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Ihr fünfter Ausflug in den Garten war der bisher schönste, er zwang sie geradezu zur Freude. Die Blumen hatten Samen wie Flaumfedern in die Luft gesprüht. Das Licht der sinkenden Sonne glitzerte auf ihnen, als sie zu Tausenden im leichten Windhauch segelten, Klumpen in einem unsichtbaren Sirup. Sie stellte sich vor, was Jefri hier tun würde: erst Erwachsensein vortäuschen, dann von einem Fuß auf den anderen hüpfen. Schließlich würde er den Hang hinabrennen und versuchen, so viele von den fliegenden Büscheln zu fangen, wie er nur konnte. Und dabei lachen und lachen…

»Eins, zwei, drei, vier, wie geht es dir?« Es war eine Kinderstimme, hinter ihr.

Johanna sprang so schnell auf, dass beinahe ihre Naht aufgerissen wäre. Natürlich, hinter ihr stand ein Rudel. Es war dasjenige, das die Pfeilspitze aus ihr herausgeschnitten hatte. Ein räudiger Haufen. Die fünf waren geduckt, bereit, wegzulaufen. Sie sahen fast so überrascht aus, wie Johanna sich fühlte.

»Eins, zwei, drei, vier, wie geht es dir?« Die Stimme kam wieder, genauso wie zuvor. Es hätte ebenso gut eine Aufzeichnung sein können, abgesehen davon, dass eins von den Tieren die Laute irgendwie mit den vibrierenden Hautflecken auf Schultern, Hüften und Kopf erzeugte. Die Papageiennummer war ihr nicht neu. Aber diesmal… waren die Worte fast angebracht. Die Stimme war nicht ihre, aber sie hatte den Singsang schon früher gehört. Sie stemmte die Hände in die Hüften und starrte das Rudel an. Zwei von den Tieren starrten zurück, die anderen schienen die Umgebung zu bewundern. Einer leckte sich nervös die Lippen.

Die beiden hinteren trugen ihr Datio! Mit einem Mal wusste sie, woher sie diese gesungene Frage hatten. Und sie wusste, was sie als Antwort erwarteten. »Mir geht’s gut, und wie geht’s dir?«, sagte sie.

Das Rudel bekam große Augen, dass es fast komisch aussah. »Mir geht’s gut, also uns allen!« Es brachte das Spiel zum Ende, dann stieß es einen Schwall von Gekoller hervor. Jemand antwortete von weiter unten am Hügel. Dort war noch ein Rudel, das im Gebüsch lauerte. Sie wusste, dass sie nur in der Nähe dieses einen hier zu bleiben brauchte, und das andere würde nicht herbei kommen.

Die Klauenwesen — immer, wenn sie an sie dachte, standen ihr jene Metallklauen an den Vorderpfoten vor Augen, sie würde sie niemals vergessen — hatten also mit dem Rosa Olifanten gespielt und waren von den Fallen nicht aufgehalten worden. Das war mehr, als Jefri jemals geschafft hatte. Es war klar, dass sie in die Sprachprogramme des Kindermodus geraten waren. Sie hätte daran denken sollen. Wenn das Datio hinreichend idiotische Reaktionen feststellte, passte es sein Verhalten an, zuerst für jüngere Kinder, und wenn das nichts half, für ganz Kleine, die nicht einmal Samnorsk sprachen. Mit ein wenig Unterstützung von Johanna konnten sie ihre Sprache erlernen. Wollte sie das?

Das Rudel kam ein Stückchen näher, wobei mindestens zwei davon sie ständig beobachteten. Sie sahen nicht mehr ganz so wie vorher aus, als wollten sie jeden Moment Reißaus nehmen. Das nächste Tier ließ sich auf den Bauch fallen und schaute zu ihr auf. Sehr zahm und hilflos, wenn man die Krallen nicht sah. »Mein Name ist…« Johanna hörte einen kurzen Ausbruch von Gekoller mit einem Oberton, der geradewegs durch ihren Kopf zu schwirren schien. »Wie ist dein Name?«

Johanna wusste, dass das alles Teil des Programms war. Die Kreatur konnte unmöglich die einzelnen Wörter verstehen, die sie sagte. Dieses Paar ›mein Name, dein Name‹ wurde immer wieder zwischen den Kindern im Sprachprogramm wiederholt. Letzten Endes würde es sogar eine Pflanze begreifen. Allerdings, die Aussprache des Klauenwesens war so perfekt…

»Mein Name ist Johanna«, sagte sie.

»Schohanna«, sagte das Rudel mit Johannas Stimme und teilte den Stimmfluss falsch auf.

»Johanna«, korrigierte Johanna. Sie würde nicht einmal versuchen, den Namen des Klauenwesens auszusprechen.

»Hallo, Johanna. Lass uns das Namensspiel spielen!« Das war auch aus dem Programm, samt der dummen Begeisterung. Johanna setzte sich. Gewiss, wenn sie Samnorsk lernten, würden die Klauenwesen Macht über sie gewinnen…, aber es war die einzige Möglichkeit, wie Johanna etwas über sie herausfinden konnte, der einzige Weg, etwas über Jefri zu erfahren. Und wenn sie Jefri auch umgebracht hatten? Nun gut, sie würde lernen, ihnen so weh zu tun, wie sie es verdienten.

DREIZEHN

In Holzschnitzerheim und dann — ein paar Tage später — auch auf Flensers Verborgener Insel gingen die langen Tage des arktischen Sommers zu Ende. Zunächst wurde es gegen Mitternacht, wenn selbst der höchste Berg im Schatten lag, etwas dämmrig. Und dann nahmen die Stunden der Dunkelheit schnell zu. Der Tag kämpfte gegen die Nacht, und die Nacht war am Gewinnen. Das Federlaub in den tiefen Tälern färbte sich herbstlich. Wenn man im Tageslicht einen Fjord hinauf schaute, sah man Orangerot auf den Hügeln, dann das Grün des Heidekrauts, das unmerklich ins Grau der Flechten überging, und schließlich das dunklere Grau der nackten Felsen. Die Schneeflecken warteten auf ihre Zeit, bald würde sie kommen.

Bei jedem Sonnenuntergang, Tag für Tag ein paar Minuten früher, ging Tyrathect die Wälle von Flensers Außenmauer ab. Es war ein Weg von drei Meilen. Die unteren Ebenen wurden von Postenketten bewacht, hier oben aber gab es nur ein paar Ausguckposten. Wenn sie sich näherte, traten sie mit militärischer Exaktheit zur Seite. Mehr als militärische Exaktheit: sie sah die Angst in ihren Augen. Es war schwer, sich daran zu gewöhnen. Fast seit sie klare Erinnerungen besaß — seit zwanzig Jahren —, hatte Tyrathect in Furcht vor anderen gelebt, mit Scham und Schuldgefühlen, auf der Suche nach jemandem, dem sie folgen könnte. Nun war das alles auf den Kopf gestellt. Es war keine Verbesserung. Sie kannte nun von innen her das Böse, dem sie sich hingegeben hatte. Sie wusste, warum die Wachtposten sie fürchteten. Für sie war sie wirklich Flenser.

Natürlich ließ sie sich diese Gedanken niemals anmerken. Ihr Leben war nur so sicher wie die Quellen ihres Betrugs. Tyrathect hatte hart daran gearbeitet, ihr natürliches scheues Verhalten zu unterdrücken. Seit sie auf die Verborgene Insel gekommen war, hatte sie sich kein einziges Mal bei ihrer alten Gewohnheit ertappt, verlegen die Köpfe zu senken und die Augen zu schließen.

Statt dessen verfügte Tyrathect über den stechenden Blick Flensers — und sie machte Gebrauch davon. Ihr Rundgang auf der Mauerkrone war so geradezu und unheilschwanger, wie nur jemals bei Flenser. Sie ließ über ihr — sein — Herrschaftsgebiet denselben harten Blick wie früher schweifen, alle Köpfe vorn, als sähe sie eine Vision weit jenseits des niederen Verstandes ihrer Jünger. Sie durften niemals erraten, warum sie wirklich diese Spaziergänge bei Sonnenuntergang unternahm: eine Zeit lang waren die Tage und Nächte wie in der Republik. Fast konnte sie sich vorstellen, wieder dort zu sein, vor Flensers Bewegung und dem Massaker in der Parlaments-Senke, bevor sie ihr die Kehlen durchgeschnitten und Teile von Flenser mit den Stümpfen ihrer Seele gepaart hatten.

In den goldenen und braungelben Feldern jenseits der Außenwälle konnte sie Bauern sehen, die sich um die Felder und die Herden kümmerten. Flenser beherrschte Länder weit über ihr Blickfeld hinaus, doch er hatte niemals Nahrungsmittel importiert. Das Korn und das Fleisch, die die Speicher füllten, waren alle nicht weiter als zwei Tagesmärsche von der Meerenge entfernt erzeugt worden. Die strategische Absicht war klar, doch immerhin sorgte das für ein friedliches Abendbild und weckte Erinnerungen an ihr Zuhause und ihre Schule.