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Pham warf seinen Agrav an und schwebte vom Sand auf. Er winkte lakonisch zum Gruß. Ravna starrte empor und hob die Hand, um zurückzuwinken. Seine Gestalt wurde kleiner und bekam einen schwachen Nimbus, als er die atembare Atmosphäre der Docks verließ und sich sein Raumanzug einschaltete.

Ravna winkte noch ein paar Minuten, bis die Gestalt zu einem weiteren Pendler am indigofarbenen Himmel geworden war. Verdammt. Verdammt. Verdammt.

Hinter ihr erklang das Geräusch von Rädern, die über den Sand knirschten. Blaustiel und Grünmuschel waren aus dem Wasser gekommen. Nässe glänzte an den Seiten ihrer Skrods und machte aus den Zierstreifen gezackte Regenbogen. Ravna ging hinab, ihnen entgegen. Wie soll ich ihnen sagen, dass keine Hilfe kommt?

Mit einem Repräsentanten wie Pham Nuwen hatte der ALTE so anders gewirkt als alles, was sie sich in der Schule daheim bei Sjandra Kei vorgestellt hatte. Beinahe hätte sie geglaubt, nur mit Reden etwas ändern zu können. Was für ein Witz. Jetzt eben hatte sie einen Blick hinter die Kulissen erhascht: von einem Wesen, das mit Seelen wie ein Programmierer mit einer geschickten Grafik spielen konnte, einem Wesen, das so hoch über ihr stand, dass nur seine Gleichgültigkeit sie schützen konnte. Sei froh, kleiner Falter Ravna. Du bist von der Flamme nur geblendet worden.

SECHZEHN

Die nächsten paar Wochen verliefen überraschend gut. Ungeachtet des Misserfolgs mit Pham Nuwen waren Blaustiel und Grünmuschel immer noch bereit, die Rettungsaktion durchzuführen. Die Vrinimi-Org ließ sogar ein paar zusätzliche Ressourcen springen. Jeden Tag unternahm Ravna einen Teleausflug zu den Reparaturdocks. Auch wenn die Aus der Reihe II keine transzendenten Verstärkungen erhielt, würde es nach der Umrüstung ein außergewöhnliches Schiff sein. Sie schwebte jetzt in einer Aura von ’struktoren — Billionen winziger Roboter, die Abschnitte des Schiffsrumpfes in die charakteristische Form eines Grundschleppers wachsen ließen. Manchmal erschien das Schiff Ravna wie ein fragiler Falter… und manchmal wie ein Tiefseefisch. Das umgebaute Schiff konnte in einer Reihe von Umgebungen überleben: Es besaß die Dorne des Ultraantriebs, doch der Rumpf war stromlinienförmig und hatte eine Wespentaille — die klassische Form eines staustrahlgetriebenen Schiffes. Grundschlepper müssen gefährlich nahe an der Langsamen Zone fliegen. Die Zonenoberfläche war von weitem schwer auszumachen, noch schwerer zu kartographieren, und es gab kurzfristige Positionsänderungen. Für einen Grundschlepper war es nicht ausgeschlossen, ein, zwei Lichtjahre tief im Langsam gefangen zu werden. Das war dann die Gelegenheit, wo man Gott für den Staustrahlantrieb und die Kälteschlafvorrichtungen dankte. Natürlich konnte man bei der Rückkehr in die Zivilisation völlig den Anschluss verpasst haben, aber wenigstens konnte man zurückkehren.

Ravna ließ ihren Blickpunkt durch die Antriebsdorne schweben, die aus dem Rumpf hervorragten. Sie waren breiter als bei den meisten Schiffen, die nach Relais kamen. Für das Mittlere oder Hohe Jenseits waren sie nicht optimal, doch mit den richtigen (also dem Unteren Jenseits angepassten) Computern würde das Schiff so schnell wie nur irgendetwas fliegen, wenn es den Grund erreichte.

Grondr ließ sie die Hälfte ihrer Zeit auf das Projekt verwenden, und nach ein paar Tagen erkannte Ravna, dass er ihr damit nicht nur einen Gefallen tat. Sie war für diese Arbeit tatsächlich am besten geeignet. Sie kannte Menschen, und sie kannte die Archivverwaltung. Jefri Olsndot brauchte jeden Tag Zuspruch. Und was Jefri ihr erzählte, war von unmittelbarer Wichtigkeit. Selbst wenn alles nach Plan ging — selbst wenn die PERVERSION gänzlich aus dem Spiel blieb —, würde diese Rettungsaktion heikel sein. Das Kind und sein Schiff schienen sich mitten in einem blutigen Krieg zu befinden. Es dort herauszuholen, würde bedeuten, augenblicklich richtige Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln. Sie würden an Bord ein wirksames Datenbank- und Strategieprogramm brauchen. Aber es gab nicht viel, wovon man erwarten konnte, dass es am Grunde funktionierte, und die Speicherkapazität würde beschränkt sein. Es war an Ravna zu entscheiden, welches Bibliotheksmaterial ins Schiff gebracht werden sollte, die leichte Verfügbarkeit vor Ort gegen die größeren Ressourcen abzuwägen, die über die Ultrawelle von Relais zugänglich wären.

Grondr war übers lokale Netz zu erreichen, und oft in Realzeit. Er wollte, dass diese Sache klappte: »Machen Sie sich keine Sorgen, Ravna. Wir werden einen Teil von R00 für diese Mission einsetzen. Wenn ihr Antennenschwarm richtig funktioniert, müssten die Skrodfahrer eine Verbindung von 30 Kb/s nach Relais haben. Sie werden ihr wichtigster Ansprechpartner hier sein und Zugang zu unseren besten Strategen haben. Wenn nichts… dazwischen kommt, dürfte es Ihnen nicht schwer fallen, diese Rettungsaktion zu leiten.«

Noch vor vier Wochen hätte es Ravna nicht wagen können, mehr zu verlangen. Jetzt aber: »Herr Direktor, ich habe eine bessere Idee. Lassen Sie mich mit den Skrodfahrern fliegen.«

Alle Mundteile Grondrs klappten gleichzeitig aufeinander. Sie hatte so viel Überraschung bei Leuten wie Egravan gesehen, aber nie bei dem gesetzten Grondr. Einen Moment lang schwieg er. »Nein. Wir brauchen Sie hier. Sie sind unsere beste Vernunftprobe, wenn es um Fragen über die Menschheit geht.« Die Nachrichtengruppen, die sich für die Straumli-PERVERSION interessierten, enthielten über hunderttausend Botschaften pro Tag, davon etwa ein Zehntel mit Bezug zur Menschheit. Tausende von Botschaften waren aufgewärmte alte Ideen oder perfekte Absurditäten oder allem Anschein nach Lügen. Die Automatik von Marketing brachte es ziemlich gut fertig, die Redundanz und einen Teil der Absurditäten herauszufiltern, doch wenn es zu Fragen über die menschliche Natur kam, hatte Ravna nicht ihresgleichen. Etwa die Hälfte ihrer Zeit verbrachte sie damit, Wege für die Analyse zu weisen und Anfragen über die Menschheit bei den Archiven zu bearbeiten. Das alles wäre nahezu unmöglich, wenn sie mit den Skrodfahrern abflog.

Die nächsten paar Tage über bedrängte Ravna ihren Chef in dieser Frage. Wer immer den Rettungsflug unternahm, würde eine unmittelbare Beziehung zu Menschen haben müssen — das hieß zu Menschenkindern. Höchstwahrscheinlich war Jefri Olsndot niemals einem Skrodfahrer begegnet. Das war ein gutes Argument, und es trieb sie allmählich zur Verzweiflung — doch an sich hätte es den alten Grondr niemals umgestimmt. Dazu bedurfte es einiger äußerer Ereignisse: Im Laufe der Wochen verlangsamte sich die Ausdehnung der PEST. Ganz nach der allgemeinen Erfahrung (und wie der ALTE durch Pham Nuwen behauptet hatte) schien es natürliche Grenzen zu geben, über die die PERVERSION ihre Interessen nicht ausdehnen konnte. Die erbärmliche Panik verschwand allmählich aus dem Nachrichtenverkehr des Hohen Jenseits. Die Zahl der Gerüchte und der Flüchtlinge aus den absorbierten Raumgebieten ging langsam gegen Null. Die Leute in den Verpesteten Gebieten waren dahingegangen, doch nun glich es mehr dem Tod auf einem Friedhof als dem Tod von ansteckender Fäulnis. Mit der PEST befasste Nachrichtengruppen plapperten weiterhin über die Katastrophe, doch der Anteil an unproduktivem Durchkauen von Bekanntem stieg stetig. Es ging einfach wenig Neues vor sich. Die nächsten zehn Jahre lang würde sich körperlicher Tod durch die Verpestete Region ausbreiten. Die Kolonisation würde wieder beginnen, sich dabei vorsichtig durch die Ruinen und Informationsfallen und die Rest-Rassen vortasten. Doch all das lag in weiter Ferne, und augenblicklich ging der von der PEST verursachte ›warme Regen‹ für Relais zurück.