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»Beklagen?« Die Köpfe von Aufgeblasenem Clown gingen im Wechsel auf und ab. Derlei auf mehrere Glieder verteilte Gesten schienen dem Gesichtsausdruck zu entsprechen, obwohl Johanna viele davon noch nicht entschlüsselt hatte. Diese hier bedeutete Verlegenheit. »Ich beklage mich nicht. Du hilfst uns, ich weiß. Aber, aber…« Jetzt liefen drei von seinen Gliedern umher. »Es ist einfach so, dass ich mehr sehe als die meisten Leute, vielleicht ein wenig auf die Art, wie es Holzschnitzerin in alter Zeit getan hat. Ich bin ein…- ich habe dein Wort dafür gesehen —, ein ›Dilettant‹ . Du weißt, jemand, der alles studiert und zu allem begabt ist. Ich bin erst dreißig Jahre alt, aber ich habe fast jedes Buch auf der Welt gelesen, und« — seine Köpfe senkten sich, vielleicht vor Schüchternheit? — »ich habe sogar vor, eins zu schreiben, vielleicht die wahre Geschichte deines Abenteuers.«

Johanna stellte fest, dass sie lächeln musste. Meistens sah sie in den Klauenwesen barbarische Fremdlinge, unmenschlich im Geiste wie in der Gestalt. Doch wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich Schreiber fast als einen Straumer vorstellen. Mutti hatte ein paar Freunde gehabt, die genauso dümmlich und von sich eingenommen waren wie dieser hier, Männer und Frauen mit hundert grandiosen Projekten, aus denen niemals etwas werden würde. Daheim auf Straum waren sie lästige Langweiler gewesen, denen sie aus dem Weg ging. Jetzt… nun ja, Schreibers Dummheit war fast, als wäre sie wieder daheim.

»Du bist hier, um mich für dein Buch zu studieren?«

Wieder Kopfnicken im Wechsel. »Hm, ja. Und außerdem wollte ich mit dir über meine anderen Pläne reden. Ich bin immer eine Art Erfinder gewesen, weißt du. Ich weiß, dass das jetzt nicht mehr viel zu bedeuten hat. Alles, was erfunden werden kann, scheint schon im Datio zu sein. Ich habe viele von meinen besten Ideen dort gesehen.« Er seufzte, oder er ahmte das Geräusch des Seufzens nach. Er imitierte jetzt eine von den populärwissenschaftlichen Stimmen im Datio. Klänge fielen den Klauenwesen kinderleicht; es konnte verdammt verwirrend sein.

»Jedenfalls fragte ich mich eben, wie man einige von diesen Ideen verbessern könnte…« Vier von Schreibers Gliedern machten es sich auf der Bank bei der Feuergrube bequem, es sah aus, als richte er sich auf ein langes Gespräch ein. Seine beiden anderen kamen um die Grube herum, um ihr einen Stapel Papier zu geben, der von Messingringen zusammengehalten wurde. Während einer auf der anderen Seite weitersprach, blätterten die beiden sorgfältig die Seiten um und zeigten, wohin sie schauen sollte.

Er hatte in der Tat eine Menge Einfälle: Vögel, die an Leinen fliegende Boote trugen, riesige Linsen, die das Sonnenlicht auf Feinde bündeln und sie in Brand setzen sollten. Einige Bilder erweckten den Anschein, als glaube er, dass sich die Atmosphäre bis jenseits des Mondes erstrecke. Schreiber erklärte jeden Einfall ermüdend ausführlich, zeigte dabei auf die Zeichnungen und tätschelte ihr begeistert die Hände. »Du siehst also die Möglichkeiten? Mein einzigartiger Blickwinkel, kombiniert mit den bewährten Erfindungen im Datio. Weißt du, wohin das führen könnte?«

Johanna kicherte, von der Vorstellung überwältigt, wie Schreibers Riesenvögel kilometergroße Linsen zum Mond trugen. Er schien das Geräusch für Zustimmung zu nehmen.

»Ja! Es ist genial, was? Meine neueste Idee, ohne das Datio wäre ich nie drauf gekommen. Dieses ›Radio‹ , es sendet Töne sehr weit und schnell, ja? Warum sollte man es nicht mit der Kraft unserer Gedanken verbinden? Ein Rudel könnte als Ganzes denken, sogar wenn es über… hm… Hunderte von Kilometern verteilt wäre.«

Das ergab ja beinahe Sinn! Wenn die Herstellung von Schießpulver aber Monate dauerte, obwohl die exakte Formel bekannt war — wie viele Jahrzehnte würde es dauern, ehe die Rudel Radio hätten? Schreiber war ein Springquell halbgarer Ideen. Sie ließ sich von seinen Worten mehr als eine Stunde lang berieseln. Es war Unsinn, aber weniger fremdartig als das meiste, was sie das letzte Jahr durchgemacht hatte.

Schließlich schien er sich verausgabt zu haben; er machte längere Pausen und fragte sie öfter nach ihrer Meinung. Zum Schluss sagte er: »Na, das hat sicherlich Spaß gemacht, ja?«

»Hm, ja, faszinierend.«

»Ich habe gewusst, dass es dir gefallen würde. Du bist genau wie meine Leute, wirklich. Du bist überhaupt nicht wütend, nicht die ganze Zeit…«

»Was soll denn das heißen?« Johanna stieß eine weiche Schnauze beiseite und stand auf. Das Hundewesen rutschte auf seinen Hinterkeulen zurück, um zu ihr aufzusehen.

»Ich, also…, du hast viel zu hassen, ich weiß. Aber du scheinst die ganze Zeit auf uns so wütend zu sein, und dabei sind wir es, die dir zu helfen versuchen! Nach der Tagesarbeit bleibst du hier, du willst nicht mit den Leuten reden — obwohl ich jetzt sehe, dass es unser Fehler war. Du wolltest, dass wir zu dir kommen, und warst nur zu stolz, es zu sagen. Ich habe diese Fähigkeit, in den Charakter zu sehen, weißt du. Mein Freund, der, den du Narbenhintern nennst, er ist wirklich ein guter Kerl. Ich weiß, dass ich dir das ehrlich sagen kann und dass du es jetzt, wo wir Freunde sind, glauben wirst. Er würde dich auch sehr gern besuchen kommen… Och.«

Johanna ging langsam um die Feuergrube und zwang die beiden Glieder, vor ihr zurückzuweichen. Der ganze Schreiber schaute sie jetzt an, die Hälse übereinander gebogen, die Augen weit offen.

»Ich bin nicht wie ihr. Ich brauche es nicht, euer Gerede oder eure idiotischen Ideen.« Sie warf Schreibers Notizbuch in die Grube. Schreiber sprang an den Rand des Feuers und langte verzweifelt nach den brennenden Seiten. Er fischte die meisten heraus und presste sie an seine Brüste.

Johanna ging weiter auf ihn zu und stieß mit den Füßen nach seinen Beinen. Schreiber wich zurück, rückwärts und an den Boden gepresst. »Blöde, dreckige Metzger. Ich bin nicht wie ihr.« Sie schlug mit der Hand gegen einen Deckenbalken. »Menschen leben nicht gern wie Tiere. Wir adoptieren keine Mörder. Sag das Narbenhintern, sag es ihm. Wenn er jemals vorbeikommt auf einen freundschaftlichen Plausch, dann, dann schlage ich ihm den Kopf ein, alle schlage ich ihm ein!«

Schreiber stand jetzt mit den Rücken zur Wand. Seine Köpfe wandten sich wild hin und her. Er machte eine Menge Geräusche. Manches davon war Samnorsk, aber in zu hoher Tonlage, als dass man es hätte verstehen können. Eins von seinen Mäulern fand den Türknauf. Er zog die Tür auf, und alle seine sechs Glieder stürzten ins Zwielicht hinaus, ohne an die Regenjacken zu denken.

Johanna kniete sich hin und steckte den Kopf durch die Tür. Die Luft war vom Winde getriebener Nebel. Augenblicklich war ihr Gesicht so kalt und nass, dass sie die Tränen nicht fühlte. Schreiber war sechs Schatten im dunkler werdenden Grau, Schatten, die den Hang hinabliefen, mitunter vor Eile stolpernd. Eine Sekunde später war er fort. Es gab nichts als die unscharfen Formen der nächsten Hütten und das gelbe Licht, das um sie herum vom Feuer her nach draußen fiel.

Seltsam. Gleich nach dem Überfall hatte sie Entsetzen gefühlt. Die Klauenwesen waren unaufhaltsame Mörder gewesen. Dann auf dem Boot, als sie Narbenhintern den Schlag versetzt hatte… es war so wunderbar gewesen: Das ganze Rudel war zusammengebrochen, und plötzlich hatte sie gewusst, dass sie sich wehren, dass sie ihnen die Knochen brechen konnte. Sie musste ihnen nicht ausgeliefert sein… Heute Abend hatte sie noch etwas gelernt. Selbst ohne sie zu berühren, konnte sie ihnen weh tun. Manchen jedenfalls. Ihre bloße Abneigung hatte den Aufgeblasenen Clown vernichtet.