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Sie schüttelte langsam den Kopf. »Aber man kann sie sich leicht vorstellen.« Mit der freien Hand zeigte sie. Im Großen und Ganzen folgten die Zonen des Denkens der Masseverteilung der Galaxis: Die Gedankenleeren Tiefen erstreckten sich hinab zum weichen Leuchten des Galaxiskerns. Weiter draußen das Große Langsam, wo die Menschheit zur Welt gekommen war, wo kein Ultralicht möglich war und Zivilisationen lebten und starben, ohne die Wahrheit zu kennen und ohne selbst bekannt zu werden. Und das Jenseits, die Sterne, die ungefähr vier Fünftel vom Zentrum entfernt lagen, auch weit genug über der Ebene, um Orte wie Relais einzuschließen. Das Bekannte Netz existierte im Jenseits in gewisser Form seit Jahrmilliarden. Es war keine Zivilisation: wenige Zivilisationen dauerten länger als eine Million Jahre. Doch die Aufzeichnungen über die Vergangenheit waren ziemlich vollständig.

Manchmal waren sie verständlich. Häufiger erforderte ihre Lektüre Übersetzungen von Übersetzungen von Übersetzungen, von einer vergangenen Rasse an die nächste weitergegeben, ohne dass jemand die Texte hätte korrigieren können — schlimmer als jede Netzbotschaft mit vielen Sprachsprüngen jemals sein konnte. Dennoch waren manche Dinge ziemlich klar: Es hatte immer Zonen des Denkens gegeben, wenngleich sie sich vielleicht jetzt ein wenig weiter nach innen verlagert hatten. Immer hatte es Kriege und Frieden gegeben, Rassen, die aus dem Großen Langsam emporquollen, und Tausende von kleinen Reichen. Immer hatte es Rassen gegeben, die ins Transzens gingen, um MÄCHTE zu werden — oder deren Beute.

»Und das Transzens?«, fragte Pham. »Ist das einfach nur das ferne Dunkel?« Das Dunkel zwischen den Galaxien.

Ravna lachte leise. »Es umfasst das alles, aber… schau auf die äußeren Bereiche der Spiralarme. Sie liegen im Transzens.« Das galt für das meiste, was weiter als vierzigtausend Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt lag.

Pham Nuwen schwieg längere Zeit. Sie spürte, wie ihn ein winziger Schauder durchlief. »Nachdem ich mit denen mit den Rädern gesprochen habe, glaube ich…, dass ich besser verstehe, wovor du mich gewarnt hast. Es gibt eine Menge, was ich nicht weiß, eine Menge, was mich das Leben kosten könnte — oder schlimmer.«

Endlich siegt der gesunde Menschenverstand. »Stimmt«, sagte sie leise. »Aber das liegt nicht nur an dir oder daran, dass du erst so kurze Zeit hier bist. Man kann sein ganzes Leben lang studieren, ohne es zu begreifen. Wie lange muss ein Fisch lernen, um menschliche Beweggründe zu verstehen? Es ist kein guter Vergleich, aber es ist der einzige sichere; wir sind in der Tat wie dummes Vieh für die MÄCHTE im Transzens. Denk an all die verschiedenen Dinge, die Leute Tieren gegenüber tun — sinnreich, sadistisch, wohltätig, ausrottend —, jedes davon hat eine Million Entsprechungen im Transzens. Die Zonen sind ein natürlicher Schutz; ohne sie würde Intelligenz auf menschlichem Niveau wahrscheinlich nicht existieren.« Sie wies mit der Hand auf die nebligen Sternenschwärme. »Das Jenseits und was darunter liegt, sind wie die Tiefen eines Ozeans und wir die Geschöpfe, die darin schwimmen. Wir sind so weit unten, dass die Wesen an der Oberfläche — so überlegen sie auch sind — uns nicht wirksam erreichen können. Oh, sie fischen, und manchmal verpesten sie die oberen Schichten mit Giften, die wir nicht einmal verstehen. Doch die Tiefe bleibt ein verhältnismäßig sicherer Ort.« Sie hielt inne. An der Analogie war noch mehr dran. »Und ganz wie bei einem Ozean gibt es einen ständigen Strom von Sinkstoffen von der Oberfläche. Es gibt Dinge, die nur an der Obergrenze hergestellt werden können, für die es Fabriken mit nahezu eigenem Bewusstsein braucht, die aber hier unten noch funktionieren können. Blaustiel hat manche davon erwähnt, als er sich mit dir unterhielt — die Agravgewebe, die intelligenten Geräte. Derlei Dinge machen den größten physischen Reichtum des Jenseits aus, da wir sie nicht herstellen können. Und sie zu beschaffen, ist ein tödlich riskantes Unternehmen.«

Pham wandte sich ihr zu, weg von Fenster und Sternen. »Es gibt also immer ›Fische‹ , die nahe an die Oberfläche kommen.« Einen Augenblick glaubte sie ihn verloren zu haben, gebannt von der Romantik eines transzendenten Todeswunsches. »Kleine Fische, die alles für ein Stückchen Göttlichkeit aufs Spiel setzen… und den Himmel von der Hölle nicht unterscheiden können, selbst wenn sie sie finden.« Sie fühlte, wie er erschauderte, und dann umschlangen sie seine Arme. Sie hob den Kopf und fand seine Lippen bereit.

Es war zwei Jahre her, seit Ravna Bergsndot Sjandra Kei verlassen hatte. In mancher Beziehung war die Zeit schnell vergangen. Erst jetzt sagte ihr ihr Körper, was für eine lange, lange Zeit es in Wahrheit gewesen war. Jede Berührung war so voll Leben und weckte sorgsam unterdrückte Sehnsüchte. Mit einem Mal kribbelte ihre Haut überall. Sie brauchte bewundernswerte Beherrschung, um beim Ausziehen nichts zu zerreißen.

Ravna war aus der Übung. Und natürlich stand ihr aus jüngerer Zeit kein Vergleich zur Verfügung… Aber Pham Nuwen war sehr, sehr gut.

CRYPTO: 0

EMPFANGEN VON: Transceiver Relais01 bei Relais

SPRACHPFAD: Acquileron -› Triskweline, SjK:Relais-Einheiten

VON: Netzverantwortlicher für Transceiver Windsang bei Debley Tief

GEGENSTAND: Klagen über Relais, ein Vorschlag

ZUSAMMENFASSUNG: Es wird schlimmer; versucht es lieber mit uns

SCHLAGWÖRTER: Kommunikationsprobleme, Relais unzuverlässig, Transzens

VERTEILER:

Sonder-Interessengruppe Kommunikationskosten

Verwaltungsgruppe Motley-Luke

Transceiver Relais01 bei Relais

Transceiver Nicht-mehr-lange bei Stippvisite

ANTWORTEN AN: Interessengruppe Windsang-Erweiterung

DATUM: 07:21:21 Dockzeit, 36.9. im Org-Jahr 52.089

TEXT DER BOTSCHAFT:

In den letzten fünfhundert Stunden weist KomKosten 9834 Beschwerden über Stau in Transceiver-Zweigen aus, die sich gegen die Vrinimi-Bedienung bei Relais richten. Jede von diesen Beschwerden umfasst Dienstleistungen für Zehntausende von Planeten. Vrinimi hat wieder und wieder versprochen, dieser Stau sei nur durch vorübergehende Zunahme transzendenter Nutzung bedingt.

Als Relais’ wichtigster Konkurrent in dieser Region haben wir in Maßen aus dem Überschuss Nutzen gezogen, es bisher jedoch nicht für angebracht gehalten, eine koordinierte Reaktion auf das Problem vorzuschlagen.

Die Ereignisse der letzten sieben Stunden zwingen uns, diese Linie zu ändern. Wer diese Meldung liest, kennt den Zwischenfall bereits; die meisten von euch haben darunter gelitten. Ab [00:00:27 Dockzeit] hat die Vrinimi-Org begonnen, Transceiver vom Netz zu trennen, eine außerplanmäßige Abschaltung. R01 fiel um 00:00:27 aus, R02 um 02:50:32, R03 und R04 um 03:12:01. Vrinimi teilte mit, ein transzendenter Kunde verlange dringend Bandbreite. (R00 war vorher schon zur Benutzung durch diesen Kunden bereitgestellt worden.) Der Kunde verlangte sowohl Sende- als auch Empfangskanäle. Wie die Org selbst eingesteht, überstieg die außerplanmäßige Nutzung sechzig Prozent ihrer gesamten Kapazität. Man beachte, dass die zusätzliche Nutzung der vorangehenden fünfhundert Stunden — die zu völlig berechtigten Klagen Anlass gab — niemals mehr als fünf Prozent der Organisations-Kapazität betrug.

Freunde, wir von Windsang befassen uns mit Langstrecken-Kommunikation. Wir wissen, wie schwierig es ist, Transceiver-Elemente von der Masse eines Planeten zu unterhalten. Wir wissen, dass die Anbieter in unserer Branche einfach keine strikten vertraglichen Verpflichtungen eingehen können. Gleichzeitig aber ist das Verhalten der Vrinimi-Org unzumutbar. Es ist wahr, dass die Org in den letzten drei Stunden R01 bis R04 der Allgemeinheit wieder zur Verfügung gestellt und versprochen hat, die von der MACHT geleisteten zusätzlichen Zahlungen an all jene weiterzugeben, die ›Unannehmlichkeiten‹ hatten. Doch nur Vrinimi weiß, wie hoch diese zusätzlichen Zahlungen tatsächlich sind. Und niemand (nicht einmal Vrinimi!) weiß, ob dies das Ende der Abschaltungen ist.