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Er schaute vom Bildschirm weg und streichelte die beiden von Amdi, die neben ihm saßen. Einer von ihnen zappelte unter seiner Hand. Ihre ganzen Körper gaben ein Summen zurück. Ihre Augen waren geschlossen. Wenn Jefri es nicht besser gewusst hätte, so hätte er geglaubt, dass sie schliefen. Das waren die Teile von Amdi, die aufs Sprechen spezialisiert waren.

»Irgendwas Interessantes?«, fragte Jefri nach einer Weile. Der links von ihm öffnete die Augen und schaute ihn an.

»Das ist die Idee von der Bandbreite, von der Ravna gesprochen hat. Wenn wir es nicht genau richtig machen, kriegen wir nur Klick und Klack.«

»O ja.« Jefri wusste, dass die Wiedererfindung des Radios anfangs kaum zu mehr als für Morsezeichen taugte. Ravna schien zu glauben, dass sie dieses Stadium überspringen könnten. »Was meinst du, wie ist Ravna?«

»Was?« Das Kratzen der Federn übers Papier verstummte für einen Augenblick, obwohl sie darüber schon gesprochen hatten. »Na, so wie du…, nur größer und älter?«

»Ja, schon, aber…« Jefri wusste, dass Ravna von Sjandra Kei stammte. Sie war erwachsen, älter als Johanna und jünger als Mutti. Wie sieht sie genau aus? »Ich meine, sie kommt von so weit her, nur um uns zu retten und um das zu Ende zu bringen, was Mutti und Vati tun wollten. Sie muss wirklich großartig sein.«

Das Kratzen hörte wieder auf, und die Anzeige auf dem Schirm rollte zwecklos weiter. Sie würden es noch einmal abspielen müssen. »Ja«, sagte Amdi nach einem Augenblick. »Sie… sie muss Herrn Stahl sehr ähnlich sein. Es wird schön sein, jemandem zu begegnen, an den ich mich kuscheln kann, so wie du an Herrn Stahl.«

Jefri war ein bisschen gekränkt. »Aber du kannst doch mit mir kuscheln!«

Die Teile von Amdi neben ihm schnurrten laut. »Ich weiß. Aber ich meine jemanden, der erwachsen ist…, wie ein Elter.«

»Hm.«

Sie übersetzten die Tabellen und überprüften das Ergebnis in ungefähr einer Stunde. Dann war es an der Zeit, die neuesten Fragen von Herrn Stahl hinaufzusenden. Es waren etwa vier Seiten, alle fein säuberlich von Amdi in Samnorsk geschrieben. Für gewöhnlich übernahm er auch das Eintippen gern, dabei ganz vor Tastenfeld und Bildschirm aufgetürmt. Heute war er daran nicht interessiert. Er lag ganz über Jefri ausgestreckt, bemühte sich aber nicht sonderlich, die Eingaben zu überprüfen. Immer wieder fühlte Jefri ein Sirren in der Brust, oder die Halterung des Bildschirms gab einen seltsamen Laut von sich — alles eine Resonanz der unhörbaren Töne, die Amdi zwischen seinen Gliedern wechselte. Jefri erkannte die Anzeichen intensiven Denkens.

Er tippte die letzte Nachricht zu Ende und fügte von sich aus ein paar kleine Fragen an. Dinge wie: »Wie alt sind Pham und du? Seid ihr verheiratet? Was sind Skrodfahrer?«

Das Tageslicht war aus den Ritzen in den Wänden verschwunden. Bald würden die Grabteams ihre Hacken schultern und zu den Kasernen jenseits der Bergkuppe marschieren. Jenseits der Meerenge würden die Türme auf der Verborgenen Insel sich im Nebel golden färben, wie im Märchen. Ihre Weißjacks würden Amdi und Jefri nun jede Minute zum Abendessen herausrufen.

Zwei von Amdi sprangen von dem Beschleunigungs-Gespinst herab und begannen einander rund um den Stuhl zu jagen. »Ich habe nachgedacht! Ich habe nachgedacht! Ravnas Radio: Warum ist es nur zum Sprechen? Sie sagte, alle Töne sind nur verschiedene Frequenzen von derselben Sache. Aber Gedanken sind nichts als Töne. Wenn wir ein paar von den Tabellen verändern und Sender und Empfänger so machen könnten, dass sie meine Trommelfelle bedecken, warum sollte ich nicht übers Radio denken können?«

»Ich weiß nicht.« Die Bandbreite war eine vertraute Einschränkung bei vielen alltäglichen Verrichtungen, obwohl Jefri nur eine unbestimmte Vorstellung hatte, worum es sich dabei handelte. Er schaute auf die letzten Tabellen, die noch auf dem Bildschirm standen. Er hatte eine plötzliche Erleuchtung, etwas, das viele Erwachsene in technischen Kulturen niemals erlangen. »Ich benutze diese Dinger andauernd, aber ich weiß nicht genau, wie sie funktionieren. Wir können diesen Anweisungen folgen, aber woher sollen wir wissen, was wir ändern müssen?«

Amdi war jetzt ganz aufgeregt, so, wie wenn er sich einen großen Streich ausdachte. »Nein, nein, nein. Wir brauchen nicht alles zu verstehen.« Weitere drei von ihm sprangen auf den Fußboden, er wedelte mit zufällig ergriffenen Blättern Papier zu Jefri hin. »Ravna weiß nicht genau, wie wir Töne machen. Die Anweisungen schließen die Möglichkeit kleiner Änderungen ein. Ich habe nachgedacht. Ich sehe, wie die Änderungen zusammenhängen.« Er hielt inne und machte ein hohes Quiekgeräusch. »Verdammt. Ich kann es nicht genau erklären. Aber ich denke, wir können die Tabellen erweitern, und das wird die Maschine auf offensichtliche Weise verändern. Und dann…« Amdi war für einen Moment neben ihm, sprachlos. »O Jefri, ich wünschte, du könntest auch ein Rudel sein! Stell dir vor, du bringst jeden von dir auf einen anderen Berggipfel, und dann benutzt du das Radio zum Denken! Wir könnten so groß wie die Welt sein!«

In diesem Augenblick erklang von draußen das Kollern der Zwischenrudel-Sprache, und dann in Samnorsk: »Essenszeit. Wir gehen jetzt, Amdijefri. Gut?« Es war Herr Sreck, er sprach recht ordentlich Samnorsk, wenn auch nicht so gut wie Herr Stahl. Amdijefri sammelte die zerstreuten Seiten auf und steckte sie sorgfältig in Amdis Jackentaschen. Sie schalteten die Anzeigegeräte aus und krochen in den Hauptraum.

»Glaubst du, dass uns Herr Stahl erlauben wird, die Änderungen zu machen?«

»Vielleicht sollten wir sie auch an Ravna zurückschicken.«

Das Glied des Weißjacks zog sich von der Luke zurück, und Amdijefri stieg die Treppe hinab. Eine Minute später waren sie draußen im Licht der sinkenden Sonne. Die beiden Kinder bemerkten es kaum, sie waren beide von Amdis Vision gefesselt.

VIERUNDZWANZIG

Für Johanna änderte sich eine Menge in den Wochen nach Yaqueramaphans Tod. Das meiste waren Verbesserungen, zu denen es vielleicht ohne den Mord nie gekommen wäre…, und das machte Johanna sehr traurig.

Sie ließ Holzschnitzerin in ihrer Hütte wohnen und den Platz des Gehilfen einnehmen. Anscheinend hatte Holzschnitzerin das von Anfang an tun wollen, sich aber vor der Wut des Menschen gefürchtet. Nun behielten sie das Datio in der Hütte. Mindestens vier Rudel von Feilonius’ Sicherheitsdienst umringten ständig den Ort, und man sprach davon, Kasernen in der Umgebung zu errichten.

Die anderen sah sie tagsüber auf Versammlungen, und einzeln, wenn sie Hilfe beim Datio brauchten. Scrupilo, Feilonius und Narbenhintern — der ›Pilger‹ — sprachen jetzt alle fließend Samnorsk, mehr als genug, dass sie den Charakter hinter den unmenschlichen Gestalten sehen konnte: Scrupilo, zimperlich und sehr klug. Feilonius, so aufgeblasen, wie Schreiber nur jemals erschienen war, aber ohne dessen Spieltrieb und Phantasie. Pilger Wickwracknarb. Jedesmal, wenn sie sein Großes mit der Narbe sah, lief ihr ein Schauder über den Rücken. Das Glied saß immer hinten, niedergehockt, um nicht bedrohlich auszusehen. Pilger wusste offensichtlich, wie sie den Anblick empfand, und versuchte, sie nicht zu kränken, doch selbst nach Schreibers Tod brachte sie nicht mehr fertig, als dieses Rudel zu tolerieren… Und schließlich konnte es Verräter in der Burg geben. Es war nur eine Theorie von Feilonius, dass der Mord ein Überfall von außen gewesen war. Sie behielt Pilger misstrauisch im Auge.