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… Und die Marketing-Abteilung war sogar noch stärker an dem Flüchtlingsschiff interessiert. Keins von den Strategieprogrammen — erst recht nicht Grondr — glaubte, dass das Geheimnis des Schiffes der PEST schaden könnte, doch es bestanden gute Chancen, dass es einen kommerziellen Vorteil bringen könnte, wenn die PERVERSION ihres transzendenten Spiels endlich müde wurde.

Und die Rudelintelligenzen der Klauenwesen hatten ihr Interesse geweckt. Es war angebracht, dass man äußerste Anstrengungen unternahm, dass Ravna ihre Arbeit bei den Docks aufgab und vor Ort ging.

So würden auf wunderbare Weise ihre Kindheitsphantasien von Rettungen und Abenteuerfahrten wirklich wahr werden. Und was noch überraschender ist, ich habe nur halbwegs Angst angesichts dieser Aussicht.

Ziel[56]: Tut mir Leid das ich ne Weile nicht geantwortet habe. Ich fühl mich gar nicht gut. Herr Stahl sagt ich soll mit euch reden. Er sagt ich brauche mehr Freunde, damit ich mich besser fühle. Amdi sagt das auch und er is mein bester Freund… wie Rudel von Hunden aber klug und lustig. Ich würde gern Bilder schicken. Herr Stahl wird versuchen Antworten auf alle eure Fragen zu bekommen. Er tut alles was er kann um zu helfen, aber die bösen Rudel werden wiederkommen. Amdi und ich haben das was ihr gesagt habt mit dem Schiff versucht. Es tut mir Leid, es funktioniert noch nicht… Ich hasse diese dummen Tasten…

Org[57]: Hallo, Jefri. Amdi und Herr Stahl haben Recht. Ich rede immer gern, und du wirst dich dabei besser fühlen… Hier sind Erfindungen, die Herrn Stahl vielleicht helfen. Wir haben an ein paar Verbesserungen für seine Armbrüste und Flammenwerfer gedacht. Ich schicke auch ein paar Informationen über Festungsbau. Bitte sag Herrn Stahl, dass wir ihm nicht mitteilen können, wie man mit dem Schiff fliegt. Es wäre sogar für einen erfahrenen Piloten gefährlich, es zu versuchen…

Ziel[57]: Ja, sogar Vati hatte es schwer, damit zu landen. ikocxljikersw89iou-43e5 Ich glaube Herr Stahl versteht nicht, und er wird irnwie verzweifelt… Gibts denn nichts andres wie sie früher hatten. Weißt du, Bomben und Flugzeuge die sie bauen könnten?…

Org[58]: Es gibt andere Erfindungen, aber Herr Stahl würde Zeit brauchen, um sie herzustellen. Unser Sternenschiff fliegt bald von Relais ab, Jefri. Wir werden viel früher da sein, als andere Erfindungen etwas nützen würden…

Ziel[58]: Ihr kommt? Ihr kommt endlich!!! Wann fliegt ihr ab? Wann werdet ihr hier sein???

Für gewöhnlich stellte Ravna ihre Botschaften für Jefri auf einer Tastatur zusammen — das verlieh ihr ein gewisses Gefühl für die Situation des Kindes. Er schien den Kopf hoch zu halten, obwohl es Tage gab, an denen er nicht schrieb (es war ein seltsamer Gedanke, dass ›geistige Depression‹ etwas mit einem Achtjährigen zu tun haben konnte). An anderen Tagen schien er an der Tastatur einen Wutanfall zu haben, und über einundzwanzigtausend Lichtjahre hinweg sah sie die Indizien von kleinen Fäusten, die auf Tasten schlugen.

Ravna grinste den Bildschirm an. Heute hatte sie endlich mehr als nur nebelhafte Versprechungen für ihn: Sie kannte den definitiven Abflugtermin. Die Botschaft [59] würde Jefri gefallen. Sie tippte: »Wir werden in sieben Tagen starten, Jefri. Die Reise wird etwa dreißig Tage dauern.« Sollte sie sich dazu genauer äußern? Die jüngsten Meldungen in den Nachrichtengruppen für Zonengrenzen besagten, dass der Grund ungewöhnlich aktiv war. Die Klauenwelt lag so nahe an der Langsamen Zone… Wenn der ›Sturm‹ schlimmer wurde, würde die Reisezeit darunter leiden. Es bestand eine Wahrscheinlichkeit von etwa einem Prozent, dass der Flug länger als sechzig Tage dauern würde. Sie lehnte sich von der Tastatur zurück. Wollte sie das wirklich sagen? Verdammt. Sie sollte lieber offen sein; diese Angaben konnten für die Einheimischen Bedeutung haben, die Jefri halfen. Sie erklärte die Wenn und Aber, fuhr dann fort mit einer Beschreibung des Schiffs und der wunderbaren Dinge, die sie mitbringen würden. Der Junge schrieb für gewöhnlich nicht lange (außer wenn er Informationen von Stahl weitergab), doch er schien lange Briefe von ihr wirklich zu mögen.

Die Aus der Reihe II durchlief die letzten Funktionsproben. Der Ultraantrieb war rekonstruiert und getestet worden; die Skrodfahrer hatten das Schiff ein paar tausend Lichtjahre hinausgeflogen, um den Antennenschwarm zu überprüfen. Der Schwarm funktionierte auch großartig. Sie und Jefri würden den größten Teil der Reise hindurch miteinander sprechen können. Am Vortag war das Schiff mit Verbrauchsgütern verproviantiert worden. (Das klang wie aus einem mittelalterlichen Abenteuer. Aber man musste allerlei Vorräte mitnehmen, wenn man so tief hinab wollte, dass den Realitätskurven nicht zu trauen war.) Bald würden Grondrs Leute das Schiff mit Gerätschaften beladen, die bei einer Rettungsaktion wirklich zupass kommen konnten. Sollte sie die erwähnen? Manche davon hätten für Jefris Freunde vor Ort ein bisschen kränkend klingen können.

Am Abend hatten sie und die Skrodfahrer eine Strandparty. So nannten sie es, obwohl es viel mehr der menschlichen Version als der echten der Fahrer glich. Blaustiel und Grünmuschel waren nämlich vom Wasser weggerollt, dahin, wo der Sand warm und trocken lag. Ravna hatte auf Blaustiels Frachttuch Erfrischungen ausgebreitet. Sie saßen auf dem Sand und bewunderten den Sonnenuntergang.

Es war in erster Linie eine Feier — dass Ravna die Erlaubnis erhalten hatte, mit der ADR zu fliegen, dass das Schiff fast startbereit war. Doch Blaustiel fragte: »Sind Sie wirklich froh, dass Sie auf die Reise gehen, meine Dame? Wir beide werden sehr gutes Geld verdienen, aber Sie…«

Ravna lachte. »Ich werde einen Reisezuschlag bekommen.« Sie hatte immer wieder Argumente für ihre Mitreise vorgebracht; da war nicht viel Spielraum geblieben, als dass sie um die Bezahlung hätte feilschen können. »Und ja doch. Darum ging es mir eigentlich.«

»Ich bin so froh«, sagte Grünmuschel.

»Ich lache«, sagte Blaustiel. »Meine Partnerin ist besonders erfreut, dass unser Passagier nicht mürrisch sein wird. Wir haben unsere Zuneigung zu Zweibeinern fast verloren, nachdem wir mit diesen Frachtbeglaubigern unterwegs waren. Aber jetzt brauchen wir vor nichts Angst zu haben. Haben Sie in den letzten fünfzehn Stunden die Bedrohungen-Gruppe gelesen? Die PEST hat aufgehört zu wachsen, und ihre Ränder sind jetzt scharf umrissen. Die PERVERSION tritt in ihr mittleres Lebensalter ein. Von mir aus könnten wir sofort abfliegen.«

Blaustiel war voller Spekulationen über die ›Rudel‹ der Klauenwesen, auch voller Pläne, wie man Jefri und alle anderen Überlebenden dort herausholen sollte. Grünmuschel warf hie und da einen Gedanken ein. Sie war nicht mehr so scheu wie zuvor, wirkte aber immer noch weicher, zurückhaltender als ihr Partner. Und ihre Zuversicht war ein bisschen realistischer. Sie war froh, dass es bis zum Abflug noch eine Woche dauern würde. Die letzten Funktionstests mussten auf der ADR noch durchgeführt werden — und Grondr hatte die Org dahin gebracht, eine kleine Flotte von Schiffen zu finanzieren, die als Köder dienen sollten. Fünfzig waren bisher fertig. Ende der Woche würden hundert bereit sein.

Die Docks trieben in die Nacht hinein. Bei der niedrigen Atmosphäre war die Dämmerung kurz, doch die Farben waren sehenswert. Der Strand und die Bäume glänzten in den waagerechten Lichtstrahlen. Der Duft von Dämmerblumen vermischt mit dem scharfen Geruch von Seesalz. Am anderen Ufer des Meeres war alles scharf hell und dunkel, Silhouetten, die Launen der Vrinimi oder Dockausrüstungen sein mochten — Ravna hatte nie erfahren, welches von beiden. Die Sonne glitt hinters Meer. Orange und Rot breiteten sich über den Achterhorizont aus, überlagert von einem breiteren Band Grün, vermutlich ionisiertem Sauerstoff.

Die Fahrer wendeten ihre Skrods nicht, um besser sehen zu können — soviel sie wusste, hatten sie die ganze Zeit über in diese Richtung geblickt —, doch sie hörten auf zu sprechen. Während die Sonne unterging, ließen die Brecher sie in Tausende von Bildern zersplittern, Funken von Grün und Gelb inmitten der Gischt. Sie vermutete, die beiden wäre jetzt lieber draußen gewesen. Sie hatte sie oft genug gegen Sonnenuntergang gesehen, wie sie ausgerechnet da saßen, wo die Brandung am heftigsten war. Wenn das Wasser zurückwich, waren ihre Stiele und Wedel wie die Arme von Bittstellern emporgereckt. Zu Zeiten wie solchen konnte sie beinahe die Minderen Skrodfahrer verstehen; sie verbrachten ihr ganzes Leben mit der Erinnerung an solche wiederholten Augenblicke. Sie lächelte im grünlichen Zwielicht. Danach würde immer noch Zeit genug für Sorgen und Pläne sein.