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»Oh?«

»Ja. Er besteht auf einem Deputat für die Bibliothek und der Erlaubnis, das ganze System kreuz und quer zu bereisen. Er hat überall in den Docks mit Angestellten geplaudert, die ihm zufällig über den Weg liefen. Besonders nachdrücklich hat er auf dem Gespräch mit Ihnen bestanden.« Grondrs Mundpartien klickten ein Lächeln. »Haben Sie keine Bedenken, ihm Ihre wahre Meinung zu sagen. Hauptsächlich spürt er nach verborgenem Gift. Wenn er von Ihnen das Schlimmste hört, müsste das sein Vertrauen in uns stärken.«

Allmählich verstand sie Grondrs Zuversicht. Verdammt, dieser Pham war aber ein Dickkopf. »Ja, Herr Direktor. Er hat mich gebeten, ihm heute Abend das Fremdenviertel zu zeigen.« Wie Sie bestens wissen.

»Gut. Ich wünschte, der Rest des Geschäfts liefe ebenso glatt.« Grondr wandte sich so weit ab, dass nur noch Randsprenkel in ihre Richtung schauten. Er war umringt von Statusanzeigen der Kommunikations- und Datenbank-Operationen der Org. Soweit sie sehen konnte, war bemerkenswert viel los. »Vielleicht sollte ich das nicht zur Sprache bringen, aber möglicherweise können Sie uns helfen… Das Geschäft ist… sehr lebhaft.« Es schien Grondr keinen Spaß zu machen, die gute Nachricht mitzuteilen. »Wir haben neun Zivilisationen von der Obergrenze des Jenseits, die Breitband-Datenkanäle anfordern. Damit würden wir zurechtkommen. Aber diese MACHT, die ein Schiff zu uns entsandt hat…«

Ravna unterbrach ihn, fast ohne sich etwas dabei zu denken — ein Verhalten, das sie ein paar Tage zuvor in Schrecken versetzt hätte. »Wer ist das eigentlich? Kann es sein, dass wir eine Vorstellung für die Straumli-PERVERSION geben?« Der Gedanke, dass das sich des Rotschopfes bemächtigen könnte, ließ sie erschaudern.

»Nein — es sei denn, dass alle MÄCHTE ebenfalls irregeführt würden. Die Marketing-Abteilung nennt unseren gegenwärtigen Besucher den ALTEN.« Er lächelte. »Das ist eine Art Witz, aber trotzdem wahr. Wir kennen diese MACHT seit elf Jahren.« Niemand wusste wirklich, wie lange Transzendente Wesen lebten, doch selten blieb eine MACHT länger als fünf oder zehn Jahre an Kommunikation interessiert. Sie verloren das Interesse oder verwandelten sich in etwas anderes — oder starben tatsächlich. Es gab eine Million Erklärungen, Tausende, die angeblich von den MÄCHTEN selbst stammten. Ravna vermutete, dass die wahre Erklärung die einfachste war: Intelligenz ist die Magd von Flexibilität und Veränderung. Vernunftlose Tiere können sich nur mit dem Tempo der natürlichen Evolution verändern. Wenn menschliche und ihnen entsprechende Rassen erst einmal mit der technischen Entwicklung begonnen hatten, erreichten sie die Beschränkungen ihrer jeweiligen Zone in ein paar tausend Jahren. Im Transzens kann die Übermenschlichkeit so schnell eintreten, dass ihre Schöpfer vernichtet werden. Da war es kein Wunder, dass die MÄCHTE selbst vergänglich waren.

Es ergab also fast Sinn, eine elf Jahre alte MACHT ›den ALTEN‹ zu nennen.

»Wir glauben, dass dieser ALTE eine Variante des Typ-73-Musters ist. Solche sind selten bösartig — und wir wissen, von wem er transzendierte. Momentan bereitet er uns aber erhebliche Scherereien. Seit zwanzig Tagen nimmt er für sich allein einen riesigen und wachsenden Anteil von Relais’ Bandbreite ein. Seit sein Schiff eingetroffen ist, ist er überall im Archiv und in unseren lokalen Netzen. Wir haben den ALTEN gebeten, unkritische Daten per Sternenschiff zu verschicken, doch er hat abgelehnt. Heute Nachmittag war es bisher am schlimmsten. Fast fünf Prozent von Relais’ Kapazität waren für seine Bedürfnisse gebunden. Und das Geschöpf sendet fast ebenso viel, wie es empfängt.«

Das war in der Tat sonderbar, doch: »Er bezahlt doch noch für die Leistung, oder? Wenn der ALTE die besten Preise zahlen kann, was kümmert es Sie dann?«

»Ravna, wir hoffen, dass unsere Organisation noch viele Jahre lang da sein wird, nachdem der ALTE wieder fort ist. Er hat uns nichts anzubieten, was diese ganze Zeit über taugt.« Ravna nickte. Es gab wirklich gewisse ›magische‹ Apparate, die hier unten funktionieren konnten, doch über längere Zeit war ihre Wirksamkeit zweifelhaft. Sie hatten mit einer Geschäftssituation zu tun, nicht mit einer Übung während eines Kurses in Angewandter Theologie. »Der ALTE kann leicht jedes Gebot aus dem Mittleren Jenseits überbieten. Doch wenn wir ihm alle Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die er verlangt, fallen wir für den Rest unserer Kundschaft praktisch aus — und das sind die Leute, auf die wir uns in der Zukunft stützen müssen.«

Anstelle seines Bilds erschien ein Bericht über Archivzugriffe. Mit dem Format war Ravna sehr vertraut, und Grondrs Klagen trafen ins Schwarze. Das Bekannte Netz war ein weit ausgebreitetes Etwas, eine hierarchische Anarchie, die Hunderte Millionen von Welten verband. Doch selbst die Hauptstränge hatten Bandweiten, als stammten sie aus der Frühzeit der Erde; ein Armband-Datio konnte in einem lokalen Netz mehr leisten. Darum fand der größte Teil der Archivzugriffe vor Ort statt — durch Medienfrachter, die das Relais-System besuchten. Nun jedoch… in den letzten hundert Stunden hatten die Fernzugriffe auf das Archiv sowohl an Anzahl wie auch an Umfang die lokalen übertroffen! Und neunzig Prozent dieser Zugriffe gingen auf ein einziges Konto — das des ALTEN.

Grondrs Stimme fuhr aus dem Hintergrund fort: »Wir haben jetzt eben einen Basis-Transceiver für diese MACHT reserviert… Offen gesagt, wir können das nicht länger als ein paar Tage dulden; auf lange Sicht wird es einfach zu teuer.«

Grondrs Gesicht erschien wieder auf dem Bildschirm. »Jedenfalls denke ich, dass das Geschäft mit dem Barbaren wirklich unsere geringste Sorge ist. Die letzten zwanzig Tage haben mehr als die letzten zwei Jahre eingebracht — viel mehr, als wir überprüfen und aufnehmen können. Unser eigener Erfolg bringt uns in Gefahr.« Er machte eine ironische Geste, die zugleich Lächeln und Stirnrunzeln bedeutete.

Sie sprachen noch ein paar Minuten über Pham Nuwen, dann schaltete sich Grondr ab. Später unternahm Ravna einen Spaziergang über ihren Strand. Die Sonne stand schon am Achterhorizont, und der Sand war einfach nur angenehm warm für ihre Füße; die Docks beschrieben einmal in zwanzig Stunden in etwa vierzig Grad nördlicher Breite einen Kreis um den Pol. Sie ging nahe an der Brandung entlang, wo der Sand flach und nass war. Der Nebel von See drang feucht an ihre Haut. Der blaue Himmel direkt über den Weißwipfeln verfärbte sich rasch zu Indigo und Schwarz. Flecken von Silber bewegten sich dort oben, Agrav-Schweber, die Sternenschiffe in die Docks brachten. Das alles war so märchenhaft, so unnütz teuer. Ravna war abwechselnd angewidert und geblendet. Doch nach zwei Jahren bei Relais begann sie den Sinn zu sehen. Vrinimi-Org wollte dem Jenseits deutlich machen, dass sie über die Ressourcen verfügten, jedweder an sie gestellten Anforderung auf dem Gebiet von Kommunikation und Archiven gerecht zu werden. Und sie wollten im Jenseits den Verdacht wecken, es gebe hier verborgene Geschenke aus dem Transzens, Dinge, die es für Invasoren mehr als nur ein bisschen gefährlich machen würden.

Sie starrte in die Gischt und spürte, wie sie gegen ihre Wimpern schlug. Grondr hatte also augenblicklich das große Problem: Wie sagt man einer MACHT, dass sie sich bitte empfehlen möchte? Ravna Bergsndot brauchte sich um nichts zu sorgen als um einen einzigen allzu selbstsicheren Trottel, der scharf darauf zu sein schien; sich umzubringen. Sie bog ab und ging parallel zum Wasser. Bei jeder dritten Welle überspülte es ihre Knöchel.

Sie seufzte. Pham Nuwen war zweifellos ein Trottel… doch was für ein beeindruckender. Verstandesmäßig hatte sie schon immer gewusst, dass es keinen Unterschied im Intelligenzpotential der Jenseiter und der Primitiven des Langsams gab. Die meiste Automatik funktionierte im Jenseits besser, Ultralichtkommunikation war möglich. Doch man musste ins Transzens gehen, um wirklich übermenschliche Intelligenzen zu schaffen. Also dürfte es nicht überraschend sein, dass Pham Nuwen begabt war. Sehr begabt. Er hatte sich Triskweline mit unglaublicher Leichtigkeit angeeignet. Sie zweifelte kaum daran, dass er der Meister-Kapitän war, der er zu sein behauptete. Und ein Kauffahrer im Langsam zu sein, Jahrhunderte zwischen den Sternen für ein Ziel zu riskieren, das vielleicht die Zivilisation verloren hatte oder Ankömmlingen von draußen mit Todfeindschaft begegnete — das erforderte einen Mut, den sie sich nur schwer vorzustellen vermochte. Sie konnte verstehen, dass er glaubte, die Reise ins Transzens sei einfach eine weitere Herausforderung. Er hatte etwa zwanzig Tage Zeit gehabt, sich ein ganzes neues Universum anzueignen. Das reichte einfach nicht aus, um zu begreifen, dass sich die Regeln ändern, wenn die Spieler mehr als menschlich sind.