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Sie hörte etwas metallisch gegen die Frachtkapsel scheppern, als die Steuerdüsen ihr Fahrzeug drehten, um die Hauptdüse nach unten zu richten. Das rechte Fenster zeigte jetzt den Boden. Das Triebwerk wurde wieder gezündet, mit etwa einem Ge. Der Rand des Bildschirms verfinsterte sich in einem Halo von Abbrand. »He«, sagte Jefri. »Das ist wie ein Fahrstuhl, runter und runter und runter und…« Hundert Kilometer hinab, langsam genug, dass der Luftwiderstand sie nicht in Stücke riss.

Sjana Olsndot hatte Recht: Es war eine neue Art, aus der Umlaufbahn herabzusteigen, keine unter halbwegs normalen Bedingungen bevorzugte Methode.

Das war in den ursprünglichen Fluchtplänen gewiss nicht vorgesehen gewesen. Sie hatten die Fregatte des Hochlabors treffen sollen — und alle Erwachsenen, die aus dem Hochlabor entkommen konnten. Und natürlich hatte diese Begegnung im Raum stattfinden sollen, ein einfaches Umsteigen. Doch die Fregatte war nun weg, und sie waren auf sich selbst gestellt. Johannas Augen wandten sich unwillkürlich dem Stück Außenwand hinter ihren Eltern zu. Da waren die vertrauten Farbabweichungen. Es sah aus wie graues Pilzgeflecht, das direkt aus der sauberen Keramikwand hervorwuchs. Selbst jetzt redeten ihre Eltern kaum darüber, außer um Jefri davon wegzuscheuchen. Aber Johanna hatte sie einmal sprechen gehört, als sie glaubten, sie und ihr Bruder seien im anderen Ende der Kapsel. Vatis Stimme hatte vor Wut fast weinerlich geklungen. »Alles umsonst!«, hatte er leise gesagt. »Wir haben ein Ungeheuer geschaffen und sind fortgelaufen, und nun sitzen wir am Grunde fest.« Und Muttis Stimme noch leiser: »Zum tausendsten Mal, Arne, nicht umsonst. Wir haben die Kinder.« Sie deutete zu der Substanz hin, die sich über die Wand ausbreitete. »Und bei den Träumen…, den Zielen, die wir hatten, denke ich, es ist das Beste, worauf wir hoffen durften. Irgendwie haben wir bei uns die Erwiderung auf all das Böse, das wir in die Welt gebracht haben.« Dann war Jefri laut durch den Frachtraum geschnellt und hatte so angekündigt, dass er jeden Moment hereinkommen würde, und seine Eltern waren verstummt. Johanna hatte es nicht recht fertiggebracht, sie danach zu fragen. Es waren seltsame Dinge im Hochlabor geschehen, und gegen Ende etliche auf stille Art unheimliche, sogar manche Menschen waren nicht mehr ganz sie selbst gewesen.

Minuten vergingen. Sie waren jetzt tief in der Atmosphäre. Der Schiffsrumpf summte unter der Gewalt der Luftströmung — oder der Turbulenzen von der Düse? Doch alles war stabil genug, um Jefri zappelig werden zu lassen. Ein Großteil der unteren Ansicht war vom Glühen rings um den Antriebsstrahl ausgebrannt. Der Rest war deutlicher und reicher an Einzelheiten als alles, was sie aus der Umlaufbahn gesehen hatten. Johanna fragte sich, wie oft wohl jemand mit weniger vorangehender Erkundung auf einer unbekannten Welt gelandet war. Sie hatten weder Teleskopkameras noch Spürsonden.

Physikalisch entsprach der Planet beinahe dem menschlichen Ideal — ein wunderbarer Glücksfall nach all dem Unglück.

Es war der reinste Himmel gegen die luftlosen Felsen dieses Systems, denen sie zuvor begegnet waren.

Andererseits existierte hier vernunftbegabtes Leben: Aus der Umlaufbahn hatten sie Straßen und Städte gesehen. Doch es gab keine Hinweise auf technische Zivilisation, keine Anzeichen von Luftfahrt oder Rundfunk oder starken Energiequellen.

Sie gingen in einer dünnbesiedelten Ecke des Kontinents nieder. Mit etwas Glück würde niemand ihre Landung inmitten der grünen Täler und der schwarzen und weißen Gipfel sehen — und Arne Olsndot konnte bis zum Boden auf dem Feuerstrahl landen, ohne befürchten zu müssen, mehr als Wald und Gras zu verletzen.

Die Küsteninseln glitten aus dem Blickfeld der seitlichen Kameras. Jefri rief etwas und zeigte. Es war schon nicht mehr im Bild, doch sie hatte es auch gesehen: ein unregelmäßiges Vieleck von Mauern und Schatten auf einer der Inseln. Es erinnerte sie an Schlösser aus dem Zeitalter der Fürstinnen auf der Nyjora.

Sie konnte jetzt einzelne Bäume erkennen, mit langen Schatten im schrägen Sonnenlicht. Nie hatte sie etwas Lauteres gehört als das Dröhnen des Feuerstrahls; sie befanden sich tief in der Atmosphäre, und sie bewegten sich nicht vom Schall fort.

»… wird schwierig«, rief Vati. »Und keine Programme, um es richtig zu machen… Wohin, Liebes?«

Mutti blickte von einem Bildschirm zum anderen. Soviel Johanna wusste, konnten sie die Kameras nicht bewegen oder neue einsetzen. »… diesen Berg, über der Waldgrenze, aber… ich glaube, ich habe ein Rudel Tiere vor der Hitze weglaufen sehen… auf der Westseite.«

»Ja«, rief Jefri, »Wölfe.« Johanna hatte nur einen raschen Blick auf sich bewegende Flecken erhascht.

Sie schwebten jetzt vielleicht tausend Meter über den Gipfeln. Der Lärm war schmerzhaft und nahm kein Ende, es war nicht mehr möglich, sich zu verständigen. Sie trieben langsam über die Landschaft, teils zur Erkundung, teils, um der Säule überhitzter Luft auszuweichen, die rings um sie aufstieg.

Das Land war eher hügelig als felsig, und das ›Gras‹ sah wie Moos aus. Dennoch zögerte Arne Olsndot. Das Haupttriebwerk war dazu bestimmt, die Geschwindigkeit nach interstellaren Sprüngen anzupassen; sie konnten ziemlich lange so in der Schwebe bleiben. Wenn sie aber aufsetzten, sollte es lieber gleich die richtige Stelle sein. Sie hatte gehört, wie ihre Eltern das besprachen — als Jefri bei den Kälteschlaf-Zellen arbeitete und außer Hörweite war. Wenn zu viel Wasser im Boden war, würden die zurückgeworfenen Gase wie eine Dampfkanone wirken, die glatt den Rumpf durchstoßen konnte. In Bäumen zu landen, hätte ein paar zweifelhafte Vorzüge gehabt, ihnen vielleicht ein wenig Federung und einen Mindestabstand zum Rückstrom gegeben. Doch jetzt versuchten sie es mit direkter Bodenberührung. Zumindest konnten sie sehen, wo sie landeten.

Dreihundert Meter. Vati zog die Spitze des Feuerstrahls durch die oberen Bodenschichten. Die weiche Landschaft explodierte. Eine Sekunde später wurde ihr Boot in der Dampfsäule hin und her geworfen. Die nach unten gerichtete Kamera fiel aus. Sie gingen nicht höher, und nach einer Weile wurde das Rütteln schwächer; der Feuerstrahl hatte sich durch die Wasser- oder Permafrost-Schicht unter ihnen hindurchgebrannt. Die Luft in der Kabine wurde immer heißer.

Olsndot brachte sie langsam hinunter, wobei er die seitlichen Kameras und das Geräusch des reflektierten Gases zur Orientierung benutzte. Er schaltete das Triebwerk ab. Es gab eine unheimliche halbe Sekunde freien Falls, dann das Geräusch, mit dem die Rendezvous-Stützen auf den Boden trafen. Sie stabilisierten die Lage, dann gab ächzend eine Seite ein wenig nach.

Stille, abgesehen von der Hitze, die rings um den Schiffsrumpf klingelte. Vati schaute auf ihren provisorischen Druckmesser. Er grinste. »Kein Leck. Ich wette, ich könnte die Kleine sogar wieder hochbringen!«

ZWEI

Eine Stunde mehr oder weniger, und das Leben von Wanderer Wickwrackrum wäre um einiges anders verlaufen.

Die drei Reisenden waren nach Westen unterwegs, von den Eisfängen hinab nach Flenserburg auf der Verborgenen Insel. Es hatte in seinem Leben Zeiten gegeben, da er die Gesellschaft nicht ertragen hätte, doch im letzten Jahrzehnt war Wanderer wesentlich umgänglicher geworden. Es gefiel ihm jetzt, zusammen mit anderen zu reisen. Bei seinem letzten Zug durch den Großen Sand waren ihrer fünf Rudel gewesen. Zum Teil war das eine Frage der Sicherheit gewesen: Der eine oder andere Todesfall ist fast unvermeidlich, wenn die Entfernung zwischen den Oasen eintausend Meilen betragen kann — und die Oasen selbst vergänglich sind. Doch abgesehen von der Sicherheit, hatte er im Gespräch mit den anderen eine Menge gelernt.