Die Skrodfahrer waren die Besitzer/Betreiber eines kleinen interstellaren Frachtschiffs, der Aus der Reihe II. Die Humanoiden waren Frachtbeglaubiger für einen Teil der gegenwärtigen Schiffsladung. »Meine Partnerin und ich sind seit fast zweihundert Jahren im Geschäft. Wir haben frohe Gefühle für Ihre Rasse, meine Dame. Unsere ersten Fahrten haben wir zwischen Sjandra Kei und Forste Utgrep gemacht. Ihre Leute sind gute Kunden, und es kommt kaum vor, dass uns eine Ladung verdirbt…« Er fuhr mit seinem Skrod vom Tisch zurück und dann wieder vor — die Entsprechung einer kleinen Verbeugung.
Doch nicht alles war eitel Sonnenschein. Einer von den Humanoiden sprach. Die Klänge hätten beinahe aus einer menschlichen Kehle stammen können, obwohl sie keinen Sinn ergaben. Ein Moment verging, während das Übersetzungsgerät des Hauses seine Worte verarbeitete. Dann sagte die Brosche an seiner Jacke in klarem Triskweline: »Blaustiel hat festgestellt, dass Sie Homo sapiens sind. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Ihnen nicht wohlgesonnen sind. Wir sind bankrott, beinahe hier gestrandet wegen des bösen Geschöpfs Ihrer Rasse. Der Straumli-PERVERSION.« Die Worte klangen emotionslos, doch Ravna sah die angespannte Haltung des Wesens, das unruhig an einem Trinkkolben fingerte.
Angesichts seiner Einstellung würde es wahrscheinlich nichts nützen, ihn darauf hinzuweisen, dass sie zwar ein Mensch war, Sjandra Kei aber Tausende von Lichtjahren von Straum entfernt lag. »Sie sind aus dem Bereich gekommen?«, fragte sie den Skrodfahrer.
Blaustiel antwortete nicht gleich. So ging das mit seiner Rasse; wahrscheinlich versuchte er sich zu erinnern, wer sie war und worüber sie eigentlich sprachen. Dann: »Ja, ja. Bitte entschuldigen Sie die Feindseligkeit meines Frachtbeglaubigers. Unsere Hauptladung ist eine Einwegmatrix, ein Verschlüsselungsprogramm, das für jede Übertragung einen anderen Code gewährleistet. Der Lieferant ist die Sicherheitsgesellschaft von Sjandra Kei, der Bestimmungsort die Hochkolonie der Frachtbeglaubiger. Es war die übliche Verfahrensweise: Wir befördern ein Drittel-XOR der Matrix. Unabhängige Schiffsunternehmer befördern die anderen. Am Bestimmungsort sollten die drei Teile zusammengeXORt werden. Das Resultat hätte den Crypto-Bedarf von einem Dutzend Welten im Netz decken können, und das für…«
Weiter unten kam Bewegung auf. Jemand rauchte etwas, das für die Luftreiniger ein bisschen zu stark war. Ravna bekam einen Hauch davon ab, genug, dass ihr für einen Moment alles vor den Augen verschwamm. Es hatte etliche Gäste im Erdgeschoss umgeworfen. Die Geschäftsführung verhandelte mit dem schuldigen Kunden. Blaustiel ließ ein abruptes Geräusch ertönen. Er rollte vom Tisch zurück und zur Brüstung. »Ich möchte nicht überrascht werden. Manche Leute können derart plötzlich sein…« Als der Zwischenfall keine Weiterungen hatte, kehrte er an den Tisch zurück. »Ähm… wo war ich?« Einen Augenblick lang schwieg er und konsultierte das in seinem Skrod eingebaute Kurzzeitgedächtnis. »Ja, ja… Wir wären relativ reich geworden, wenn unser Plan gelungen wäre. Leider machten wir bei Straum Halt, um ein paar Massendaten abzuladen.« Er drehte sich auf den hinteren vier Rädern. »Das war doch sicherlich ungefährlich? Straum selbst liegt über hundert Lichtjahre von ihrem Labor im Transzens entfernt. Trotzdem…«
Einer von seinen Frachtbeglaubigern unterbrach ihn mit lautem Gebrabbel. Nach einem Moment fiel der Hausübersetzer ein: »Ja. Es hätte ungefährlich sein müssen. Wir sahen keinerlei Gewalt. Die Aufzeichnungsgeräte des Schiffes zeigen, dass es keine Sicherheitslücken gab. Doch jetzt gehen Gerüchte um. Netzgruppen behaupten, der Straumli-Bereich sei der PERVERSION anheimgefallen. Absurd. Dennoch sind diese Gerüchte übers Netz bis an unseren Bestimmungsort gelangt. Unserer Fracht wird nicht vertraut, also ist unsere Fracht wertlos: Jetzt sind es nur noch ein paar Gramm Datenträger mit zufälligen…« Mitten in der gleichförmigen Übersetzung sprang der Humanoid aus dem Schatten hervor. Ravna erhaschte einen Blick auf Kiefern mit rasierklingenscharfen Zahnleisten. Er warf seinen Trinkkolben auf den Tisch vor ihr.
Pham Nuwens Hand schoss hervor und erfasste den Kolben, ehe er aufschlug — noch ehe ihr recht bewusst geworden war, was vor sich ging. Der Rotschopf erhob sich langsam. Aus den Schatten hervor standen die beiden anderen Humanoiden auf und näherten sich ihrem Freund. Pham Nuwen sagte kein Wort. Er stellte den Kolben vorsichtig hin und beugte sich nur leicht zu den anderen hin, die Hände locker und doch Klingen ähnlich. In billigen Geschichten ist von ›Blicken voll tödlicher Drohung‹ die Rede. Ravna hätte nie damit gerechnet, derlei in Wirklichkeit zu sehen. Doch die Humanoiden sahen es auch. Sie zogen ihren Freund sanft vom Tisch zurück. Das Großmaul sträubte sich nicht, doch als er erst einmal außer Reichweite Phams war, brach er in einen Schwall von Kreisch- und Zischlauten aus, die den Hausübersetzer sprachlos bleiben ließen. Der Humanoid machte eine scharfe Geste mit drei Fingern und verstummte.
Pham Nuwen setzte sich hin, die grauen Augen ruhig und gelassen. Vielleicht hatte er tatsächlich Grund, arrogant zu sein! Ravna blickte zu den beiden Skrodfahrern hinüber. »Es tut mir Leid, dass Ihre Fracht an Wert verloren hat.«
Die meisten Kontakte hatte Ravna bisher mit Minderen Skrodfahrern gehabt, deren Reflexe nur geringfügig über ihre angestammte sesshafte Lebensweise hinaus ergänzt wurden. Hatten diese beiden die Unterbrechung überhaupt wahrgenommen? Doch Blaustiel antwortete unverzüglich: »Entschuldigen Sie sich nicht. Seit wir hier sind, haben sich diese drei ständig beklagt. Und wenn sie auch unsere Vertragspartner sind, ich bin ihrer überdrüssig.« Er verfiel in den Topfpflanzen-Zustand.
Nach einer Weile sprach die andere von den beiden Fahrern — sie hieß wohl Grünmuschel. »Außerdem ist unsere Geschäftssituation vielleicht kein Totalausfall. Ich bin sicher, dass die anderen Drittel der Fracht dem Straumli-Bereich nicht nahe gekommen sind.« Das war die übliche Verfahrensweise: Jeder Teil der Ladung wurde von einem anderen Unternehmen transportiert, jeder auf einer anderen Route. Wenn die anderen beiden Drittel beglaubigt werden konnten, ging die Besatzung der Aus der Reihe vielleicht nicht mit leeren Händen aus. »Ja, es gibt vielleicht einen Weg für uns, die volle Beglaubigung zu bekommen. Wir waren zwar beim Straumli-Bereich, aber…«
»Wie lange ist es her, dass Sie dort abgereist sind?«
»Sechshundertfünfzig Stunden. Etwa zweihundert Stunden, nachdem sie vom Netz abgefallen sind.«
Plötzlich ging es Ravna auf, dass sie mit einer Art Augenzeugen sprach. Nach dreißig Tagen wurde die Gruppe Bedrohungen noch immer von der Ereignissen bei Straum beherrscht. Nach allgemeiner Ansicht war eine PERVERSION DER KLASSE ZWEI geschaffen worden — selbst die Vrinimi-Org glaubte das. Dennoch beruhte das meiste auf Vermutungen. Und jetzt sprach sie mit Wesen, die wirklich vor Ort gewesen waren. »Sie glauben nicht, dass die Straumer eine PERVERSION erschaffen haben?«
Es war Blaustiel, der antwortete. »Leider«, sagte er. »Unsere Beglaubiger bestreiten es, doch ich sehe da einen Gewissenskonflikt. Wir haben tatsächlich Seltsames auf Straum gesehen… Hatten Sie jemals mit künstlichen Immunsystemen zu tun? Diejenigen, die im Mittleren Jenseits funktionieren, bereiten mehr Scherereien, als sie wert sind, also wahrscheinlich nicht. Bei manchen Beamten der Crypto-Verwaltung habe ich unmittelbar nach dem Straumli-Sieg echte Veränderungen bemerkt. Es war, als wären sie auf einmal Teile einer schlecht abgestimmten Automatik, als wären sie jemandes… äh… Finger… Niemand kann daran zweifeln, dass sie im Transzens herumgespielt haben. Sie haben dort oben etwas gefunden, ein verschollenes Archiv. Aber darum geht es nicht.« Er schwieg eine ganze Weile; fast hätte Ravna geglaubt, er sei fertig. »Wissen Sie, kurz bevor wir Straumli Haupt verließen, haben wir…«