Выбрать главу

Stahl blieb vor Tür Nummer 33 stehen: Experiment Amdiranifani, Hervorragende Mathematische Fähigkeiten. Es war nicht der einzige Versuch in dieser Richtung, doch bei weitem der erfolgreichste. Stahls Agenten hatten die Bewegung nach Rudeln mit Abstraktionstalent abgesucht. Sie waren weitergegangen: Die berühmteste Mathematikerin der Welt lebte in der Langseen-Republik. Das Rudel hatte sich auf die Spaltung vorbereitet, sie hatte etliche Welpen von sich selbst und einem mathematisch begabten Liebhaber. Stahl hatte die Welpen wegnehmen lassen. Sie passten so gut zu seinen anderen Erwerbungen, dass er beschloss, ein Achtsam zu schaffen. Wenn es klappte, könnte dieses Rudel mit seiner Intelligenz alles Naturmögliche übertreffen.

Stahl ließ seinen Leibwächter vor die Fackeln treten, um sie abzuschirmen. Er öffnete Tür 33 und schlich mit einem Glied an den Rand der Loge. Er blickte hinab und brachte dabei vorsorglich das Stirntrommelfell dieses Gliedes zum Schweigen. Das von oben hereinfallende Licht war trübe, aber er konnte sehen, wie sich die Welpen aneinanderkuschelten — mit ihrem neuen Freund. Dem Pfahlwesen. Ein Glückstreffer, anders konnte er es nicht nennen, der Lohn des Forschers, der lange und sorgfältig genug gearbeitet hatte. Er hatte zwei Probleme gehabt. Das erste hatte sich ein Jahr lang verschärft: Amdiranifani schwand langsam dahin, seine Glieder verfielen in den üblichen Autismus von völlig neugeborenen Rudeln. Das zweite Problem war das gefangene Fremde gewesen, eine gewaltige Bedrohung, ein gewaltiges Geheimnis, eine gewaltige Chance. Wie mit ihm kommunizieren? Ohne Kommunikation gab es nur sehr beschränkte Möglichkeiten, es zu manipulieren.

Doch ein einziger blindlings geführter Schlag, ein inkompetenter Diener hatte den Weg zur Lösung beider Probleme gewiesen. Nun, da seine Augen auf das Dämmerlicht eingestellt waren, konnte Stahl das Fremde unter dem Haufen Welpen sehen. Als er gehört hatte, dass das Geschöpf zu einem Experiment gesteckt worden war, war Stahl zunächst in Raserei verfallen; der Diener, der den Fehler begangen hatte, war wiederverwertet worden. Doch die Tage vergingen. Experiment Amdiranifani wurde lebendiger denn je, seit seine Welpen entwöhnt worden waren. Die Sektion der anderen Fremden und die Beobachtung dieses einen machte rasch deutlich, dass das Volk der Pfahlwesen nicht in Rudeln lebte. Stahl hatte ein komplettes Fremdes.

Das Fremde bewegte sich im Schlaf und gab mit dem Mund tiefe Töne von sich, es war völlig außerstande, andere Laute zu erzeugen. Die Welpen verschoben sich, um sich der neuen Position anzupassen. Sie schliefen ebenfalls und dachten dabei vage zu sich selbst. Das untere Ende ihres Klangspektrums war eine perfekte Imitation des Fremden… Und das war der größte Erfolg von allen. Experiment Amdiranifani war dabei, die Sprache des Fremden zu lernen. Für das Rudel Neugeborener war das einfach eine weitere Art Zwischenrudel-Sprache, und anscheinend war sein neuer Freund interessanter als die Lehrer, die auf diesen Balkons erschienen. Das Flenser-Fragment behauptete, dass es der Körperkontakt sei, dass die Welpen auf das Fremde wie auf einen Elternersatz reagierten, so gedankenleer das Fremde auch war.

Es war eigentlich unwichtig. Stahl brachte einen weiteren Kopf an den Rand der Loge. Er stand still da, keins der beiden Glieder dachte direkt zum anderen. Die Luft roch leicht nach Welpen und nach dem Schweiß des Pfahlwesens. Diese beiden waren der größte Schatz der Bewegung: der Schlüssel zum Überleben und mehr. Mittlerweile wusste Stahl, dass das fliegende Schiff nicht zu einer Invasionsflotte gehört hatte. Ihre Besucher ähnelten eher schlecht gerüsteten Flüchtlingen. Es hatte keine Nachrichten von anderen Landungen gegeben, und die Spione der Bewegung waren weit verteilt.

Der Sieg über die Fremdwesen war knapp gewesen. Ihre einzige Waffe hatte den größten Teil eines Regiments getötet. In den richtigen Kiefern konnten solche Waffen Armeen besiegen. Er zweifelte nicht daran, dass das Schiff noch mehr mächtige Tötungsmaschinen enthielt — die noch funktionierten. Abwarten und beobachten, sagte sich Stahl. Sollte doch Amdiranifani die Hebel aufdecken, mit denen man dieses Fremde steuern konnte. Die ganze Welt würde der Siegespreis sein.

VIERZEHN

Mutti hatte manchmal gesagt, etwas sei ›lustiger als ein Fass voll Welpen‹ . Jefri Olsndot hatte nie mehr als ein Haustier gehabt, und nur einmal war es ein Hund gewesen. Doch nun verstand er, was sie gemeint hatte. Vom allerersten Tage an, obwohl er so müde und verängstigt war, hatten ihn die acht Welpen in Entzücken versetzt. Und er sie. Sie waren rings um ihn, zogen an seiner Kleidung, banden seine Schuhe auf, saßen bei ihm auf dem Schoß oder rannten einfach um ihn herum. Drei oder vier starrten ihn ständig an. Ihre Augen waren völlig braun oder rosa und wirkten zu groß für ihre Köpfe. Von Anfang an hatten ihn die Welpen nachgeahmt. Sie waren besser als Singvögel auf Straum; was immer er sagte, konnten sie als Echo zurückgeben — oder später wiederholen. Und wenn er weinte, weinten die Welpen oft mit ihm und kuschelten sich an ihn.

Es gab andere Hunde, große, die Kleidung trugen und den Raum durch Türen hoch oben an den Wänden betraten. Sie ließen Nahrung in den Raum herab und machten manchmal sonderbare Geräusche. Aber die Nahrung schmeckte abscheulich, und sie reagierten nicht auf Jefris Schreie, nicht einmal durch Nachahmung.

Zwei Tage waren vergangen, dann eine Woche. Jefri hatte alles im Raum erforscht. Es war nicht wirklich ein Verlies, dafür war er zu groß. Außerdem gibt man Gefangenen keine Kuscheltiere. Er hatte begriffen, dass diese Welt unzivilisiert war, dass sie nicht zum Straumli-Bereich gehörte, vielleicht nicht einmal ans Netz angeschlossen war. Wenn sich Mutti oder Vati oder Johanna nicht in der Nähe befanden, war vielleicht niemand hier, der den Hunden Samnorsk beibringen konnte! Dann wäre es an Jefri, die Hunde zu unterrichten und seine Familie zu finden… Wenn nun die Hunde in den weißen Jacken auf die Eckbalkons kamen, rief ihnen Jefri Fragen zu. Es nutzte nicht viel. Nicht einmal der mit den roten Streifen antwortete. Aber die Welpen taten es! Sie riefen zusammen mit Jefri und wiederholten dabei manchmal seine Worte, manchmal machten sie Töne ohne Sinn.

Jefri brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass die Welpen von einem einzigen Verstand beherrscht wurden. Wenn sie um ihn herumliefen, saßen immer einige ein wenig abseits und bogen ihre eleganten Hälse hierhin und dahin — und die Läufer schienen genau zu wissen, was die anderen sahen. Er konnte nichts hinter seinem Rücken verstecken, wenn da auch nur einer saß, der die anderen warnen konnte. Eine Zeit lang glaubte er, sie würden irgendwie miteinander sprechen. Aber es war mehr als das: Wenn er zusah, wie sie seine Schuhe öffneten oder ein Bild zeichneten — die Köpfe und Mäuler und Pfoten arbeiteten so perfekt zusammen, wie die Finger an einer Hand. Jefri durchdachte die Dinge nicht derart ausdrücklich, doch nach einer Weile begann er, alle Welpen zusammen als einen einzigen Freund zu betrachten. Zur gleichen Zeit bemerkte er, dass Welpen seine Worte umstellte — und manchmal eine neue Bedeutung hervorbrachte.

»Du ich spiel.« Die Worte klangen wie schlecht zusammengeklebt, aber für gewöhnlich folgte ihnen ein wildes Fangspiel rund um alle Möbel.

»Du ich Bild.« Die Schiefertafel bedeckte den unteren Meter der Wand rings um den Raum. Sie war ein Anzeigegerät, wie Jefri in seinem Leben noch keins gesehen hatte: schmutzig, ungenau, weder ordentlich zu löschen noch zu speichern. Jefri liebte sie. Sein Gesicht und seine Hände — und die meisten Lippen von Welpen — waren mit Kreide beschmiert. Sie zeichneten einander und sich selbst. Welpen malte keine hübschen Bilder wie Jefri, seine Hundegestalten hatten große Köpfe und Pfoten, und die Körper waren ganz ineinander verwischt. Wenn er Jefri malte, waren die Hände immer groß, jeder Finger sorgfältig gezeichnet.