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Aus irgendeinem Grunde glaubte Ravna nicht, dass das noch von Bedeutung wäre. »Gibt es Anzeichen für einen Angriff?«, fragte sie über die Schulter hinweg. Sie lehnte Phams Kopf nach hinten, um sicher zu sein, dass er Luft bekam.

Ungeordnetes Geraschel zwischen den Skrodfahrern. Grünmuscheclass="underline" »Etwas ist seltsam. Die Transceiver sind für die Benutzung gesperrt.« Also sendet der ALTE noch? »Das lokale Netz ist sehr verstopft. Viel Automatik, viele Angestellte, die zu Sondereinsätzen gerufen werden.«

Ravna blickte sich um. Der Himmel war nachtdunkel, mit ein paar Dutzend hellen Lichtern punktiert — Schiffen auf dem Weg zu den Docks. Alles sehr normal. Aber auch ihr eigenes Datio zeigte an, was Grünmuschel berichtete.

»Ravna, ich kann jetzt nicht reden.« Grondrs klackende Stimme erklang aus der Luft neben ihr. Das müsste sein Assistenzprogramm sein. »Der ALTE hat das meiste von Relais übernommen. Achten Sie auf den Abgesandten Apparat.« Ein bisschen spät das! »Wir haben den Kontakt zum Kontrollzaun jenseits der Transceiver verloren. Es gibt mehrere Programm- und Hardwareausfälle. Der ALTE behauptet, wir würden angegriffen.« Fünf Sekunden Pause. »Wir beobachten Hinweise auf Flottenaktionen an der inneren Verteidigungsgrenze.« Das war gerade mal ein halbes Lichtjahr weit draußen.

»Brap!« Das kam von Blaustiel. »An der inneren Verteidigungsgrenze! Wie konnten Sie ihre Annäherung übersehen?« Er rollte nervös vor und zurück, eins der Räder fest am Ort.

Grondrs Assistent ignorierte die Frage. »Mindestens dreitausend Schiffe. Zerstörung der Transceiver unmittel…«

»Ravna, sind die Skrodfahrer bei Ihnen?« Es war immer noch Grondrs Stimme, aber abgehackter, betroffener. Das war er selber.

»J-ja.«

»Das lokale Netz ist am Zusammenbrechen, die Lebenserhaltungssysteme auch. Die Docks werden fallen. Wir wären stärker als die angreifende Flotte, aber wir faulen von innen heraus… Relais stirbt.« Seine Stimme wurde schärfer und klapperte. »Aber Vrinimi wird nicht sterben, und ein Vertrag ist ein Vertrag! Sagen Sie den Fahrern, wir werden sie bezahlen… irgendwie, irgendwann. Wir verlangen… bitten inständig…, dass sie den vereinbarten Flug unternehmen. Ravna?«

»Ja. Sie hören.«

»Dann fliegt!« Und die Stimme war weg.

Blaustiel sagte: »Die ADR wird in zweihundert Sekunden hier sein.«

Pham Nuwen war ruhiger geworden, sein Atem ging leichter. Während die beiden Fahrer hin und her zwitscherten, schaute sich Ravna um — und plötzlich kam ihr zu Bewusstsein, dass all der Tod und die Zerstörungen aus weiter Entfernung gemeldet worden waren. Der Strand und der Himmel waren fast so friedvoll wie immer. Die letzten Strahlen der Sonne waren von den Wellen verschwunden. Die Gischt war ein trübes Band im niedrigen grünen Licht. Hier und da glühten gelbe Lichter in den Bäumen und weiter weg in den Türmen.

Doch der Alarm hatte sich offensichtlich ausgebreitet. Sie hörte, wie Datios in Gang kamen. Manche von den Strandfeuern verloschen, und die Gestalten rings um sie rannten zwischen die Bäume oder schwebten empor, hin zu weiter entfernten Büros. Jetzt stiegen Sternenschiffe von ihren Liegeplätzen jenseits des Meeres auf, fielen höher und höher, bis sie im versunkenen Sonnenlicht erglänzten.

Es war Relais’ letzter Augenblick des Friedens.

Ein Fleck glühender Finsternis breitete sich über den Himmel aus. Sie starrte offenen Mundes das Licht an, das derart verdreht war, dass man es nicht hätte sehen dürfen. Es schien eher in ihrem Hinterkopf als in ihren Augen. Später konnte sie sich nicht besinnen, wodurch es sich objektiv von Schwärze unterschieden hatte.

»Da ist noch einer!«, sagte Blaustiel. Diesmal nahe am Horizont der Docks, ein Klümpchen Dunkelheit von vielleicht einem Grad Durchmesser. Die Ränder verschwammen schwarz in Schwarz.

»Was ist das?« Ravna war kein Kriegsfan, aber sie hatte ihr Teil an Abenteuergeschichten gelesen. Sie wusste von Antimateriebomben und relativistischen kinetischen Energieschlägen. Von weitem waren solche Waffen helle Lichtflecken, manchmal ein vielfaches Flackern. Oder näher: ein Weltenknacker würde über dem Rund eines Planeten gleißen und den Globus selbst wie einen Tropfen Wasser versprühen, aber langsam, langsam. Das waren die Bilder, die ihre Lektüre ihr vermittelt hatten. Was sie jetzt sah, glich eher einem Sehfehler als einem Bild vom Krieg.

Die MÄCHTE mochten wissen, was die Skrodfahrer sahen, doch Blaustiel sagte: »Ihre Haupttransceiver… zerdampft, glaube ich.«

»Die sind Lichtjahre weit draußen! Wir können unmöglich sehen…« Ein weiterer Fleck erschien, nicht einmal in ihrem Gesichtsfeld. Die Farbe schwebte ohne bestimmten Ort. Pham Nuwen krampfte sich wieder zusammen, aber nur schwach. Es machte ihr keine Mühe, ihn ruhig zu halten, doch… Blut tropfte aus seinem Mund. Der Rücken seines Hemdes war feucht von etwas, das nach Fäulnis stank.

»Die ADR wird in hundert Sekunden hier sein. Eine Menge Zeit, wir haben eine Menge Zeit.« Blaustiel rollte um sie hin und her und sprach ihnen Mut zu, was nur bewies, wie nervös er war. »Ja, meine Dame, Lichtjahre weit draußen. Und es wird Jahre dauern, bis der Blitz von ihrer Vernichtung den Himmel erleuchten wird — wer immer dann hier noch leben mag, um es zu sehen. Aber nur ein Bruchteil der Zerdampfung erzeugt Licht. Der Rest ist eine Ultrawellen-Flut, so gewaltig, dass gewöhnliche Materie beeinflusst wird… Sehnerven, vom Überlauf gekitzelt… So sehr, dass Ihr eigenes Nervensystem zum Empfänger wird.« Er wirbelte herum. »Aber sorgen Sie sich nicht. Wir sind hart und schnell. Wir haben uns schon früher durch manche Klemme hindurchgezwängt.« Es hatte etwas Absurdes — ein Wesen ohne Kurzzeitgedächtnis, das mit seiner blitzschnellen Schläue prahlte. Sie hoffte nur, dass sein Skrod dem gerecht wurde.

Grünmuschels Stimme surrte schmerzhaft laut. »Da!«

Die Brandungslinie zog sich zurück, weiter, als sie es je gesehen hatte.

»Die See fällt!«, rief Grünmuschel. Der Rand des Wassers war hundert, zweihundert Meter zurückgewichen. Der grün gesäumte Horizont senkte sich.

»Das Schiff ist noch fünfzig Sekunden entfernt. Wir werden ihm entgegenfliegen. Kommt, Ravna!«

Ravnas Mut erstarb in dieser Sekunde. Grondr hatte gesagt, dass die Docks fallen würden! Der nähere Himmel war jetzt von Leuten übersät, die sich in Sicherheit bringen wollten. Hundert Meter weiter begann sich der Sand selbst zu verschieben, ein Erdrutsch, der sich dem Abgrund zuneigte. Sie erinnerte sich an etwas, das der ALTE gesagt hatte, und begriff plötzlich, dass die Flieger ein schrecklicher Fehler wären. »Nein! Nur höheres Terrain gewinnen!«

Die Nacht war nicht länger still. Ein Stöhnen wie von einer Glocke drang vom Meer her. Der Klang breitete sich aus. Die Brise des Sonnenuntergangs wurde stärker und neigte die Bäume zum Wasser hin, wirbelte Äste und Sand an ihnen vorbei.

Ravna kniete noch immer, die Hände auf Phams taube Arme gepresst. Kein Atem, kein Pulsschlag. Die Augen starrten blicklos. Das Geschenk des ALTEN für sie. Die MÄCHTE sollten alle verdammt sein! Sie fasste Pham Nuwen unter der Schulter und wälzte ihn sich auf den Rücken.

Sie schnappte nach Luft, verlor ihn fast aus dem Griff. Unter seinem Hemd fühlte sie Hohlräume, wo festes Fleisch hätte sein müssen. Etwas Nasses und Übelriechendes tropfte um ihre Seiten herab. Sie kämpfte sich von den Knien hoch, halb trug sie den Körper, halb zog sie ihn.

Blaustiel rief: »… Stunden dauern, um irgendwo hin zu rollen!« Er schwebte vom Boden auf und lenkte seinen Agrav gegen den Wind. Skrod und Fahrer taumelten für einen Moment trunken… und dann wurde er zu Boden zurückgeworfen, kollerte ohnmächtig auf das Ziel des Windes zu, zu dem stöhnenden Loch, das das Meer gewesen war. Grünmuschel eilte zum Meer hin und schnitt ihm den Weg ins Verderben ab. Blaustiel richtete sich auf, und die beiden rollten zurück zu Ravna. Die Stimme der Fahrer drang schwach durch den Wind: »… Agrav… versagt!« Und damit alles, was die Docks zusammenhielt.