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Noch als Pham feuerte, beschleunigte er mit ganzer Kraft aus seinem Loch hervor. Jetzt hatte er seine einzige Chance. Wenn er sich umdrehen und auf Grünmuschel schießen konnte, ehe sie mit Blaustiel fertig war…

Das Manöver war ein einfacher Salto, nach dem er sich mit den Beinen zuoberst und dem Gesicht zu Grünmuschel hätte befinden müssen. Doch für ihn war jetzt nichts einfach, und Pham drehte sich zu schnell, die Landschaft torkelte unter ihm. Aber da war schon Grünmuschel, und sie schwenkte ihren Strahler auf ihn.

Und da war Blaustiel, der zwischen Säulen hervorjagte, die vor Hitze von Grünmuschels Feuer weiß glühten. Seine Stimme klang laut in Phams Ohren: »Bitte, töte Sie nicht. Nicht töten…«

Grünmuschel zögerte, richtete dann die Waffe wieder auf den näherkommenden Blaustiel. Pham drückte auf den Abzug seiner Waffe und ließ seinen Drehimpuls den Strahl über den Boden ziehen. Das Bewusstsein schwand. Ziel! Ziel richtig! Er furchte das Land unter sich mit einem glühenden, geschmolzenen Pfeil, der an etwas Dunklem und Verklumptem endete. Blaustiels winzige Gestalt rollte immer noch über die Trümmer und versuchte, Grünmuschel zu erreichen. Dann hatte sich Pham zu weit gedreht und vermochte sich nicht mehr zu erinnern, wie er sein Blickfeld ändern könnte. Langsam schwenkte der Himmel vor seinen Augen vorüber:

Ein bläulicher Mond mit einem scharfen Schatten quer über die Mitte. Ein Schiff nahebei, mit federähnlichen Dornen, wie ein riesiger Käfer. Was in der Dschöng Ho… wo bin ich?… und das Bewusstsein erlosch.

NEUNUNDZWANZIG

Da waren Träume. Er hatte wieder einmal eine Stellung als Kapitän verloren, war dazu degradiert worden, Topfpflanzen im Gewächshaus des Schiffes zu pflegen. Nun ja. Phams Aufgabe war, sie zu gießen und zum Blühen zu bringen. Doch dann bemerkte er, dass die Töpfe Räder hatten und sich hinter seinem Rücken bewegten, leise raschelnd abwarteten. Was schön gewesen war, war nun finster. Pham war bereit gewesen, die Geschöpfe zu gießen und vor Unkraut zu bewahren; er hatte sie immer bewundert.

Nun wusste er als Einziger, dass sie der Feind allen Lebens waren.

Mehr als einmal im Leben war Pham Nuwen im Innern medizinischer Automaten erwacht. Fast war er gewöhnt an Tanks, eng wie Särge, an glatte grüne Wände, Drähte und Schläuche. Diesmal war es anders, und er brauchte eine Weile, ehe er begriff, wo er sich befand. Weidenähnliche Bäume neigten sich rings um ihn, wiegten sich sacht im warmen Lufthauch. Er schien auf dem weichesten Moos in einer winzigen Lichtung über einem Tümpel zu hegen. Sommerdunst hing in der Luft über dem Wasser. Es war alles sehr nett, außer dass die Blätter pelzig waren, und anders grün als alles, was er je zuvor gesehen hatte. Diese Vorstellung von Daheim gehörte zu jemand anders. Er langte hinauf zu dem nächsten Zweig, und seine Hände stießen auf etwas Unnachgiebiges fünfzig Zentimeter über seinem Gesicht. Eine gekrümmte Wand. Bei all den Trickbildern war das Ding ungefähr so groß wie die automatischen Chirurgen, an die er sich erinnerte.

Etwas klickte hinter seinem Kopf; die Idylle schob sich an ihm vorbei und nahm ihren warmen Lufthauch mit. Jemand — Ravna — schwebte knapp oberhalb des Zylinders. »Hallo, Pham.« Sie langte an der Hülle des Arztes vorbei, um ihm die Hand zu drücken. Ihre Lippen zitterten, als sie ihn küsste, und sie sah aus, als hätte sie viel geweint.

»Hallo du«, sagte er. Die Erinnerung kehrte in einzelnen Bruchstücken zurück. Er versuchte sich aufzurichten und entdeckte eine weitere Ähnlichkeit zwischen diesem Chirurgen und denen der Dschöng Ho: Er war sicher festgeschnallt.

Ravna lachte ein wenig gequält. »Arzt. Verbindungen lösen.« Einen Augenblick später schwebte Pham frei.

»Er hält meinen Arm noch fest.«

»Nein, das ist die Schlinge. Es wird eine Weile dauern, bis dein linker Arm nachgewachsen ist. Er ist fast weggebrannt worden, Pham.«

»Oh.« Er blickte zu dem weißen Kokon hinab, der seinen Arm an seine Seite fesselte. Jetzt erinnerte er sich an das Feuergefecht… und erkannte, dass Teile seines Traums tödliche Wirklichkeit waren. »Wie lange war ich weg?« Die Angst klang in seiner Stimme durch.

»Etwa dreißig Stunden. Wir sind über sechzig Lichtjahre von Harmonische Ruhe entfernt. Wir kommen gut voran, abgesehen davon, dass jetzt jedermann im Universum auf uns Jagd zu machen scheint.«

Der Traum. Seine freie Hand umklammerte Ravnas Arm. »Die Skrodfahrer, wo sind sie?« Nicht an Bord, um der Flotte willen.

»W-was von Grünmuschel übrig ist, liegt im zweiten Chirurgen. Blaustiel ist…«

Warum haben sie mich am Leben gelassen? Pham ließ den Blick hastig durch den Raum schweifen. Sie befanden sich in einer Allzweckkabine. Was immer sich als Waffe eignen mochte, war mindestens zwanzig Meter entfernt. Hm. Wichtiger als Strahler: die Steuerpult-Befugnisse von der ADR zu erhalten — wenn es nicht schon zu spät war. Er stieß sich von dem Chirurgen ab und schwebte aus dem Raum.

Ravna folgte ihm. »Sachte, Pham. Du kommst gerade aus einem Chirurgen.«

»Was haben sie über die Schießerei gesagt?«

»Die arme Grünmuschel ist nicht in der Lage, etwas zu sagen, Pham. Blaustiel sagt ziemlich genau dasselbe wie du: Grünmuschel ist von den kriminellen Fahrern entführt worden, und sie haben sie gezwungen, euch beide in die Falle zu locken.«

»Hmm, hmm.« Pham bemühte sich um einen unverbindlichen Tonfall. Es gab also vielleicht noch eine Chance; vielleicht war Blaustiel noch nicht pervertiert. Er setzte seine einhändige Fortbewegung den Schiffsachsen-Korridor entlang fort. Eine Minute später war er auf der Brücke, gefolgt von Ravna.

»Pham. Was ist los? Wir haben eine Menge zu entscheiden, aber…«

Wie Recht du hast. Er ließ sich in das Steuerdeck gleiten, auf das Pult zu. »Schiff. Erkennst du meine Stimme?«

Ravna begann: »Pham, was hat das…«

»Jawohl.«

»… zu bedeuten?«

»Befehlsbefugnisse«, sagte er. Die Befugnisse, die ihm für die Zeit gewährt worden waren, da sich die Skrodfahrer nicht an Bord befanden. Ob sie noch galten?

»Gewährt.«

Die Skrodfahrer hatten dreißig Stunden gehabt, um ihre Verteidigung zu planen. Das ging alles zu leicht, viel zu leicht. »Hebe die Befehlsbefugnisse für die Skrodfahrer auf. Isoliere sie.«

»Jawohl«, erwiderte das Schiff. Lügner! Doch was blieb ihm weiter übrig? Die andrängende Panik erreichte ihren Höhepunkt, und plötzlich fühlte er sich sehr kaltblütig. Er war einer von der Dschöng Ho — und er war auch Gottsplitter.

Beide Fahrer befanden sich in derselben Kabine, Grünmuschel im anderen Exemplar des Schiffschirurgen. Pham öffnete ein Fenster in den Raum. Blaustiel saß auf der Wand neben dem Chirurgen. Er sah verwelkt aus, wie damals, als sie von Sjandra Kei gehört hatten. Er streckte seine Wedel zur Videokamera hin. »Herr Pham. Das Schiff sagt uns, dass Sie unsere Befugnisse aufgehoben haben?«