»Golf spielen. Spielen Sie Golf?« fragte Rainger.
»Nein.«
Die beiden Autoren sahen sich bestürzt an. »Die ganzen Golfwitze im Eimer. Scheiße!«
O'Hanlon griff zum Telefon. »Bitte, bringen Sie uns einen Kaffee, Zsa Zsa.« Er legte wieder auf und sagte zu Toby: »Wissen Sie, wie viele Möchtegern-Komiker es in dieser seltsamen Branche gibt, in der wir arbeiten?«
Toby schüttelte den Kopf.
»Kann ich Ihnen genau sagen. Drei Milliarden siebenhundertacht-undzwanzig Millionen, gestern abend, sechs Uhr. Milton Berles Bruder nicht mitgerechnet. Bei Vollmond kriechen sie alle aus ihren Schlupfwinkeln. Es gibt nur ein halbes Dutzend echte Spitzenkomiker. Die anderen werden's nie schaffen. Spaß ist die ernsthafteste Sache der Welt. Es erfordert gottverdammte Anstrengung, komisch zu sein, ob man nun ein Komiker ist oder ein Komödiant.«
»Gibt es da einen Unterschied?«
»Einen großen. Ein Komiker öffnet komische Türen. Ein Komödiant öffnet Türen komisch.«
Rainger fragte: »Haben Sie sich je überlegt, was einen Komödianten zu einem Dauerbrenner und einen anderen zum Versager macht?«
»Die Texte«, sagte Toby, der ihnen schmeicheln wollte.
»Scheißdreck. Der letzte neue Witz wurde von Aristophanes erfunden. Im Grunde sind alle Witze gleich. George Burns kann dieselben sechs Witze erzählen, die sein Vorgänger im Programm gerade erst erzählt hat, und Burns hat den größeren Lacherfolg. Und wissen Sie, warum? Persönlichkeit.« Genau das hatte Clifton Lawrence ihm auch gesagt. »Ohne die sind Sie nichts, ein Niemand. Sie fangen mit
Persönlichkeit an und bauen sie zu einem Charakter aus. Nehmen Sie Hope, zum Beispiel. Wenn er herauskäme und einen Jack-BennyMonolog spräche, würde er wie eine Bombe einschlagen. Warum? Weil er einen Charakter aufgebaut hat. Das erwartet das Publikum von ihm. Wenn Hope auftritt, will das Publikum ein Feuerwerk von Witzen hören. Er ist ein liebenswerter Bursche, ein Großstadtjunge, der die Leute um den Finger wickelt. Jack Benny – genau das Gegenteil. Er wüsste nicht, was er mit einem Bob-Hope-Monolog anfangen sollte, aber er kann eine Pause von zwei Minuten einlegen und ein Publikum vor Lachen zum Brüllen bringen. Jeder der Marx Brothers hat seinen eigenen Charakter. Fred Allen ist einmalig. Damit sind wir bei Ihnen. Kennen Sie Ihr Problem, Toby? Sie sind ein bisschen von jedem. Sie imitieren all die Großen. Nun, das ist schön und gut, wenn Sie für den Rest Ihres Lebens zweite Garnitur sein wollen. Wenn Sie aber mehr erreichen möchten, müssen Sie sich einen eigenen Charakter schaffen. Wenn Sie auf der Bühne stehen, muss das Publikum, noch bevor Sie überhaupt den Mund aufmachen, wissen, dass da oben Toby Temple steht. Kapiert?«
»Ja.«
O'Hanlon schaltete sich ein. »Wissen Sie, was Sie haben, Toby? Ein liebenswertes Gesicht. Wenn ich nicht schon Clark Gable versprochen wäre, wäre ich verrückt nach Ihnen. Sie haben etwas Naiv-Süßes an sich. Wenn Sie das richtig verpacken, ließe sich ein Vermögen daraus machen.«
Rainger pflichtete O'Hanlon bei.
»Sie können ungestraft Dinge sagen, die die anderen Jungs nicht bringen dürfen. Es ist wie bei einem Chorknaben, der vor sich hinflucht – man findet es reizend, weil man nicht glaubt, dass er tatsächlich weiß, was er sagt. Als Sie hier reinkamen, fragten Sie, ob wir die Burschen seien, die Ihre Witze schreiben würden. Die Antwort lautet nein. Das hier ist kein Witzladen; wir werden Ihnen zeigen, was in Ihnen steckt und was Sie damit anfangen können. Wir werden einen Charakter für Sie zurecht-schneidern. Nun – was sagen Sie dazu?«
Toby sah von einem zum anderen, grinste überglücklich und sagte: »Krempeln wir die Ärmel hoch und gehen wir an die Arbeit.«
Von nun an aß Toby täglich mit O'Hanlon und Rainger im Studio zu Mittag. Die Kantine der Twentieth Century-Fox war ein riesiger Raum, der von einem Ende zum anderen mit Stars besetzt war. An jedem x-beliebigen Tag konnte Toby Tyrone Power und Loretta
Young und Betty Grable und Don Ameche und Alice Faye und Richard Widmark und Victor Mature und die Ritz Brothers und Dutzende anderer sehen. Einige saßen an Tischen in dem großen Saal, andere aßen in dem kleineren Direktoren-Speiseraum, der neben der Hauptkantine lag. Toby liebte es, sie alle zu beobachten. In kurzer Zeit würde er einer der Ihren sein, die Leute würden ihn um ein Autogramm bitten. Er war auf dem richtigen Weg, und er würde sie alle übertreffen.
Alice war begeistert von dem, was mit Toby geschah. »Ich weiß, du wirst es schaffen, Liebling.«
Toby lächelte sie an und schwieg.
Toby, O'Hanlon und Rainger führten lange Diskussionen über den neuen Typ, den Toby verkörpern sollte.
»Er sollte sich einbilden, ein kluger Mann, ein Mann von Welt zu sein«, sagte O'Hanlon. »Aber jedesmal, wenn er dran ist, macht er Mist.«
»Was macht er beruflich?« fragte Rainger. »Metaphern mischen?«
»Er sollte noch bei seiner Mutter leben. Er ist in ein Mädchen verliebt, aber er fürchtet sich davor, von zu Hause wegzuziehen, um sie zu heiraten. Schon fünf Jahre ist er mit ihr verlobt.«
»Zehn ist eine komischere Zahl.«
»Richtig. Also zehn. Seine Mutter würde selbst einen Hund zur Verzweiflung bringen. Jedesmal, wenn Toby heiraten möchte, wird sie krank. Das Time Magazin ruft jede Woche bei ihr an, um zu erfahren, was es in der Medizin Neues gibt.«
Toby war fasziniert von dem Schlagabtausch. Er hatte noch nie mit Profitextern gearbeitet, und es gefiel ihm. Besonders, da sich alles um ihn drehte. O'Hanlon und Rainger brauchten drei Wochen, um für Toby eine Nummer zu schreiben. Als sie sie ihm schließlich zeigten, war er begeistert. Sie war wirklich gut. Er machte ein paar Änderungsvorschläge, sie fügten ein paar Zeilen hinzu, strichen andere, und Toby Temple war fertig. Clifton Lawrence rief ihn zu sich.
»Sie fangen Sonnabend abend im Bowling Ball an.«
Toby starrte ihn an. Er hatte erwartet, an das Giro oder das Trocadero vermittelt zu werden. »Was – was ist der Bowling Ball?«
»Ein kleiner Club an der Südwest Avenue.«
Toby machte ein enttäuschtes Gesicht. »Ich habe noch nie davon gehört.«
»Und die haben von Ihnen auch noch nichts gehört. Darauf kommt's an, mein Junge. Wenn Sie da Mist machen, wird niemand etwas davon erfahren.« Außer Clifton Lawrence.
Der Bowling Ball war eine richtige Müllkippe. Es gab kein passenderes Wort dafür. Er war nicht besser und nicht schlechter als die zehntausend anderen schmutzigen kleinen Bars im ganzen Land, ein Treffpunkt für Versager. Toby war schon tausendmal da aufgetreten, in tausend Städten. Die Gäste waren Männer mittleren Alters, Arbeiter in dunklen Hemden ohne Krawatte, zu deren Freizeitgewohnheiten es gehörte, sich hier mit ihren Kumpeln zu treffen, mit den müden Kellnerinnen in ihren engen Röcken und tief ausgeschnittenen Blusen anzubändeln und bei einem billigen Whisky oder einem Glas Bier dreckige Witze zu erzählen. Die Show fand auf engem Raum im Hintergrund des Lokals statt, wo drei gelangweilte Musiker spielten. Ein homosexueller Sänger eröffnete die Vorstellung, ihm folgte ein akrobatischer Tänzer und dann eine Stripperin, die mit einer schläfrigen Kobra arbeitete.
Toby saß zusammen mit Clifton Lawrence, O'Hanlon und Rainger an einem Tisch, sah den anderen Darbietungen zu, lauschte dem Publikum und versuchte, dessen Stimmung abzuschätzen.
»Biertrinker«, sagte Toby verächtlich.
Clifton wollte etwas entgegnen, hielt sich aber zurück, als er Tobys Gesicht sah. Toby hatte Angst. Clifton wusste, dass Toby in Lokalen wie diesem schon früher aufgetreten war, aber diesmal war es anders. Diesmal kam es drauf an.
Clifton sagte freundlich: »Wenn Sie die Biertrinker in die Tasche stecken, wird die Champagnerbande ein leichter Gegner für Sie sein. Diese Leute arbeiten den ganzen Tag schwer, Toby. Wenn sie abends ausgehen, wollen sie etwas für ihr Geld. Wenn Sie die zum Lachen bringen können, schaffen Sie's bei allen.«