Blaustiel machte sich noch einen Moment an der Steuerung zu schaffen, machte dann die Geste, die bei den Fahrern einem Achselzucken entspricht. »Ja. Aber es dauert zu lange…« Er machte sich los, indem er die Verankerung seines Skrods am Boot löste. Die Luke vor ihm glitt auf, und der Lärm von Schlacht und Feuer drang laut herein.
»Was, zum Teufel, gedenkst du zu tun, Blaustiel?!«
Die Wedel des Fahrers signalisierten Pham Gehorsam. »Den Jungen retten. Das alles wird jeden Moment in Flammen stehen.«
»Und dieses Boot könnte geröstet werden, wenn wir es hier lassen. Du wirst nirgends hingehen, Blaustiel.« Er lehnte sich vor, weit genug, um den anderen bei den unteren Wedeln zu packen.
Johanna blickte in verständnisloser Panik wild von einem zum anderen. »Nein! Bitte…« Und Ravna schrie ebenfalls auf ihn ein. Pham spannte sich, alle Aufmerksamkeit auf den Fahrer konzentriert.
Blaustiel ruckte in dem engen Raum auf ihn zu und brachte seine Wedel nahe an Phams Gesicht. Die Voderstimme glitt in den nichtlinearen Bereich: »Und was werden Sie tun, wenn ich nicht gehorche? Ich gehe, Herr Pham. Ich beweise, dass ich nicht die Marionette einer MACHT bin. Können Sie das von sich auch beweisen?«
Er verstummte, und einen Augenblick lang starrten sich Fahrer und Mensch aus nächster Nähe an. Doch Pham griff nicht nach ihm.
Brap. Blaustiel zog seine Wedel weg. Er rollte zurück auf die Schwelle der Luke. Die dritte Achse des Skrods erreichte den Boden, und er fuhr in kontrolliertem Taumeln hinab. Noch immer hatte sich Pham nicht bewegt. Ich bin nicht das Programm einer MACHT.
»Pham?« Das Mädchen schaute ihn an und zog an seinem Ärmel. Nuwen schüttelte den Alp ab und sah wieder. Das Pilger-Rudel war schon aus dem Boot heraus. Die vier Erwachsenen hielten kurze Schwerter in den Mäulern, Stahlklauen glänzten an ihren Vorderpfoten.
»In Ordnung.« Er klappte ein Stück Wandverkleidung auf und holte die Pistole hervor, die er dort versteckt hatte. Nachdem Blaustiel nun einmal das verdammte Boot zum Absturz gebracht hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als das Beste draus zu machen.
Diese Erkenntnis brachte einen kühlen Hauch von Freiheit. Er zog sich die Sicherheitsgurte vom Körper und kletterte hinab. Pilger stand rings um ihn. Die beiden mit Welpen brachten eine Art Schilde in Stellung. Selbst mit vollen Mäulern war die Stimme des Kerls so deutlich wie eh und je: »Vielleicht können wir einen Weg näher heran finden…«, zwischen den Flammen. Von den Wehrgängen kamen keine Pfeile mehr geflogen. Die Luft über dem Feuer war einfach zu heiß für die Schützen.
Pham und Johanna folgten Pilger um Lachen von schwarzer klebriger Flüssigkeit herum. »Bleibt so weit wie möglich von dem Öl weg.«
Die Rudel von Herrn Stahl kamen um die Flammen herumgelaufen. Pham konnte nicht sagen, ob sie den Lander erbeuten wollten oder einfach vor den Verbündeten flohen, die Jagd auf sie machten. Und vielleicht war es auch egal. Er ließ sich auf ein Knie fallen und strich mit seiner Pistole über die herankommenden Rudel. Es war nicht mit dem Strahler zu vergleichen, schon gar nicht auf diese Entfernung, aber auch nicht zu unterschätzen: die vorderen Hunde stürzten. Andere sprangen über sie hinweg. Sie erreichten den entfernteren Rand des Öls. Nur wenige wagten sich in die Masse hinein — sie wussten, was daraus werden konnte. Andere verschwanden aus Phams Gesichtsfeld hinter das Landeboot.
Gab es einen Zugang übers Trockene? Pham lief am Rande des Öls entlang. Es musste eine Lücke in dem ›Graben‹ geben, sonst hätte das Feuer gewiss übergegriffen. Vor ihm ragten die Flammen zehn Meter in die Luft empor, die Hitze schmerzte auf der Haut. Hoch oben über dem Feuerschein wehte rußiger Rauch zurück über das Feld und machte aus dem Sonnenlicht ein rötliches Halbdunkel. »Ich sehe gar nichts«, drang Ravnas Stimme verzweifelt an sein Ohr.
»Es gibt noch eine Chance, Rav.« Wenn er sie lange genug zurückhalten konnte, bis Holzschnitzerins Truppen eintrafen…
Stahls Rudel hatten einen sicheren Weg nach innen gefunden und kamen näher. Etwas schwirrte an ihm vorbei — ein Pfeil. Er ließ sich zu Boden fallen und bestrich die feindlichen Rudel mit voller Ladung. Wenn sie gewusst hätten, wie schnell er die Waffe leergeschossen haben würde, wären sie vielleicht weiter angestürmt, doch nach ein paar Sekunden Gemetzel stockte der Angriff. Die feindliche Front zerbrach, und die Hundeviecher rannten weg, um es mit Holzschnitzerins Rudeln aufzunehmen.
Pham wandte sich um und schaute zurück zur Burg. Johanna und Pilger standen zehn Meter näher an den Mauern. Sie stand da und zerrte an dem Rudel, das sie zurückhielt. Pham folgte ihrem Blick… Da war der Skrodfahrer. Blaustiel hatte die Rudel, die um den Rand des Feuers herumrannten, nicht beachtet. Er rollte stetig einwärts und hinterließ ölige Spuren. Der Fahrer hatte alle seine Extremitäten eingezogen und sein Frachttuch dicht an den Mittelstiel herangezogen. Er fuhr blind durch die überhitzte Luft, immer tiefer in die enger werdende Lücke zwischen den Flammen.
Er war keine fünfzehn Meter mehr von der Mauer entfernt. Unvermittelt schossen zwei Wedel aus seinem Rumpf hervor in die Hitze. Dort. Durch das Hitzeflirren hindurch sah Pham das Kind, wie es unsicher aus der Deckung der Steine hervorkam. Kleine Gestalten saßen auf den Schultern des Jungen und gingen neben ihm. Pham rannte den Hang hinan. Über diesen Boden konnte er sich schneller als jeder Fahrer bewegen. Vielleicht reichte die Zeit noch.
Eine einzige Flammenkugel flog im Bogen von der Burg herab in den Tümpel zwischen ihm und dem Fahrer an der Mauer. Der schmale sichere Durchgang war verschwunden, und die Flammen breiteten sich lückenlos vor ihm aus.
»Es gibt noch eine Menge freien Platz«, sagte Amdi. Er streckte sich ein paar Meter von ihrem Versteck aus, um um die Ecken herumzuspähen. »Der Flieger ist unten! Ein… seltsames Ding… kommt auf uns zu. Blaustiel oder Grünmuschel?«
Jetzt war auch eine Menge von Stahls Rudeln da draußen, aber nicht nahe — wahrscheinlich wegen des Fliegers. Der sah fremdartig aus, ohne die Symmetrie von Straumer-Flugzeugen. Er wirkte ganz schief, fast, als ob er abgestürzt wäre. Ein großgewachsener Mensch rannte über ihr Blickfeld und schoss auf Stahls Truppen. Jefri schaute ein Stück weiter vor, seine Hand fasste beinahe unbewusst den nächsten Welpen fester. Auf sie zu kam ein Fahrzeug mit Rädern, wie etwas aus einem historischen Film über die Nyjora. Die Seiten waren mit gezackten Streifen bemalt. Ein dicker Stiel wuchs aus der Mitte hervor.
Die beiden Kinder traten ein Stück aus ihrer Deckung hervor. Der Raumler sah sie! Er schwenkte herum, Öl und Moos spritzten unter seinen Rädern hervor. Zwei schwache Dinger langten aus seinem bläulichen Rumpf hervor. Seine Sprache war ein quäkendes Samnorsk. »Schnell, Herr Jefri. Wir haben wenig Zeit.« Hinter dem Wesen, jenseits des Öltümpels, sah Jefri… Johanna.
Und dann explodierte der Tümpel, und das Feuer auf beiden Seiten breitete sich über alle Fluchtwege aus. Immer noch gestikulierte der Raumler mit seinen Tentakeln und forderte sie auf, den flachen Teil seiner Hülle zu besteigen. Jefri fasste nach den wenigen verfügbaren Handgriffen. Die Welpen sprangen nach ihm herauf, klammerten sich ihm an Hemd und Hose. Aus der Nähe konnte Jefri erkennen, dass der Stiel die Person war: Die Haut war schmutzbedeckt und trocken, aber er war weich und bewegte sich.
Zwei von Amdi waren noch am Boden, zu beiden Seiten des Fahrzeugs ausgebreitet, um das Feuer besser sehen zu können. »Wehe!«, schrie ihm Amdi ins Ohr. Trotz der Nähe war er im Tosen des Feuers kaum zu hören. »Da kommen wir niemals durch, Jefri. Unsere einzige Chance ist, hier zu bleiben.«
Die Stimme des Raumlers erklang aus einer kleinen Platte an der Basis seines Stiels. »Nein. Wenn ihr hier bleibt, dann werdet ihr sterben. Das Feuer breitet sich aus.« Jefri hatte sich so weit wie möglich hinter den Stiel des Fahrers geduckt, und trotzdem spürte er die Hitze noch. Wenig mehr, und das Öl in Amdis Fell konnte Feuer fangen.