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Gehend und rollend kämpften sie sich fort von der saugenden See. »Findet eine Stelle, wo die ADR landen kann.«

Die Baumgrenze war jetzt eine zerklüftete Hügelkette. Die Landschaft veränderte sich vor ihren Augen und unter ihren Füßen. Das stöhnende Geräusch war überall, mancherorts so laut, dass es durch Ravnas Schuhe hindurch surrte. Sie vermieden das absackende Terrain, die Senken, die sich ringsum auftaten. Die Nacht war nicht mehr dunkel. Ob es nun eine Notbeleuchtung oder eine Nebenwirkung des Agravausfalls war — Blau glomm entlang der Löcher. Durch diese Löcher hindurch sahen sie die wolkenbedeckte Nacht von DaUnten tausend Kilometer tiefer. Der Raum dazwischen war nicht leer. Es gab schimmernde Phantome: Milliarden Tonnen Wasser und Erde… und Hunderte von sterbenden Fliegern. Vrinimi Org zahlte den Preis dafür, dass sie ihre Docks auf Agravgewebe statt in einem Orbit gebaut hatten.

Irgendwie kamen die drei voran. Pham Nuwen war fast zu schwer, um ihn zu tragen und zu ziehen; sie strauchelte fast ebenso weit nach links und rechts, wie sie vorankam. Doch er war leichter, als sie geglaubt hätte. Und das war wiederum erschreckend: Versagte sogar das hohe Terrain?

Die meisten Agravs fielen durch Versagen aus, doch manche machten sich auf zerstörerische Weise selbständig: Klumpen von Bäumen und Erde, von den Hügelkuppen losgerissen und aufwärts beschleunigt. Der Wind drehte sich hin und her, auf und ab…, doch er war jetzt dünner, das Geräusch weiter entfernt. Die künstliche Atmosphäre, die die Docks überdeckte, würde bald verschwunden sein. Ravnas Taschenskaphander funktionierte ein paar Minuten lang, doch jetzt ließ er nach. In ein paar Minuten würde er so tot wie ihre Agravs sein… so tot wie sie selbst. Am Rande ihres Bewusstseins kam die Frage auf, wie die PEST das fertiggebracht hatte. Wie der ALTE würde Ravna wohl sterben, ohne es je zu erfahren.

Sie sah die Flammen von Raketentriebwerken; es waren Schiffe da. Die meisten waren in eine Umlaufbahn oder direkt auf Ultraantrieb gegangen, doch ein paar schwebten über der zerfallenden Landschaft. Blaustiel und Grünmuschel führten. Die beiden benutzten ihr drittes Achsenpaar auf eine Weise, mit der Ravna niemals gerechnet hätte, hoben und senkten es, um Steigungen zu erklimmen, mit denen sie unter der Last Phams auf dem Rücken kaum zurechtkam.

Sie waren auf einer Hügelkuppe, doch nicht lange. Das war ein Teil des Bürowaldes gewesen. Nun ragten die Bäume in unterschiedliche Richtungen, wie die Haare eines verwahrlosten Hundes. Sie spürte den Boden unter ihren Füßen beben. Was tun? Die Skrodfahrer rollten von einer Seite der Kuppe zur anderen. Sie würden hier gerettet werden, oder nirgends. Sie kniete sich hin und lagerte den größten Teil von Phams Gewicht auf den Boden. Von hier aus konnte man weit blicken. Die Docks sahen wie eine träge flappende Fahne aus, und jeder gewaltige Ausschlag des Stoffes brach Stücke heraus. Solange noch eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Agrav-Einheiten bestand, sah das Ganze noch halbwegs flach aus. Das verlor sich allmählich. Es gab Senken rings um ihr kleines Stückchen Wald. Am Horizont sah Ravna, wie der ferne Rand der Docks sich ablöste und langsam seitwärts kippte: hundert Kilometer lang und zehn breit, stieß er herab auf Schiffe, die zur Rettung hätten dienen können.

Blaustiel drängte gegen ihre linke Seite, Grünmuschel gegen die rechte. Ravna drehte sich und verlagerte etwas von Phams Gewicht auf die Skrodhüllen. Wenn sie alle vier ihre Skaphander zusammenlegten, würden sie ein paar Augenblicke länger bei Bewusstsein bleiben. »Die ADR: ich hol sie runter!«, sagte Blaustiel.

Etwas kam herab. Der Antriebsstrahl eines Schiffes tauchte den Boden in blauweißes Licht, warf scharfe und unruhige Schatten. Es ist nicht gesund, in der Nähe eines Raketentriebwerks zu sein, das sich in einem Schwerefeld von fast einem Ge in der Schwebe hält. Eine Stunde früher wäre das Manöver unmöglich oder, falls doch durchgeführt, ein Kapitalverbrechen gewesen. Jetzt spielte es keine Rolle, ob sich der Strahl durch die Docks brannte oder Frachtgut vom anderen Ende der Galaxis röstete.

Dennoch… wo konnte Blaustiel das Ding landen lassen? Sie waren von Senken und wandernden Klippen umringt. Sie schloss die Augen, als sich das brennende Licht vor ihnen niedersenkte… und dann schwächer wurde. Blaustiels Ruf kam dünn durch ihre gemeinsame Atmosphäre: »Wir gehen zusammen!«

Sie hielt sich dicht bei den Fahrern, und sie krochen/rollten ihren kleinen Hügel hinab. Die Aus der Reihe II schwebte in der Mitte einer bodenlosen Senke. Ihr Antriebsstrahl war nicht zu sehen, doch der gleißend helle Widerschein von den Seiten des Loches zeichnete scharf die Silhouette des Schiffs, verwandelte die Dorne des Ultraantriebs in flaumige weiße Bögen. Ein Riesenfalter mit glühenden Flügeln… und ganz knapp außer Reichweite.

Wenn ihre Skaphander durchhielten, konnten sie es bis zum Rand des Loches schaffen. Was dann? Die Dorne hinderten das Schiff daran, näher als bis auf hundert Meter heranzukommen. Ein gut trainierter (und verrückter) Mensch hätte versuchen können, sich an einen Dorn zu klammern und auf ihm hinab zu kriechen.

Doch Skrodfahrer hatten ihre eigene Art von Verrücktheit: Gerade als das Licht — der Widerschein — nicht mehr auszuhalten war, erlosch der Antriebsstrahl. Die ADR fiel durch das Loch. Das ließ die Fahrer nicht innehalten. »Schneller!«, sagte Blaustiel. Und nun erriet sie, was die beiden vorhatten. Sehr schnell für solch ein ungefüges Wirrwarr von Gliedern und Rädern bewegten sie sich auf den Rand des dunkel gewordenen Loches zu. Ravna spürte, wie das Erdreich unter ihren Füßen nachgab, und dann fielen sie.

Die Docks waren Hunderte — stellenweise Tausende — von Metern dick. Sie fielen jetzt an ihnen vorbei, vorüber an trüben unheimlichen Blitzen innerer Zerstörung.

Dann waren sie durch, und sie fielen immer noch. Für einen Moment war das Gefühl wilder Panik weg. Schließlich war das einfach freier Fall, eine ganz gewöhnliche Sache und ein verdammtes Stück friedlicher als die zerfallenden Docks. Jetzt war es leicht, sich an die Fahrer und Pham Nuwen zu halten, und selbst ihre gemeinsame Atmosphäre erschien etwas dichter als zuvor. Hochvakuum und freier Fall hatten etwas für sich. Abgesehen von vereinzelten wildgewordenen Agravs fiel alles mit derselben Beschleunigung, Ruinen, die sich friedlich setzten. Und in vier, fünf Minuten würden sie auf die Atmosphäre von DaUnten auftreffen und dabei noch immer fast senkrecht abwärts fallen… Eintrittsgeschwindigkeit nur drei oder vier Kilometer pro Sekunde. Würden sie verbrennen? Vielleicht. Über den Wolkendecken blitzte es hier und da hell auf.

Der Müll rings um sie war größtenteils dunkel, nur Schatten vor dem Himmelsspektakel über ihnen. Doch die Gestalt direkt unter ihnen war groß und regelmäßig… die ADR, Bug oben! Das Schiff fiel mit ihnen. Alle paar Sekunden flammte eine Steuerdüse auf, ein schwaches rötliches Glühen. Das Schiff näherte sich ihnen. Wenn es eine Bugluke hatte, würden sie direkt darauf landen.

Seine Rendezvousleuchten flammten auf und tauchten sie in helles Licht. Zehn Meter Abstand. Fünf. Es hatte eine Luke, und sie war offen! Drinnen konnte sie eine ganz gewöhnliche Luftschleuse sehen…

Was immer sie traf, es war groß. Ravna sah eine undeutliche Masse von Plastik über ihrer Schulter auftauchen. Das wildgewordene Stück drehte sich langsam, und es berührte sie kaum — doch das reichte. Pham Nuwen wurde ihrem Griff entrissen. Sein Körper verlor sich im Schatten, leuchtete dann plötzlich hell auf, als ihn der Scheinwerfer des Schiffs verfolgte. Gleichzeitig strömte die Luft aus Ravnas Lungen. Sie hatten jetzt nur noch drei Taschendruckfelder, die am Versagen waren; das genügte nicht. Ravna spürte, wie ihr das Bewusstsein entglitt und ihr Blick sich einengte. So nahe.