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»Rod, die Serie läuft schon seit fünf Jahren. Versuchen Sie bloß nicht, an einem Schlager herumzudoktern. Das Publikum mag Sie so, wie Sie sind.«

Der Kameramann trat zum Regisseur. »Alles klar, Chef.«

»Danke, Hai«, antwortete der Regisseur. Er wandte sich an Rod Han-son. »Können wir jetzt? Wir reden später noch mal darüber.«

»Eines Tages werde ich mir mit diesem Studio den Hintern abwischen«, knurrte Hanson und stelzte davon.

Jill wandte sich an den Regisseur, der jetzt allein war. Das war die Gelegenheit, um ihre Interpretation der Rolle darzulegen und ihm zu zeigen, dass sie seine Probleme verstand und ihm helfen würde, die Szene bedeutungsvoll zu machen. Sie lächelte ihn warm und freundlich an. »Ich bin Jill Castle«, sagte sie. »Ich spiele die Krankenschwester. Ich glaube, die Rolle könnte wirklich interessant sein, und ich habe auch schon einige Ideen, die -«

Er nickte abwesend, sagte: »Drüben ans Bett« und ging davon, um mit dem Kameramann zu sprechen.

Jill sah ihm verblüfft nach. Der zweite Regieassistent, der Ex-Schwager von Harriets Kusine, eilte zu Jill und sagte leise: »Um Himmels willen, haben Sie nicht gehört? Hinüber ans Bett!«

»Ich wollte ihn fragen -«

»Machen Sie keinen Mist!« flüsterte er böse. »Gehen Sie auf Ihren Platz!«

Jill ging zum Bett des Patienten hinüber.

»All right. Bitte Ruhe.« Der Regieassistent sah den Regisseur an. »Wollen Sie eine Probe, Chef?«

»Dafür? Nein, wir drehen gleich.«

»Beginnen wir. Ruhe überall, ich bitte um Ruhe: Bitte abfahren!«

Ungläubig sah Jill auf die Klappe. Sie blickte verzweifelt zum Regisseur hinüber, hätte ihn so gern gefragt, wie er die Szene interpretiert haben wollte, in welchem Verhältnis sie zu dem sterbenden Mann stünde, was für ein Mensch sie war -

Eine Stimme rief: »Kamera läuft!«

Alle sahen erwartungsvoll auf Jill. Sie überlegte, ob sie es wagen dürfte zu bitten, die Kamera eine Sekunde zu stoppen, damit sie die Szene diskutieren könnte und -

Der Regisseur brüllte: »Mein Gott im Himmel! Schwester! Hier ist kein Leichenschauhaus – hier ist ein Krankenzimmer. Fühlen Sie schon seinen gottverdammten Puls, ehe er an Altersschwäche eingeht!«

Jill sah ängstlich in das helle Licht um sie herum. Sie holte tief Atem, hob die Hand des Patienten und fühlte seinen Puls. Wenn sie ihr nicht helfen wollten, würde sie die Szene eben auf ihre Weise interpretieren müssen. Der Patient war der Vater des Arztes. Die beiden hatten sich gestritten. Der Vater war in einen Unfall verwickelt worden, und der Arzt war gerade benachrichtigt worden. Jill blickte auf und sah Rod Hanson,

der zu ihr trat und fragte: »Wie geht es ihm, Schwester?«

Jill blickte in die Augen des Arztes und las Besorgnis darin. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen, dass sein Vater im Sterben liege und dass es zu spät für sie beide sei, den Streit beizulegen. Doch musste sie es ihm so beibringen, dass es ihn nicht vernichten würde und -

Der Regisseur brüllte: »Aus! Aus! Aus! Gottverdammt noch mal, die Idiotin hat nur einen Satz zu sprechen und kann nicht mal den behalten. Wo habt ihr die denn her – vom Arbeitsamt?«

Jill wandte sich der wütenden Stimme zu. »Ich – ich kann meinen Satz«, sagte sie empört. »Ich wollte bloß -«

»Nun, wenn Sie ihn können, um Himmels willen, warum sagen Sie ihn dann nicht? Die Pause ist viel zu lang! Also, wenn er Ihnen die gottverdammte Frage stellt, dann beantworten Sie sie. Okay?«

»Ich wollte doch bloß wissen, ob -«

»Also alles noch mal von vorn, Kamera ab!«

»Alles bereit, Kamera läuft!«

Jill zitterten die Knie. Es schien, dass sie die einzige war, die für die Szene Interesse zeigte. Alles, was sie wollte, war, etwas Schönes zu schaffen. Die heißen Jupiterlampen machten sie schwindlig, und sie konnte den Schweiß an ihren Armen hinunterrinnen fühlen, spürte, wie er ihre saubere, gestärkte Schwesterntracht ruinierte.

»Also, bitte, Schwester!«

Jill stand über den Patienten gebeugt und fühlte ihm den Puls. Wenn sie die Szene noch mal verpatzte, würde man ihr nie wieder eine Rolle geben. Sie dachte an Harriet und an ihre Freunde in der Pension und an das, was sie sagen würden.

Sie wäre nicht mehr eine von ihnen. Sie wäre eine Zielscheibe des Spotts. Hollywood war eine kleine Stadt. So etwas sprach sich schnell herum.

Der Arzt kam herein und trat zu ihr. »Wie geht es ihm, Schwester?«

»Ich fürchte, nicht sehr gut, Doktor.«

Kein anderes Studio würde sie beschäftigen. Es wäre ihr letzter Job. Es wäre das Ende von allem.

Der Arzt sagte: »Ich möchte, dass dieser Mann auf die Intensivstation verlegt wird, sofort.«

»Gut!« rief der Regisseur. »Gestorben, wird kopiert.«

Jill nahm die Atelierarbeiter, die an ihr vorübereilten, kaum wahr; sie bauten die Dekoration ab, um die nächste aufzubauen. Sie hatte ihren ersten Auftritt gehabt – und dabei an etwas anderes gedacht. Sie konnte einfach nicht glauben, dass es schon vorbei war. Sie fragte sich, ob sie den Regisseur aufsuchen und ihm danken sollte, aber er war auf der anderen Seite des Ateliers und sprach mit einer Gruppe von Leuten. Der Regieassistent trat zu ihr, drückte ihren Arm und sagte: »Das haben Sie gut gemacht, Kindchen. Bloß lernen Sie nächstes Mal Ihren Text.«

Sie war in ihrem ersten Film aufgetreten; hatte ihren ersten Rollennachweis. Von jetzt an, dachte Jill, werde ich nur noch arbeiten.

Jill bekam ihren nächsten Job dreizehn Monate später, als sie bei MGM eine Nebenrolle spielte. Inzwischen arbeitete sie in einer Reihe von bürgerlichen Berufen. Sie wurde Avon-Beraterin, sie bediente in einem Cola-Ausschank und fuhr kurze Zeit ein Taxi.

Als ihr Geld zur Neige ging, beschloss Jill, zusammen mit Harriet Marcus ein Apartment zu mieten. Es war eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, und Harriet machte von ihrem Schlafzimmer fleißig Gebrauch. Harriet arbeitete als Mannequin in einem Warenhaus. Sie war ein attraktives Mädchen mit kurzem, schwarzem Haar, schwarzen Augen, der knabenhaften Figur eines Mannequins und mit Sinn für Humor.

»Wenn man aus Hoboken kommt«, sagte sie zu Jill, »ist es besser, wenn man Humor hat.«

Anfangs war Jill durch Harriets kühle Selbstsicherheit eingeschüchtert gewesen, aber bald merkte sie, dass Harriet hinter dieser blasierten Fassade ein warmherziges, verschrecktes Kind war. Sie war dauernd verliebt. Als Jill ihr zum erstenmal begegnete, sagte Harriet: »Ich möchte, dass Sie Ralph kennenlernen. Wir werden nächsten Monat heiraten.«

Eine Woche später war Ralph unter Mitnahme von Harriets Auto mit unbekanntem Ziel verzogen.

Ein paar Tage, nachdem Ralph verschwunden war, lernte Harriet Tony kennen. Er war im Import-Export-Geschäft, und Harriet verliebte sich Hals über Kopf in ihn.

»Er ist sehr bedeutend«, vertraute Harriet Jill an. Aber irgend jemand war offensichtlich nicht dieser Meinung, denn Tony wurde einen Monat später im Los Angeles River treibend gefunden.

Alex war Harriets nächste Liebe.

»Er ist der bestaussehende Mann, der dir je begegnet ist«, versicherte Harriet Jill.

Alex sah sehr gut aus. Er trug teure Anzüge, fuhr ein schickes Kabriolett und verbrachte viel Zeit auf der Rennbahn. Die Romanze dauerte so lange, bis Harriet kein Geld mehr hatte. Es regte Jill auf, dass Harriet so wenig Vernunft in Bezug auf Männer zeigte.