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Doch nun sprach auch Pham Nuwen. »Darüber habe ich mich schon gewundert. Alle reden so, als sei dieser Straumli-Bereich zum Untergang verurteilt gewesen, sobald sie mit den Forschungen im Transzens begonnen hatten. Sehen Sie. Ich habe mit Software voller Programmfehler und mit fremdartigen Waffen herumgespielt. Ich weiß, dass man dabei ums Leben kommen kann. Doch es sieht so aus, als hätten die Straumers ihr Labor vorsorglich weit entfernt eingerichtet. Sie arbeiteten an etwas, das schiefgehen konnte, aber anscheinend war es ein Experiment, das schon vorher ausprobiert worden war — so ziemlich wie alles Hier Oben. Sie konnten die Arbeit jederzeit abbrechen, sobald sich Abweichungen von den Aufzeichnungen zeigten, bis kurz vor Schluss. Wie konnten sie es also derart vermasseln?«

Die Frage ließ den Skrodfahrer in seinem Redefluss innehalten. Man brauchte kein Doktor der Angewandten Theologie zu sein, um die Antwort zu kennen. Selbst die verdammten Straumer hätten die Antwort kennen müssen. Doch für jemanden mit Pham Nuwens Vergangenheit war es eine vernünftige Frage. Ravna hielt sich zurück. Gerade die Fremdheit der Skrodfahrer wirkte auf Pham vielleicht überzeugender als ein weiterer Vortrag von ihr.

Blaustiel zauderte; zweifellos benutzte er seinen Skrod, um die Argumente zu ordnen. Als er schließlich sprach, schien er über die Unterbrechung nicht verstimmt zu sein. »Ich höre mehrere falsche Annahmen, meine Dame Pham.« Er schien die alte nyjoranische höfliche Anrede ziemlich unterschiedslos zu verwenden. »Haben Sie einen Blick in das Archiv bei Relais geworfen?«

Pham bejahte. Ravna vermutete, dass er nie über die Oberfläche für Anfänger hinausgekommen war.

»Dann wissen Sie, dass ein Archiv etwas grundlegend Umfassenderes ist als die Datenbank in einem konventionellen lokalen Netz. Aus praktischen Gründen können die großen nicht einmal kopiert werden. Die wichtigsten Archive reichen Jahrmillionen zurück, sie sind von Hunderten unterschiedlicher Rassen unterhalten worden — von denen die meisten jetzt ausgestorben oder zu MÄCHTEN transzendiert sind. Sogar das Archiv bei Relais ist ein Dschungel, derart umfangreich, dass Indexsysteme zur Erfassung von Indexsystemen nötig sind. Nur im Transzens könnte solch eine Masse richtig organisiert sein, und selbst dann könnten nur die MÄCHTE sie verstehen.«

»So?«

»Es gibt Tausende von Archiven im Jenseits — Zehntausende, wenn man die mitzählt, die in irreparablen Zustand geraten oder vom Netz abgefallen sind. Zusammen mit endlosen Trivialitäten enthalten sie bedeutende Geheimnisse und bedeutende Lügen. Es gibt dort Fallen und Fußangeln.« Millionen von Rassen spielten mit den Ratschlägen, die unaufgefordert durchs Netz sickerten. Zehntausende hatten sich verbrannt. Manchmal war der Schaden relativ geringfügig, gute Erfindungen, die nicht ganz zu der Zielumgebung passten. Manchmal war er bösartig, Viren, die ein lokales Netz derart gründlich blockierten, dass eine Zivilisation ganz von vorn beginnen musste. ›Wo sind sie jetzt‹ und ›Bedrohungen‹ vermeldeten Geschichten von schlimmeren Tragödien: Planeten, die knietief im Schleim von Replikatoren versanken, Rassen, die von schlecht programmierten Immunsystemen in hirnlose Tiere verwandelt worden waren.

Pham Nuwen hatte seine skeptische Miene aufgesetzt. »Man braucht das Zeug bloß in sicherer Entfernung zu testen. Und muss auf örtliche Katastrophen gefasst sein.«

Die meisten hätten die Erklärungen an dieser Stelle aufgegeben. Ravna musste den Skrodfahrer bewundern: Er hielt inne, ging auf noch elementarere Begriffe zurück. »Gewiss, gewöhnliche Vorsicht kann viele Unglücke verhindern. Und wenn sich das Labor im Mittleren oder Unteren Jenseits befindet, braucht man weiter nichts als solche Vorsicht — egal, wie raffiniert die Bedrohung ist. Aber uns allen ist die Natur der Zonen klar…« Ravna hatte sichtlich kein Gefühl für die Körpersprache der Fahrer, doch sie hätte geschworen, dass Blaustiel den Barbaren erwartungsvoll beobachtete und versuchte, die Tiefe von Phams Unwissenheit auszuloten.

Der Mensch nickte ungeduldig.

Blaustiel fuhr fort: »Im Transzens kann eine wirklich scharfsinnige Ausrüstung Geräte steuern, die wesentlich klüger sind als alles hier unten. Natürlich kann die Seite mit den überlegenen Datenverarbeitungs-Kapazitäten fast jeden wirtschaftlichen oder militärischen Wettbewerb gewinnen. Derlei ist an der Obergrenze des Jenseits und im Transzens zu haben. Es gibt immer Rassen, die dorthin ziehen, in der Hoffnung, ihr eigenes Utopia zu bauen. Doch was tut jemand, wenn seine neuen Schöpfungen klüger sind als er selbst? Da gibt es grenzenlose Möglichkeiten für Katastrophen, sogar wenn eine vorhandene MACHT keinen Schaden verursacht. Also gibt es zahllose Rezepte, wie man das Transzens gefahrlos nutzt. Natürlich können sie nicht wirksam untersucht werden — außer eben im Transzens. Und wenn sie mit Geräten betrieben werden, die sie selbst beschreiben, erlangen die Rezepte selbst Vernunft.«

In Pham Nuwens Gesicht begann ein Funke von Verständnis aufzuleuchten.

Ravna beugte sich vor, um die Aufmerksamkeit des Rotschopfes auf sich zu lenken. »Es gibt komplexe Dinge in den Archiven. Keins davon ist vernunftbegabt, doch manche davon können es werden, wenn eine naive junge Rasse ihren Versprechen traut. Wir glauben, das ist es, was dem Straumli-Bereich widerfahren ist. Sie sind von Dokumentationen in die Falle gelockt worden, die ihnen Wunder versprachen, sind dazu gebracht worden, ein transzendentes Wesen zu erzeugen, eine MACHT — aber eine, die denkende Wesen im Jenseits zu ihren Opfern macht.« Sie erwähnte nicht, wie selten solche PERVERSIONEN vorkamen. Die MÄCHTE waren auf unterschiedliche Weise böswillig, verspielt, gleichgültig — doch augenscheinlich wussten fast alle mit ihrer Zeit Besseres anzufangen, als Küchenschaben in freier Natur zu untersuchen.

Pham Nuwen rieb sich in Gedanken das Kinn. »In Ordnung, ich glaube, ich habe verstanden. Aber ich habe das Gefühl, dass das allgemein bekannt ist. Wenn es derart tödlich ist, wie konnten die von Straum darauf reinfallen?«

»Pech und verbrecherische Unfähigkeit.« Die Worte sprangen ihr überraschend heftig von den Lippen. Ihr war noch nicht bewusst geworden, dass die Sache mit Straum ihr so nahe ging; irgendwo in ihr lebten ihre alten Empfindungen für den Straumli-Bereich weiter. »Sehen Sie: Operationen im Hohen Jenseits und im Transzens sind wirklich gefährlich. Zivilisationen dort oben sind nicht von langer Dauer, doch es gibt immer wieder Leute, die es versuchen. Sehr wenige von den Bedrohungen sind aktiv bösartig. Was den Straumern passiert ist… Sie sind auf dieses Rezept gestoßen, das ihnen wunder was für Schätze versprach. Es kann durchaus sein, dass es seit Jahrmillionen herumgelegen hatte und anderen Leuten ein bisschen zu riskant war, als dass sie es ausprobiert hätten. Sie haben Recht, die Straumer kannten die Gefahren.« Aber es war die klassische Situation, wo jemand die Risiken abwog und die falsche Wahl traf. Vielleicht ein Drittel der Angewandten Theologie befasste sich damit, wie man nahe am Feuer tanzen konnte, ohne eingeäschert zu werden. Niemand kannte die Einzelheiten des Straumli-Debakels, doch sie konnte sie sich nach Hunderten von ähnlichen Fällen zusammenreimen:

»Sie haben also im Transzens eine Basis bei diesem verschollenen Archiv errichtet — falls es so etwas war. Sie fingen an, die Pläne umzusetzen, die sie vorfanden. Sie können sicher sein, dass sie den größten Teil ihrer Zeit damit zubrachten, nach Anzeichen von Täuschung Ausschau zu halten. Zweifellos war das Rezept eine Folge von mehr oder weniger verständlichen Schritten mit einem klaren Ausgangspunkt. Die ersten Phasen werden mit Computern und Programmen abgelaufen sein, die wirksamer als alles im Jenseits waren, sich aber anscheinend ordentlich betrugen.«

»Hm… ja. Sogar im Langsam kann ein großes Programm voller Überraschungen stecken.«