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Nach einigem Hin und Her waren nur noch ein, zwei Köpfe über der Brüstung jeder Loge zu sehen. Die meisten Streugedanken müssten jetzt von der Polsterung der Logen aufgefangen oder von den dicken Wandbehängen verschluckt werden, die ringsum an den Wänden hingen. »Feilonius, du kannst fortfahren.«

Im Parterre stand Feilonius auf und blickte in alle Richtungen. Er begann zu sprechen. »Danke«, übersetzte Pilger und imitierte nun den Tonfall des Sicherheitschefs. »Die Holzschnitzerin hat mich wegen der akuten Entwicklungen im Norden gebeten, diese Versammlung einzuberufen. Unsere Quellen dort berichten, dass Stahl das Gebiet um Johannas Sternenschiff befestigt.«

Gekoller Gekoller Unterbrechung. Scrupilo? »Das ist nicht neu. Dafür sind unsere Geschütze und das Schießpulver bestimmt.«

Feilonius: »Ja, wir kennen diese Pläne seit einiger Zeit. Nichtsdestoweniger ist das Datum ihrer Vollendung vorverlegt worden, und in der endgültigen Version werden die Mauern ein gutes Stück dicker sein, als wir es erwartet haben. Außerdem scheint Stahl, wenn die Ummauerung erst einmal komplett ist, das Sternenschiff auseinanderzunehmen und seine Ladung auf seine verschiedenen Laboratorien verteilen zu wollen.«

Für Johanna kamen diese Worte wie ein Tritt in den Magen. Vorher hatte es eine Chance gegeben: Wenn sie hart genug kämpften, würden sie vielleicht das Schiff zurückerobern. Sie könnte die Mission ihrer Eltern vollenden, vielleicht sogar gerettet werden.

Pilger sagte selbst etwas und übersetzte anschließend: »Was also ist die neue Frist?«

»Sie glauben, dass sie die Hauptmauern in knapp zehn Zehntagen fertig haben.«

Holzschnitzerin beugte ein Paar Nasen zur Tastatur herab und tippte eine Notiz ein. Gleichzeitig reckte sie einen Kopf über die Brüstung und schaute zu dem Sicherheitschef hinab. »Ich habe schon früher bemerkt, dass Stahl oft etwas zu optimistisch ist. Verfügst du über eine objektive Schätzung?«

»Ja. Die Mauern werden in acht bis elf Zehntagen fertig sein.«

»Ich hatte mit mindestens fünfzehn gerechnet. Ist das eine Reaktion auf unsere Pläne?«

Im Parterre sammelte sich Feilonius. »Das war unser erster Verdacht, Euer Majestät. Aber… wie Ihr wisst, haben wir eine Anzahl sehr spezieller Informationsquellen… Quellen, über die wir nicht einmal in diesem Kreis reden sollten.«

»Was für ein Angeber. Manchmal frage ich mich, ob er alles weiß. Ich habe nie gesehen, dass er seine eigenen Hintern nach draußen vor Ort bewegt hätte.« Ha? Johanna brauchte eine Sekunde, bis sie begriff, dass Pilger einen Kommentar einstreute. Sie schaute über die Brüstung. Drei von Pilgers Köpfen waren zu sehen, sie blickten in ihre Richtung. Den Ausdruck auf ihnen erkannte sie als törichtes Lächeln. Es schien weiter niemand auf seine Bemerkung zu reagieren, anscheinend konnte er seine Übersetzung auf Johanna allein fokussieren.

Sie starrte ihn an, und nach einem Moment fuhr er wieder mit nüchterner Übersetzung fort: »Stahl weiß, dass wir einen Angriff planen, aber er weiß nichts über unsere besonderen Waffen. Diese Änderung des Zeitplans scheint einem zufälligen Verdacht zu entspringen. Leider gereicht sie uns zum Schaden.«

Drei oder vier Ratsmitglieder begannen gleichzeitig zu sprechen. »Viel lautes Unbehagen«, fasste Pilger zusammen. »Lauter ›Ich habe gewusst, dass es niemals klappen könnte‹ und ›Warum haben wir uns überhaupt auf den Plan eingelassen, die Flenseristen anzugreifen?‹ .«

Unmittelbar rechts von Johanna stieß Holzschnitzerin einen schrillen Pfiff aus. Die gegenseitigen Beschuldigungen verstummten allmählich. »Manche von euch vergessen ihren Mut. Wir haben uns auf den Angriff der Verborgenen Insel geeinigt, weil sie seit langem eine tödliche Bedrohung ist, die wir mit Johannas Kanonen glauben vernichten zu können — und weil sie mit Gewissheit uns vernichten können, wenn Stahl jemals lernt, das Sternenschiff zu gebrauchen.« Eins von Holzschnitzerins Gliedern, das am Boden kauerte, strich über Johannas Knie.

Pilgers fokussierte Stimme kicherte in ihrem Ohr. »Und dann ist da noch die Kleinigkeit, dich heimzubringen und Kontakt mit den Sternen aufzunehmen, aber das kann sie den ›Pragmatikern‹ nicht laut sagen. Falls du es nicht schon erraten hast — das ist einer der Gründe für deine Anwesenheit: die Schwachköpfe daran zu erinnern, dass es mehr Dinge im Himmel gibt, als sie sich jemals haben träumen lassen.«

Er hielt inne und nahm die Übersetzung von Holzschnitzerins Worten wieder auf: »Es war kein Fehler, diesen Feldzug in Angriff zu nehmen: Ihn zu vermeiden, wäre ebenso tödlich wie zu kämpfen und zu verlieren. Also — haben wir eine Chance, eine handlungsfähige Armee rechtzeitig die Küste hinauf zu bringen?« Sie wies mit einer Nase auf eine Loge auf der anderen Seite des Raums. »Scrupilo. Fasse dich bitte kurz.«

»Das Letzte, was Scrupilo kann, ist, sich kurz zu fassen — oh, Verzeihung.« Wieder eine Randbemerkung von Wanderer.

Scrupilo ließ ein paar Köpfe mehr sehen. »Ich habe das schon mit Feilonius durchgesprochen, Euer Majestät. Eine Armee aufzustellen, die Küste hinaufzumarschieren — das alles wäre ohne weiteres in weniger als zehn Zehntagen möglich. Das Problem sind die Geschütze, und vielleicht auch, Rudel den Umgang damit üben zu lassen. Das ist mein besonderer Verantwortungsbereich.«

Holzschnitzerin warf eine abrupte Bemerkung ein.

»Ja, Majestät. Wir haben das Schießpulver. Es ist genauso wirkungsvoll, wie das Datio sagt. Die Kanonenrohre waren bisher ein viel größeres Problem. Bis vor kurzem riss das Metall beim Abkühlen am Verschluss. Ich denke, wir haben das jetzt im Griff. Zumindest habe ich zwei makellose Kanonenrohre. Ich hatte gehofft, sie mehrere Zehntage lang erproben zu können…«

Holzschnitzerin unterbrach ihn: »… aber das können wir uns jetzt nicht mehr leisten.« Alle von ihr standen auf, und sie blickte sich überall im Saal um. »Ich will, dass die Versuche sofort mit ganzer Kraft beginnen. Wenn sie gelingen, werden wir so schnell wie möglich mit der Herstellung von Kanonenrohren beginnen.« Und wenn nicht…

Zwei Tage später…

Das Komischste war, dass Scrupilo von Johanna erwartete, sie würde das Kanonenrohr begutachten, ehe er es abfeuerte. Das Rudel ging aufgeregt um die Lafette herum und erklärte etwas in einem schauderhaften Samnorsk. Johanna folgte ihm mit gerunzelter Stirn. Ein paar Meter abseits, größtenteils hinter einer Böschung verborgen, beobachteten Holzschnitzerin und ihr Rat die Übung. Nun ja, das Ding wirkte ziemlich echt. Sie hatten es auf einem kleinen Wagen angebracht, der unter dem Rückstoß nach hinten in einen Haufen Erde rollen konnte. Das Rohr selbst war im ganzen Stück gegossen, etwa einen Meter lang und mit einem Kaliber von zehn Zentimetern. Schießpulver und die Kugel kamen von vorn hinein. Das Pulver wurde durch ein winziges Zündloch am hinteren Ende zur Explosion gebracht.

Johanna fuhr mit der Hand über das Rohr. Die bleigraue Oberfläche war höckrig, und in dem Metall schienen Schlacketeile eingeschlossen zu sein. Nicht einmal die Wände der Bohrung waren völlig glatt; würde das etwas ausmachen? Scrupilo erklärte gerade, wie er Stroh in den Gussformen verwendet hatte, damit das Metall beim Abkühlen nicht riss. Ah ja. »Du solltest es erst einmal mit kleinen Mengen Schießpulver versuchen«, sagte sie.

Scrupilos Stimme wurde ein bisschen vertraulich, enger fokussiert. »Ganz unter uns, das habe ich getan. Es ging sehr gut. Und nun die Generalprobe.«

Hm. Du bist also keine totale Lusche. Sie lächelte den Nächsten von ihm an, ein Glied, das überhaupt kein Schwarz im Kopffell hatte. Auf eine komische Art erinnerte Scrupilo sie an die Wissenschaftler im Hochlabor.