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Schreiber spürte, wie er große Augen bekam.

»Ja, du verstehst, was das bedeutet. Durch Feilonius kennt Holzschnitzerin mit Gewissheit alle Pläne des Hohen Rates der Flenseristen. Mit schlauer Desinformation kann er die Flenseristen wie Froschhennen bei einer Ausdünnung herumführen. Nach Johanna selbst ist das vielleicht Holzschnitzerins größter Vorteil.«

»Ich…« Ich hatte keine Ahnung. »Der unfähige örtliche Sicherheitsdienst ist also nur Tarnung.«

»Nicht ganz. Er soll solide und intelligent aussehen, aber mit genug ausnutzbaren Schwachstellen, dass die Bewegung einen frontalen Angriff zugunsten von Spionage verschiebt.« Er lächelte. »Ich glaube, Feilonius wird sehr überrascht sein, wenn er deine Kritik hört.«

Schreiber lachte schwach. Er war geschmeichelt und verdutzt zugleich. Feilonius musste als der größte Spionagechef des Jahrhunderts gelten — doch er, Schreiber Yaqueramaphan, hatte ihn beinahe durchschaut. Schreiber war den größten Teil des Rückwegs zur Burg still, doch sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Wanderer hatte mehr als Recht, Geheimhaltung war lebensnotwendig. Unnötige Erörterungen — sogar zwischen alten Freunden — mussten vermieden werden. Ja! Er würde seine Dienste Feilonius anbieten. In seiner neuen Rolle müsste er vielleicht im Hintergrund bleiben, doch dabei konnte er den größten Beitrag leisten. Und irgendwann würde sogar Johanna sehen, wie nützlich er sein konnte.

Hinab in den Brunnen der Nacht. Sogar wenn Ravna nicht zu den Bildschirmfenstern hinausschaute, stand ihr dieses Bild vor Augen. Relais lag weit entfernt von der Scheibe der Galaxis. Die ADR flog zu dieser Scheibe hinab — und in immer langsamere Gebiete.

Aber sie waren entkommen. Die ADR war beschädigt, doch sie hatten Relais mit fast fünfzig Lichtjahren pro Stunde verlassen. Jede Stunde waren sie tiefer im Jenseits, und die Rechenzeit für die Mikrosprünge nahm zu, ihre Pseudogeschwindigkeit sank. Nichtsdestoweniger kamen sie voran. Sie befanden sich jetzt tief im Mittleren Jenseits. Es gab keine Anzeichen einer Verfolgung, Gott sei Dank. Was immer die PEST nach Relais gebracht hatte, es war kein spezifisches Wissen um die ADR gewesen.

Hoffnung. Ravna fühlte sie in sich wachsen. Die Med-Automaten des Schiffes behaupteten, Pham Nuwen sei zu retten, es bestehe Hirnaktivität. Die schrecklichen Wunden in seinem Rücken waren Implantate des ALTEN gewesen, organische Maschinerie, die einen direkten Kontakt zwischen Pham und dem Netz von Relais hergestellt hatte — und somit mit der MACHT darüber. Und als diese MACHT starb, war diese Ausrüstung in Pham irgendwie rasch verfallen und verwest. Die Person Pham müsste also noch existieren. Bitte, lasst ihn noch existieren. Der Arzt meinte, es würde drei Tage dauern, ehe sein Rücken weit genug verheilt war, dass man eine Wiederbelebung versuchen konnte.

In der Zwischenzeit… erfuhr Ravna mehr über die Apokalypse, die über sie hinweggerollt war. Alle zwanzig Stunden ließen Grünmuschel und Blaustiel das Schiff ein paar Lichtjahre seitlich in einen Hauptkanal des Bekannten Netzes ausscheren, um die Nachrichten aufzunehmen. Auf Reisen von mehr als ein paar Tagen war das eine übliche Verfahrensweise, eine leichte Methode für Händler und Reisende, über Ereignisse auf dem Laufenden zu bleiben, die ihren Erfolg am Ziel der Reise beeinflussen konnten.

Den Nachrichten zufolge (das heißt nach der großen Mehrheit der geäußerten Ansichten) war Relais restlos zugrunde gegangen. O Grondr. O Egravan und Sarale. Seid ihr jetzt tot oder besessen?

Teile des Bekannten Netzes hatten vorübergehend den Anschluss verloren; manche der außergalaktischen Schaltstationen würden vielleicht jahrelang nicht ersetzt werden. Zum ersten Mal in Jahrtausenden erfuhr man von einer MACHT, die einen Mord verübt hatte. Es gab Zehntausende von Behauptungen über das Motiv für den Angriff und Zehntausende von Vorhersagen, was als Nächstes geschehen würde. Ravna ließ das Schiff die Lawine filtern, um möglichst das Wesen der Spekulationen herauszudestillieren.

Diejenige, die aus dem Straumli-Bereich selbst kam, klang nicht weniger logisch als die anderen: Die Marionetten der PERVERSION schwadronierten gewichtig von einem neuen Zeitalter, der Vermählung eines transzendenten Wesens mit Rassen des Jenseits. Wenn Relais zerstört, wenn eine MACHT umgebracht werden konnte — dann vermochte nichts den Siegeszug aufzuhalten.

Manche Sender glaubten, Relais sei das ererbte Ziel von dem gewesen, was auch immer den Straumli-Bereich pervertiert haben mochte. Vielleicht war der Angriff nur der nachhängende letzte Akt eines Krieges der Vorzeit, eine unter unglücklichem Vorzeichen gezeugte Tragödie für die Abkömmlinge vergessener Rassen. Wenn dem so war, konnten die Marionetten im Straumli-Bereich einfach vergehen und die ursprüngliche menschliche Kultur wiedererstehen.

Etliche Botschaften legten nahe, der Angriff habe dem Zweck gedient, Relais’ Archive zu stehlen, doch nur eine oder zwei behaupteten, die PEST habe versucht, sich in den Besitz eines Artefakts zu bringen oder die Relais-Leute daran zu hindern. Diese Behauptungen kamen von notorischen Theorienmachern, der Sorte Zivilisationen, zu deren Wesen die Nachrichtengruppen-Automatik beiträgt. Nichtsdestoweniger sah Ravna jene Botschaften sorgfältig durch. Keine von ihnen sprach von einem Artefakt im Unteren Jenseits; wenn sie überhaupt derlei annahmen, dann, dass die PEST etwas im Hohen Jenseits oder im Unteren Transzens suche.

Auch die PEST sendete ins Netz. Ihre Hochprotokoll-Botschaften wurden von allen außer den Selbstmördern zurückgewiesen, und niemand wurde dafür bezahlt, etwas weiterzuleiten. Dennoch sorgten Schrecken und Neugier für weite Verbreitung einiger Nachrichten. Es gab ein ›Video‹ der Pestler: fast vierhundert Sekunden pansensueller Daten ohne Komprimierung. Diese unglaublich teure Botschaft war vielleicht der am meisten weitergegebene Brocken in der ganzen Geschichte des Netzes. Blaustiel hielt die ADR fast zwei Tage lang in dem Nachrichtenkanal, um das Ding komplett aufzunehmen.

Die Marionetten der PERVERSION schienen ebenfalls Menschen zu sein. Die Hälfte der Nachrichtensendungen aus dem Pestgebiet waren Videophantome, wenn auch keine andere derart lang war; alle zeigten Menschen als Sprecher. Ravna sah sich die große Sendung immer wieder an, sie erkannte sogar den Sprecher. Øvn Nilsndot war der Trællauf-Meister des Straumli-Bereichs gewesen. Jetzt hatte er keinen Titel, und wahrscheinlich keinen Namen. Nilsndot sprach von einem Raum aus, der auch ein Garten hätte sein können. Wenn Ravna an die Seite des Bildes trat, konnte sie über seine Schulter auf den Boden hinabsehen. Die Stadt dort sah wie das Straumli Haupt der Aufzeichnungen aus. Vor Jahren hatten Ravna und ihre Schwester von dieser Stadt geträumt, dem Herzstück des abenteuerlichen Vorstoßes der Menschheit ins Transzens. Der Zentralplatz war dem Feld der Fürstinnen auf der Nyjora nachgestaltet, und die Einwanderungsreklame behauptete, egal wie weit die Straumer voranschritten, der Brunnen auf dem Feld würde immer fließen, würde immer ihre Loyalität zu den Anfängen der Menschheit zeigen.

Jetzt gab es keinen Brunnen, und Ravna spürte einen toten Geist hinter Nilsndots Blick. »Dieser hier spricht als eine MACHT DIE HILFT«, sagte der Held von einst. »Alle sollen sehen, was ich selbst für eine drittklassige Zivilisation tun kann. Seht, wie ich HELFE…«

Die Sicht schwenkte himmelwärts. Es war Sonnenuntergang, und die verschlungenen Agrav-Konstruktionen hingen vor dem Licht, Megameter über Megameter. Es war ein grandioserer Gebrauch von dem Agrav-Material, als Ravna jemals gesehen hatte, selbst bei den Docks. Gewiss konnte es sich keine Welt im Mittleren Jenseits jemals leisten, das Material in solchen Mengen zu importieren. »Was ihr über mir seht, sind nur die Gerüste für die Bauten, mit denen ich bald im Straumli-System beginnen werde. Wenn sie fertig sind, werden fünf Sternensysteme ein einziges Habitat sein, die Masse ihrer Planeten und die überschüssige Materie von den Sternen wird so verteilt sein, dass sie ein Leben und eine Technik ermöglicht, wie sie in diesen Tiefen noch nicht gesehen wurden — und sogar im Transzens selbst nur selten.« Der Blick kehrte zu Nilsndot zurück, einem einzelnen Menschen, Sprachrohr eines Gottes. »Manche von euch mögen sich gegen den Gedanken auflehnen, sich mir zu widmen. Auf lange Sicht spielt das keine Rolle. Die Symbiose meiner Macht mit den Händen von Rassen im Jenseits ist mehr all alles, dem irgendjemand widerstehen könnte. Doch ich spreche jetzt, um eure Angst zu vermindern. Was ihr im Straumli-Bereich seht, ist gleichermaßen eine Freude wie ein Wunder. Nie wieder werden Rassen im Jenseits durch Transzendenz zurückgelassen werden. Jene, die sich mir anschließen — und früher oder später werden das alle tun —, werden Teil der MACHT sein. Ihr werdet Zugang zu Importen von der ganzen Obergrenze und dem Unteren Transzens haben. Ihr werdet euch über jedes Maß hinaus vermehren, das eure eigene Technik erlauben würde. Ihr werdet alle absorbieren, die sich mir widersetzen. Ihr werdet die neue Stabilität bringen.«