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Die Fahrer lösten sich voneinander. Sie langte nach den Skrodhüllen, und sie trieben ausgestreckt über der Schiffsluke. Blaustiels Skrod prallte gegen sie, als er auf die Luke zueilte. Der Ruck riss sie herum und schleuderte Grünmuschel nach oben. Allmählich fühlte sie sich wie im Traum. Wo blieb die Panik, wenn man sie brauchte? Festhalten, festhalten, festhalten, sang das Stimmchen, alles, was vom Bewusstsein übrig war. Stoß, Ruck. Die Fahrer schoben und zogen an ihr. Oder vielleicht war es das Schiff, das sie alle herumschleuderte. Sie waren Puppen, die an einem einzigen Faden tanzten.

… Tief im engen Schacht ihres Blickfeldes langte ein Fahrer nach der taumelnden Gestalt von Pham Nuwen.

Ravna konnte sich nicht entsinnen, das Bewusstsein verloren zu haben, doch das nächste, was sie wahrnahm, war, dass sie Luft atmete, Erbrochenes heraushustete — und dass sie in einer Luftschleuse war. Feste grüne Wände umgaben sie trostreich. Pham Nuwen lag an der Wand gegenüber, in einen Erste-Hilfe-Kanister geschnallt. Sein Gesicht hatte einen bläulichen Ton.

Sie schleppte sich unbeholfen durch die Schleuse zu Pham Nuwens Wand. Der Ort war ein wirres Durcheinander, anders als die Passagier- und Sportschiffe, die sie bisher gesehen hatte. Außerdem war es eine Fahrer-Konstruktion. Flecken von Haftbelag waren rings an den Wänden verstreut; Grünmuschel hatte ihren Skrod auf eine Ansammlung davon gesetzt.

Sie beschleunigten, vielleicht mit einem zwanzigstel Ge. »Wir fallen immer noch?«

»Ja. Wenn wir anhalten oder aufsteigen, kollidieren wir« — mit all dem Müll, der immer noch herabregnet. »Blaustiel versucht, uns hinauszufliegen.« Sie fielen zusammen mit dem Rest, versuchten aber, seitlich darunter hervorzukommen — ehe sie auf DaUnten trafen. Ab und zu rasselte oder klirrte etwas gegen den Schiffsrumpf. Manchmal ließ die Beschleunigung nach oder änderte die Richtung. Blaustiel wich aktiv den großen Brocken aus.

Nicht hundertprozentig mit Erfolg. Es gab ein langes, schurrendes Geräusch, das mit einem lauten Knall endete, und der Raum drehte sich langsam um sie. »Brrap! Wir haben gerade einen Antriebsdorn verloren«, erklang Blaustiels Stimme. »Zwei weitere sind beschädigt. Schnallen Sie sich bitte an, meine Dame.«

Hundert Sekunden später berührten sie die Atmosphäre. Das Geräusch war ein kaum wahrnehmbares Summen jenseits des Schiffsrumpfes. Für ein Schiff wie dieses war es der Klang des Todes. Es konnte ebenso wenig aerodynamisch bremsen, wie ein Hund über den Mond springen kann. Das Geräusch wurde lauter. Blaustiel tauchte richtig, um den Müll abzuschütteln, der das Schiff umgab. Zwei weitere Dorne brachen. Dann kam eine lange Welle von Beschleunigung entlang der Hauptachse. Die Aus der Reihe II flog unter dem Todesschatten der Docks hervor, weiter und weiter hinaus in eine Umlaufbahn.

Ravna schaute über Blaustiels Wedel hinweg auf den Außenbildschirm. Sie hatten soeben die Tag-Nacht-Grenze von DaUnten überflogen und waren in einer Umlaufbahn. Sie befanden sich wieder im freien Fall, doch diese Flugbahn krümmte sich in sich selbst, ohne auf harte Dinge zu stoßen — wie etwa DaUnten.

Ravna wusste nicht viel mehr über Raumfahrt, als man von einem gelegentlichen Passagier und einem Liebhaber von Abenteuergeschichten erwarten kann. Doch es war offensichtlich, dass Blaustiel beinahe ein Wunder vollbracht hatte. Als sie ihm zu danken versuchte, rollte der Fahrer über die Haftflecken hin und her und surrte dabei leise in sich hinein. Verlegen? Oder nur auf Art der Fahrer unaufmerksam?

Grünmuschel sagte, und es klang ein bisschen schüchtern, ein bisschen stolz: »Fernhandel ist unser Leben, wissen Sie. Wenn wir vorsichtig sind, ist das Leben größtenteils sicher und friedlich, aber es gibt Momente, wo es eng wird. Blaustiel übt die ganze Zeit und programmiert seinen Skrod mit jedem Trick, der ihm nur in den Sinn kommt. Er ist ein Meister.« Im Alltag schien Entschlussschwäche die Fahrer zu beherrschen. Doch wenn es hart auf hart ging, zögerten sie nicht, alles aufs Spiel zu setzen. Sie fragte sich, wie viel davon auf das Konto des Skrods ging, der sich über seinen Fahrer hinwegsetzte.

»Umpf«, sagte Blaustiel. »Ich habe die heikle Stelle einfach hinausgeschoben. Mir sind etliche von unseren Antriebsdornen zerbrochen. Was, wenn sie sich nicht selbst reparieren? Was fangen wir dann an? Alles rings um DaUnten ist zerstört. Bis auf eine Entfernung von hundert Radien ist überall Müll. Nicht dicht wie bei den Docks, aber mit viel höherer Geschwindigkeit.« Man konnte nicht Milliarden Tonnen Trümmer wie Schrot in Umlaufbahnen schießen und mit sicherem Flug rechnen. »Und jeden Moment werden die Kreaturen der PERVERSION hier sein und jeden erledigen, der überlebt hat.«

»Ark.« Grünmuschels Ranken erstarrten in komischer Unordnung. Eine Sekunde lang zwitscherte sie mit sich selbst. »Du hast Recht…, ich hatte es vergessen. Ich dachte, wir hätten freien Raum gewonnen, doch…«

Freien Raum schon, aber auf einem Schießstand. Ravna blickte zurück zu den Bildschirmen des Steuerdecks. Sie waren jetzt auf der Tagseite, vielleicht fünfhundert Kilometer über dem Hauptozean von DaUnten. Der Raum über dem dunstigen blauen Horizont war frei von Blitzen und Glühen. »Ich sehe keinerlei Kampfaktionen«, sagte Ravna hoffnungsvoll.

»Entschuldigung.« Blaustiel schaltete den Bildschirm auf eine aussagekräftigere Anzeige um. Das meiste davon betraf die Navigation und die Ultradetektoren, was für Ravna nichts bedeutete. Ihr Blick blieb an einer Medstat-Meldung hängen: Pham Nuwen atmete wieder. Der automatische Arzt des Schiffes glaubte ihn retten zu können. Aber es gab auch ein Fenster mit dem Kommunikationsstatus; in ihm wurde der Angriff entsetzlich deutlich. Das lokale Netz war in Hunderte kreischender Fragmente zerbrochen. Von der Planetenoberfläche kamen nur Automatenstimmen, und sie riefen nach medizinischer Hilfe. Grondr war dort unten gewesen. Irgendwie vermutete sie, dass nicht einmal seine Einsatzleute von Marketing überlebt hatten. Was immer DaUnten getroffen hatte, war noch tödlicher als die Ausfälle bei den Docks gewesen. Im nahen planetaren Raum gab es ein paar Überlebende in Schiffen und Bruchstücken von Habitaten, die meisten auf einer Flugbahn in den Untergang. Ohne massive und koordinierte Hilfe würden sie binnen Minuten tot sein — weiter draußen binnen Stunden. Die Direktoren der Vrinimi-Org lebten nicht mehr, vernichtet, ehe sie jemals begriffen, was eigentlich vorging.

Fliegt, hatte Grondr gesagt, fliegt.

Außerhalb des Planetensystems gab es Kämpfe. Ravna sah, dass Meldungen zwischen Verteidigungseinheiten der Vrinimi ausgetauscht wurden. Selbst ohne Kontrolle oder Koordination leisteten einige noch der Flotte der PERVERSION Widerstand. Das Licht ihrer Schlachten würde erst nach der Niederlage hier eintreffen, erst nachdem der Feind in eigener Person hier erschien. Wie viel Zeit bleibt uns? Minuten?

»Brrap. Seht euch diese Spuren an«, sagte Blaustiel. »Die PERVERSION hat fast viertausend Schiffe. Sie umgehen die Verteidiger.«

»Aber jetzt ist da draußen kaum noch jemand übrig«, sagte Grünmuschel. »Ich hoffe, sie sind nicht alle tot.«

»Nicht alle. Ich sehe etliche tausend Schiffe wegfliegen, jedermann, der die Mittel dazu und eine Spur von Vernunft hat.« Blaustiel rollte hin und her. »Leider haben wir die Vernunft — aber schaut euch diesen Reparaturbericht an.« Ein Fenster weitete sich, angefüllt mit bunten Mustern, die für Ravna nicht die Bohne bedeuteten. »Zwei Dorne immer noch defekt, irreparabel. Drei teilweise repariert. Wenn sie nicht heilen, sitzen wir hier fest. Das ist unannehmbar!« Seine Voderstimme surrte schrill auf. Grünmuschel fuhr an ihn heran, und sie berührten sich rasselnd mit den Wedeln.