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»Hat er etwas gesagt?« Es war eine andere Stimme, die Samnorsk sprach. Narbenhintern. Seine große hässliche Schnauze ragte durch die Türöffnung.

»Nein«, sagte Holzschnitzerin. »Und seine Denklaute sind ein einziges Wirrwarr.«

»Lass mich ihm zuhören«, sagte Narbenhintern.

»Du bleib weg, du!« Johanna schrie es; das Wesen in ihren Armen zuckte zusammen.

»Johanna! Das ist Schreibers Freund. Lass ihn helfen.« Während das Narbenhintern-Rudel in den Raum kam, stieg Holzschnitzerin zum Boden hinauf, um Platz zu machen.

Johanna zog den Arm unter dem verletzten Klauenwesen hervor und wich zurück, bis sie selbst an der Tür stand. Es waren viel mehr Rudel draußen, als sie geglaubt hatte, und sie standen dichter beieinander, als sie es jemals gesehen hatte. Ihre Fackeln glühten wie weiche Fluoreszenzstoffe in der nebligen Dunkelheit.

Ihr Blick schnellte zur Feuergrube zurück. »Ich beobachte dich!«

Narbenhinterns Glieder drängten sich um das Kissen. Der Große legte den Kopf neben den des Verletzten. Einen Augenblick lang fuhr das Klauenwesen mit seinem tiefen Pfeifen fort. Narbenhintern kollerte auf es ein. Die Antwort war ein gleichmäßiges Trällern, fast schön. Vom Boden herab sagte Holzschnitzerin etwas. Sie und Narbenhintern redeten hin und her.

»Und?«, fragte Johanna.

»Ya — das Fragment — ist kein ›Sprecher‹ «, erklärte Holzschnitzerin.

»Noch schlimmer«, sagte Narbenhintern. »Vorläufig zumindest kann ich mich auf seine Denktöne nicht einstellen. Ich bekomme weder Sinn noch Bilder von ihm, ich kann nicht sagen, wer Schreiber ermordet hat.«

Johanna trat zurück in den Raum und ging langsam zu dem Kissen. Narbenhintern wich zur Seite, verließ das verwundete Klauenwesen aber nicht. Sie kniete sich zwischen zwei von ihm und streichelte den langen, blutbedeckten Hals. »Wird… Ya« — sie sprach den Klang so gut sie konnte aus — »am Leben bleiben?«

Narbenhintern fuhr mit drei Nasen an dem Körper entlang. Sie drückten sanft gegen die Wunden. Ya wand sich und pfiff… außer wenn Narbenhintern an die Hinterkeulen drückte. »Ich weiß nicht. Das meiste von diesem Blut sind nur Spritzer, vermutlich von den anderen Gliedern. Aber sein Rückgrat ist gebrochen. Sogar wenn das Fragment am Leben bleibt, wird es nur zwei Beine gebrauchen können.«

Johanna überlegte eine Weile und versuchte, die Dinge aus der Perspektive der Klauenwesen zu sehen. Es gefiel ihr gar nicht. Vielleicht war es sinnlos, doch für sie war dieser ›Ya‹ immer noch Schreiber. Für Narbenhintern war das Geschöpf ein Fragment, ein Organ aus einem frischen Leichnam. Noch dazu ein beschädigtes. Sie sah Narbenhintern an, das große Glied, den Mörder. »Was tut eure Art mit solchem… Abfall?«

Drei von seinen Köpfen wandten sich ihr zu, und sie sah, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Seine synthetische Stimme kam hoch und im Stakkato: »Schreiber war ein guter Freund. Wir können einen zweirädrigen Wagen für Yas Hinterteil bauen, er wäre imstande, sich halbwegs zu bewegen. Das Schwierigste wird sein, ein Rudel für ihn zu finden. Du weißt, dass wir nach anderen Fragmenten suchen; vielleicht können wir etwas zusammenflicken. Wenn nicht… nun, ich habe nur vier Glieder. Ich will versuchen, ihn zu adoptieren.« Während er sprach, tätschelte ein Kopf das verwundete Glied. »Ich bin nicht sicher, ob es klappt. Schreiber war keine Person mit einer losen Seele, alles andere als ein Pilger. Und momentan kann ich überhaupt keine Übereinstimmung mit ihm finden.«

Johanna ließ sich zurücksinken. Narbenhintern war nicht an allem schuld, was im Weltall schiefging.

»Holzschnitzerin hat hervorragende Züchter. Vielleicht lässt sich etwas anderes Passendes finden. Aber du musst verstehen — für erwachsene Glieder ist es schwer, sich neu einzufügen, vor allem für Nichtsprecher. Einzelne Fragmente wie Ya sterben aus eigenem Willen, sie hören einfach auf zu essen. Oder manchmal… Geh ab und zu zum Hafen hinunter und sieh dir die Arbeiter an. Du wirst ein paar große Rudel dort sehen — aber mit dem Verstand von Idioten. Sie können sich nicht zusammenhalten; beim kleinsten Problem laufen sie in alle Richtungen auseinander. So enden die unglücklichen Neurudel…« Narbenhinterns Stimme lief zwischen zweien von seinen Gliedern hin und her und verstummte schließlich. Alle seine Köpfe wandten sich Ya zu. Das Glied hatte die Augen geschlossen. Schlief es? Es atmete noch, doch es klang irgendwie gurgelnd.

Johanna blickte durch den Raum zu der Falltür zum Boden. Holzschnitzerin hatte einen einzelnen Kopf durch die Öffnung herabgestreckt. Das kopfstehende Gesicht erwiderte Johannas Blick. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre der Anblick komisch gewesen. »Wenn nicht ein Wunder geschieht, ist Schreiber heute gestorben. Du musst das verstehen, Johanna. Aber wenn das Fragment am Leben bleibt, wenigstens für kurze Zeit, werden wir wahrscheinlich den Mörder finden.«

»Wie, wenn er sich nicht mitteilen kann?«

»Ja, aber er kann es uns immer noch zeigen. Ich habe Feilonius’ Leuten befohlen, das Personal in den Wohnungen festzuhalten. Wenn Ya sich etwas beruhigt hat, werden wir jedes Rudel auf der Burg an ihm vorbeigehen lassen. Das Fragment erinnert sich gewiss, was Schreiber widerfahren ist, und will es uns sagen. Wenn unter den Mördern einer von unseren Leuten ist, wird er ihn erkennen.«

»Und er wird sich bemerkbar machen.« Ganz wie ein Hund.

»Richtig. Die Hauptsache ist also, ihm jetzt Sicherheit zu geben… und zu hoffen, dass unsere Ärzte ihn retten können.«

Die Reste Schreibers fand man ein paar Stunden später, auf einem Eckturm auf der alten Mauer. Feilonius sagte, anscheinend seien ein oder zwei Rudel aus dem Wald gekommen und hätten den Turm erklettert, vielleicht in der Hoffnung, ins Innere der Burg schauen zu können. Es sah ganz nach einem ungeschickten ersten Versuch aus: Von dem Turm aus war nichts von Interesse zu sehen, nicht einmal an einem klaren Tag. Doch für Schreiber war es zum Verhängnis geworden. Anscheinend hatte er die Eindringlinge überrascht. Fünf von seinen Gliedern waren auf verschiedene Art von Pfeilen durchbohrt, zerhackt, geköpft worden. Das sechste, Ya, hatte sich auf dem schrägen Steingefüge am Fuße der Mauer das Rückgrat gebrochen. Johanna ging am Tag darauf hinaus zu dem Turm. Selbst von unten sah sie bräunliche Flecken auf der Brüstung. Sie war froh, dass sie nicht hinaufgehen konnte.

Ya starb in der Nacht, wenn auch nicht von Feindeshand; er befand sich die ganze Zeit unter dem Schutz von Feilonius.

Ein paar Tage lang war Johanna sehr schweigsam. Nachts weinte sie ein bisschen. Zum Teufel mit ihrer ›ärztlichen Kunst‹ . Ein gebrochenes Rückgrat konnten sie diagnostizieren, aber innere Verletzungen und Blutungen — davon hatten sie keine Ahnung. Holzschnitzerin schien berühmt zu sein für ihre Theorie, dass das Herz das Blut durch den Körper pumpt. Vielleicht noch tausend Jahre, und sie könnte mehr leisten als ein Metzger!

Eine Zeit lang hasste sie alle: Narbenhintern aus all den alten Gründen, Holzschnitzerin für ihre Unwissenheit, Feilonius dafür, dass er Flenseristen so nahe an die Burg herangelassen hatte…, und Johanna Olsndot dafür, dass sie Schreiber zurückgewiesen hatte, als er ihr Freund zu sein versuchte.

Was würde Schreiber jetzt sagen? Er hatte gewollt, dass sie ihnen vertraute. Er hatte gesagt, Narbenhintern und die anderen seien gute Leute. Eines Nachts, etwa eine Woche später, war sie drauf und dran, mit sich selbst Frieden zu schließen. Sie lag auf ihrer Pritsche, die Decke schwer und warm über sich. Die an die Wand gemalten Muster schimmerten matt im Glutschein. Also gut, Schreiber. Um deinetwillen… will ich ihnen vertrauen.