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Wanderer führte sie zu einer Seitenstraße. Der Ort war gerammelt voll, Fremde kamen einander bis auf sieben oder acht Ellen nahe. An den Ständen der Schreibwarenhändler war es noch schlimmer. Die Trennwände aus Filz waren nicht allzu dick, und in Holzschnitzerheim schien das Interesse an Literatur größer zu sein als an jedem Ort, wo Schreiber jemals gewesen war. Er konnte sich selbst kaum denken hören, während er mit dem Händler feilschte. Der Kaufmann saß auf einer erhöhten Plattform mit dicker Polsterung; ihm machte der Lärm nicht viel aus. Schreiber hielt die Köpfe dicht beieinander und konzentrierte sich auf die Preise und die Ware. Von seinem früheren Leben her war er in derlei Dingen ziemlich gut.

Schließlich bekam er sein Papier, und zu einem anständigen Preis.

»Lass uns übers Rudelwohl zurückgehen«, sagte er. Das war der lange Weg, mitten durch den Markt. Wenn er guter Laune war, fühlte sich Schreiber in der Menge wohl; er beobachtete gern die Leute. Holzschnitzerheim war nicht so kosmopolitisch wie manche Städte an den Langen Seen, doch es gab Händler von überall her. Er sah etliche Rudel, die die Mützen eines tropischen Großkollektivs trugen. An einer Kreuzung schwatzte ein Rotjack aus Osthausen gemütlich mit einem Werkmeister.

Wenn Rudel einander so nahe kamen, und in solchen Mengen, schien die Welt am Rande eines Chors zu taumeln. Jede Person hielt sich dicht beisammen und versuchte, die eigenen Gedanken zu bewahren. Man konnte kaum gehen, ohne über die eigenen Füße zu stolpern. Und manchmal kam es vor, dass die Hintergrundgedanken anschwollen, für einen Moment, in dem mehrere Rudel irgendwie synchron waren. Das Bewusstsein wogte, und einen Augenblick lang war man eins mit vielen, ein Superrudel, das hätte ein Gott sein können. Yaqueramaphan erschauderte. Das war es im Grunde, was die Tropen so anziehend machte. Die Mengen dort waren Meuten, große Gruppenpersönlichkeiten, so stumpfsinnig wie ekstatisch. Wenn die Geschichten stimmten, waren manche Städte im Süden endlose Orgien.

Sie waren fast eine Stunde lang über den Marktplatz geschlendert, als es ihn traf. Schreiber schüttelte abrupt die Köpfe. Er drehte sich um und ging dicht gedrängt im Gleichschritt vom Rudelwohl herunter und in eine Seitenstraße. Wanderer folgte ihm. »Ist dir die Menge zu viel?«, fragte er.

»Ich hatte gerade eine Idee«, erwiderte Schreiber. Das war nicht ungewöhnlich in einer dichten Menge, doch es war eine sehr interessante Idee gewesen… Einige Minuten lang sagte er weiter nichts. Die Seitenstraße stieg steil an, dann verlief sie im Zickzack über den Burgberg. An der oberen Straßenseite reihten sich Bürgerhäuser. Auf der Hafenseite blickten sie über die steilen Ziegeldächer der Häuser eine Kehre tiefer. Es waren geräumige Häuser, elegant mit Rosenzeichnung verziert. Nur wenige hatten Läden zur Straße hin.

Schreiber verlangsamte den Schritt und breitete sich weit genug aus, um sich nicht selbst auf die Füße zu treten. Er sah nun, dass sein Versuch, zu Johannas Wissen schöpferisches Expertentum beizutragen, ziemlich falsch gewesen war. Es standen einfach zu viele Erfindungen im Datio. Dennoch brauchten sie ihn, Johanna mehr als alle anderen. Das Problem war nur, dass sie es noch nicht wussten. Schließlich sagte er zu Wanderer: »Hast du dich noch nicht gewundert, dass die Flenseristen die Stadt nicht angreifen? Wir beiden haben die Gebieter der Verborgenen Insel mehr als jemals jemand zuvor blamiert. Wir verfügen über die Schlüssel zu ihrer totalen Niederlage.« Johanna und das Datio.

Wanderer zögerte. »Hmm. Ich dachte, ihre Armee wäre dazu nicht imstande. Ich denke, wenn sie könnten, hätten sie Holzschnitzerheim schon längst erledigt.«

»Vielleicht konnten sie es, aber nur unter großen Verlusten. Jetzt lohnt sich der Einsatz für sie.« Er warf Wanderer einen ernsten Blick zu. »Nein, ich glaube, es gibt einen anderen Grund… Sie haben das fliegende Haus, aber keine Ahnung, wie man es benutzt. Sie wollen Johanna lebendig wiederhaben — fast ebenso sehr, wie sie uns alle umbringen wollen.«

Wanderer stieß einen bitteren Laut aus. »Wenn Stahl nicht so scharf darauf gewesen wäre, alles mit zwei Beinen abzuschlachten, hätte er jede Menge Hilfe haben können.«

»Gewiss, und die Flenseristen müssen das wissen. Ich wette, sie hatten schon immer Spione unter den Stadtleuten hier, doch jetzt mehr als je zuvor. Hast du all die Rudel aus Osthausen gesehen?« Osthausen war eine Brutstätte flenseristischer Einstellungen. Sogar vor der Bewegung waren sie schon ein hartes Volk gewesen, das regelmäßig Welpen opferte, die ihren Zuchtvorschriften nicht entsprachen.

»Zumindest einen. Er sprach mit einem Werkmeister.«

»Richtig. Wer weiß, wer alles hereinkommt, als Rudel für besondere Aufgaben getarnt? Ich würde mein Leben wetten, dass sie vorhaben, Johanna zu entführen. Wenn sie ahnen, welche Pläne wir mit ihr haben, versuchen sie vielleicht einfach, sie umzubringen. Siehst du es nicht? Wir müssen Holzschnitzerin und Feilonius warnen, das Volk organisieren, dass es nach Spionen Ausschau hält.«

»Das alles ist dir bei dem einen Spaziergang über das Rudelwohl zu Bewusstsein gekommen?« In Wanderers Stimme klang Verwunderung oder Unglaube, Schreiber vermochte nicht zu sagen, welches von beiden.

»Nun ja, hm, nein. Die Erleuchtung war nicht so direkt. Aber es ist zu erwägen, meinst du nicht?«

Sie gingen ein paar Minuten lang schweigend weiter. Hier oben war der Wind kräftiger und die Aussicht beeindruckender. Wo nicht das Meer lag, erstreckte sich endlos grau und grün der Wald. Alles war sehr friedlich…, denn dies war ein lautloses Spiel. Zum Glück hatte Schreiber ein Talent für solche Spiele. War es schließlich nicht die Politische Polizei der Republik selbst gewesen, die ihn mit der Beobachtung der Verborgenen Insel beauftragt hatte? Es hatte ihn etliche Zehntage geduldiger Überzeugungsarbeit gekostet, doch zum Schluss waren sie begeistert gewesen. Was immer du herausfindest, werden wir sehr gern in Betracht ziehen. Das waren exakt ihre Worte gewesen.

Wanderer ging murmelnd weiter, anscheinend sehr überrascht von Schreibers Vorschlag. Endlich sagte er: »Ich glaube, da ist… etwas, das du wissen solltest, was absolut geheim bleiben muss.«

»Meiner Seel! Wanderer, ich plaudere keine Geheimnisse aus.« Schreiber war ein wenig gekränkt — von dem Mangel an Vertrauen, und auch, weil der andere womöglich etwas entdeckt hatte, das ihm entgangen war. Letzteres sollte ihn nicht bekümmern. Er hatte geahnt, dass Wanderer und Holzschnitzerin etwas miteinander hatten. Wer weiß, was sie ihm anvertraut hatte oder was zu ihm durchgesickert sein mochte.

»In Ordnung… Du bist auf etwas gestoßen, das nicht laut werden darf. Du weißt, dass Feilonius für Holzschnitzerins Sicherheitsdienst zuständig ist.«

»Natürlich.« Das gehörte zum Amt des Reichskämmerers. »Und angesichts der vielen Außenseiter, die hier herumlaufen, kann ich nicht sagen, dass er seine Arbeit besonders gut macht.«

»In Wirklichkeit macht er seine Arbeit wunderbar wirkungsvoll. Feilonius hat Agenten direkt an der Spitze der Verborgenen Insel — einen Schritt von Fürst Stahl selbst entfernt.«