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Ravna wandte sich um und schaute das Rudel an. Noch immer lag jenes Lächeln auf ihrem Gesicht. Ungewiss, aber zufrieden? »Du kennst das Geheimnis, von dem Grünmuschel gesprochen hat?«

»Holzschnitzerin hat mir erzählt, was sie von dir erfahren hat.«

»Ich bin froh — und überrascht —, dass sie Grünmuschel erlaubt hat, hierherzukommen. Mittelalterliche Gemüter — Verzeihung, fast alle Gemüter — würden eher töten wollen, als mit dergleichen auch nur das mindeste Risiko einzugehen.«

»Warum hast du es denn dann der Königin gesagt?«

»Es ist eure Welt. Ich war es müde, mit dem Geheimnis Gott zu spielen. Und Grünmuschel war einverstanden. Wenn sich die Königin geweigert hätte, hätte Grünmuschel immer noch eine Kältezelle auf der ADR benutzen können.« Um wahrscheinlich für immer zu schlafen. »Aber Holzschnitzerin hat sich nicht geweigert. Irgendwie hat sie begriffen, was ich sagte: Es sind die echten Skrods, die pervertiert werden können, doch Grünmuschel hat keinen solchen mehr. In einem Jahrzehnt wird das Ufer dieser Insel von Hunderten von jungen Fahrern besiedelt sein, aber ohne Erlaubnis der Einheimischen würden sie sich niemals über diese Inselgruppe hinaus ausbreiten. Das Risiko ist verschwindend gering — trotzdem war ich überrascht, dass sich Holzschnitzerin darauf eingelassen hat.«

Wanderer ließ sich rings um Ravna nieder; nur ein Augenpaar beobachtete noch die Wedel der Fahrerin unten in der Gischt. Am besten wäre jetzt eine Erklärung. Er reckte einen Kopf Ravna entgegen. »Oh, wir sind mittelalterlich, Ravna — obwohl wir uns jetzt rasch verändern. Wir haben Blaustiels Mut im Feuer bewundert. Das verdient Belohnung. Und mittelalterliche Typen sind an Hofintrigen gewöhnt. Was also, wenn das Risiko von kosmischen Ausmaßen ist? Für uns hier ist es deswegen nicht tödlicher. Wir armen Primitiven leben die ganze Zeit mit tödlichem Risiko.«

»Ha!« Angesichts seines schnoddrigen Tonfalls trat ein Lächeln auf ihre Züge.

Wanderer kicherte mit wippenden Köpfen. Seine Erklärung entsprach der Wahrheit, doch nicht der ganzen Wahrheit oder auch nur ihrem wichtigsten Teil. Er dachte zurück an den Tag zuvor, als er und Holzschnitzerin den Beschluss gefasst hatten, was mit Grünmuschels Bitte geschehen sollte.

Holzschnitzerin war zunächst ängstlich gewesen, staatsmännisch besorgt angesichts eines bösen Geheimnisses, das Milliarden Jahre alt war. Selbst solch ein Wesen im Kälteschlaf zu lassen, war riskant. Die staatsmännische — die mittelalterliche — Lösung wäre es gewesen, die Bitte zu gewähren, die Fahrerin am Ufer dieser fernen Insel zurückzulassen… und sich dann ein, zwei Tage später wieder hinzuschleichen und sie umzubringen.

Wanderer hatte sich neben seine Königin hingesetzt, näher, als jeder außer Partnern und Liebhabern es vermochte, ohne den Faden der Gedanken zu verlieren. »Du hast Feilonius mehr Ehre erwiesen«, hatte er gesagt. Schreibers Mörder weilte noch auf Erden, ganz, kaum bestraft.

Holzschnitzerin schnappte ins Leere; Wanderer wusste, dass es auch sie schmerzte, Feilonius verschonen zu müssen. »… Ja. Und diese Skrodfahrer haben uns nichts als Mut und Ehrlichkeit erwiesen. Ich werde Grünmuschel kein Leid zufügen. Dennoch habe ich Angst. In ihr liegt ein Risiko, das über die Sterne hinausreicht.«

Wanderer lachte. Vielleicht war es der Wahnsinn des Pilgers, aber… »Und das ist zu erwarten, meine Königin. Große Risiken für großen Gewinn. Ich bin gern in der Nähe der Menschen; es gefällt mir, ein anderes Wesen zu berühren und doch gleichzeitig noch denken zu können.« Er schnellte vor, um das nächste von Holzschnitzerin mit der Schnauze zu berühren, und zog sich dann auf eine vernünftigere Entfernung zurück. »Selbst ohne ihre Sternenschiffe und Datios würden sie unsere Welt umkrempeln. Hast du bemerkt…, wie leicht es uns fällt zu lernen, was sie wissen? Selbst jetzt scheint Ravna sich noch nicht damit abfinden zu können, wie geläufig wir ihre Sprache sprechen. Selbst jetzt versteht sie noch nicht, wie gründlich wir das Datio studiert haben. Und ihr Schiff ist einfach, meine Königin. Ich meine nicht, dass ich die Physik verstehe, die darin steckt — das können selbst von den Sternenleuten nur wenige. Aber der Umgang damit ist leicht zu erlernen, selbst, nachdem manche Teile ausgefallen sind. Ich nehme an, Ravna wird nie imstande sein, das Agrav-Boot so gut wie ich zu fliegen.«

»Hmm. Aber du kannst alle Steuerelemente gleichzeitig erreichen.«

»Das macht es nur zum Teil aus. Ich glaube, wir Klauenwesen sind geistig flexibler als die armen Zweibeiner. Kannst du dir vorstellen, wie es sein wird, wenn wir mehr Radioumhänge haben werden, wenn wir unsere eigenen Flugmaschinen bauen?«

Holzschnitzerin lächelte, jetzt ein wenig traurig. »Pilger, du träumst. Dies ist die Langsame Zone. Der Agrav wird sich in ein paar Jahren abnutzen. Was immer wir herstellen, wird weit hinter dem zurückstehen, womit du jetzt spielst.«

»So? Sieh dir die Geschichte der Menschen an. Die Nyjora hat weniger als zwei Jahrhunderte gebraucht, um nach dem dunklen Zeitalter den Raumflug wiederzugewinnen. Und wir haben bessere Aufzeichnungen als ihre Archäologen. Wir und die Menschen sind ein wunderbares Team, sie haben uns die Freiheit gegeben, alles zu sein, was wir zu sein vermögen.« Ein Jahrhundert bis zu ihren eigenen Raumschiffen, vielleicht noch eins, bis sie mit dem Bau von Unterlicht-Sternenschiffen beginnen könnten. Und eines Tages würden sie die Langsame Zone verlassen. Ich möchte wissen, ob oben im Transzens Rudel größer als acht sein können.

Die jüngeren Teile von Holzschnitzerin waren aufgestanden und gingen um die übrigen herum. Die Königin war fasziniert. »Du glaubst also, wie wohl auch Stahl, dass wir eine Art besondere Rasse sind, etwas mit einer glücklichen Bestimmung im Jenseits? Interessant, wenn man eins außer Acht lässt: Diese Menschen sind alles, was wir von Da Draußen kennen. Wie sind sie im Vergleich zu anderen Rassen? Darauf hat das Datio keine vollständige Antwort.«

»Ja, Holzschnitzerin, und eben darum ist Grünmuschel so wichtig. Wir brauchen tatsächlich die Erfahrung von mehr als einer anderen Rasse. Anscheinend gehören die Fahrer überall im Jenseits zum Üblichen. Wir brauchen sie, um mit ihnen zu reden. Wir müssen herausfinden, ob sie so viel Freude machen, so nützlich sind, wie die Zweibeiner. Selbst wenn das Risiko zehnmal so groß wäre, wie es den Anschein hat, würde ich noch wollen, dass der Wunsch dieser Skrodfahrerin erfüllt wird.«

»Ja. Wenn wir alles sein wollen, was wir sein können, müssen wir mehr wissen. Wir müssen ein paar Risiken eingehen.« Sie blieb stehen, alle Augen in einer Geste der Überraschung auf Wanderer gerichtet. Unvermittelt lachte sie auf.

»Was ist?«

»Etwas, woran wir schon früher gedacht haben, lieber Wanderer, aber jetzt sehe ich, wie wahr es ist. Du bist gerade ein bisschen dabei, schlaue Pläne zu schmieden. Ein guter Staatsmann und Planer für die Zukunft.«

»Aber immer noch mit den Zielen eines Pilgers.«

»Gewiss… Und ich, also ich kümmere mich nicht mehr so vollkommen um Pläne und Sicherheit. Eines Tages werden wir die Sterne besuchen.« Ihre Welpen wippten ihm einen freudigen Gruß zu. »Ich habe jetzt auch ein wenig von einem Pilger in mir.«

Sie ließ sich auf alle Bäuche sinken und kroch über den Boden auf ihn zu. Langsam zerfloss das Bewusstsein in einem Nebel von Liebeslust. Ihre letzten Worte, an die sich Wanderer erinnerte, waren: »Was für ein wundersames Glück: dass ich alt geworden war und neu werden musste, und dass du genau die nötige Veränderung warst.«

Wanderers Aufmerksamkeit wandte sich wieder der Gegenwart und Ravna zu. Die Frau lächelte ihn noch immer ironisch an. Sie streckte eine Hand aus, um einen seiner Köpfe zu streicheln. »Fürwahr mittelalterliche Gemüter.«