Solo ließ den Kopf als Teil eines Lächelns auf und ab wippen. »Ihr haltet mich für einen Verräter? Nach all der Zeit wenigstens ein vernünftiger Verdacht. Ich bin stolz auf euch.« Herr Tyrathect fuhr aalglatt fort: »Ihr seid von Verrätern umgeben, Amdijefri. Aber ich gehöre nicht zu ihnen. Ich bin hier, um euch zu helfen.«

»Ich weiß.« Amdi streckte eine Schnauze aus, um die des Solos zu berühren. »Ihr seid kein Verräter. Ihr seid die einzige Person außer Jefri, die ich berühren kann. Wir haben euch immer gern haben wollen, aber…«

»Ah, aber ihr solltet misstrauisch sein. Sonst werdet ihr alle sterben.« Tyrathect schaute über die Welpen hinweg zu dem finster dreinblickenden Jefri. »Deine Schwester lebt, Jefri. Sie ist jetzt da draußen, und Stahl weiß es seit langem. Er hat deine Eltern umgebracht; er hat fast alles getan, was er Holzschnitzerin zugeschrieben hat.« Amdi fuhr zurück und schüttelte sich in verschrecktem Widerspruch. »Ihr glaubt mir nicht? Das ist komisch. Ich war einmal so ein guter Lügner, ich konnte jemandem ein Kind in den Bauch reden. Aber jetzt, wo nur noch die Wahrheit hilft, kann ich euch nicht überzeugen… Hört zu:«

Plötzlich kam von dem Solo in der Menschensprache die Stimme Stahls, der Ravna davon berichtete, dass Johanna lebte, und den Angriff auf sie entschuldigte, den er gerade befohlen hatte.

Johanna. Jefri stürzte vor, fiel vor dem Solo auf die Knie. Fast ohne zu überlegen packte er das Solo an der Kehle und schüttelte sie. Zähne schnappten nach seinen Händen, als ihn der andere abzuschütteln versuchte. Amdi schoss vor, zog heftig an seinen Ärmeln. Nach einem Moment ließ Jefri los. Zentimeter von seinem Gesicht entfernt starrte ihn das Solo an, den Widerschein der Lampen auf den dunklen Augen. Amdi sagte gerade: »Menschenstimmen sind leicht nachzuahmen…«

Das Fragment erwiderte verächtlich: »Natürlich. Und ich behaupte nicht, dass das eine direkte Wiedergabe war. Was ihr gehört habt, liegt ein paar Minuten zurück. Und jetzt kommt, was Stahl und ich in ebendieser Sekunde planen.« Sein Samnorsk brach unvermittelt ab, und den Korridor erfüllten die kollernden Akkorde der Rudelsprache. Selbst nach einem Jahr konnte Jefri nur verschwommen Sinn aus dem Gespräch heraushören. Es klang wirklich wie zwei Rudel. Einer von beiden verlangte vom anderen, etwas zu tun, Amdijefri — dieser Akkord war klar — heraufzubringen.

Amdiranifani verstummte plötzlich, jedes Glied von den übermittelten Tönen aufs Äußerste gespannt. »Aufhören!«, schrie er dann. Und der Korridor lag still wie ein Grab. »Herr Stahl! O Herr Stahl!« Alle von Amdi drängten sich an Jefri. »Er redet davon, dir weh zu tun, wenn Ravna nicht gehorcht. Er will die Besucher umbringen, wenn sie landen.« In seinen aufgerissenen Augen standen Tränen. »Ich verstehe es nicht.«

Jefri stieß mit einer Hand nach dem Vermummten. »Vielleicht spielt er auch das nur vor.«

»Ich weiß nicht. Ich könnte niemals zwei Rudel so gut nachahmen…« Die winzigen Körper zitterten an Jefri gepresst, und menschliches Weinen ertönte, der unheimlich vertraute Klang eines verlassenen kleinen Kindes… »Was sollen wir tun, Jefri?«

Doch Jefri schwieg, während er sich an die ersten paar Minuten erinnerte, nachdem Stahls Soldaten ihn gerettet — gefangen genommen — hatten, und sie nun endlich verstand. Erinnerungen, die von späterer Freundlichkeit unterdrückt worden waren, krochen aus den Winkeln seines Gedächtnisses hervor. Mutti, Vati, Johanna. Aber Johanna lebt noch, gleich hinter diesen Mauern

»Jefri?«

»Ich weiß auch nicht? V-vielleicht verstecken?«

Einen Augenblick lang starrten sie einander an. Schließlich sprach das Fragment. »Ihr könnt Besseres tun, als euch zu verstecken. Ihr wisst schon, dass durch diese Mauern Gänge führen. Wenn man die Eingänge kennt — und ich kenne sie —, kann man fast überall hingehen. Man kann sogar nach draußen gelangen.«