»Ich kann nichts dafür«, gestand Harriet. »Ich werde immer wieder von Burschen angezogen, die in Schwierigkeiten stecken. Ich glaube, es ist mein Mutterinstinkt.« Sie grinste und fügte hinzu: »Meine Mutter war eine Idiotin.«
Jill sah Harriets Verlobte in einer Prozession kommen und gehen.
Da waren Nick und Bobby und John und Raymond, bis Jill sich schließlich nicht mehr auf dem Laufenden halten konnte.
Ein paar Monate, nachdem sie zusammengezogen waren, teilte Harriet ihr mit, dass sie schwanger sei.
»Ich glaube, es war Leonard«, witzelte sie, »aber weißt du – im Dun-
keln sehen sie alle gleich aus.«
»Wo ist Leonard?«
»Entweder in Omaha oder Okinawa. In Geographie war ich immer miserabel.«
»Und was wirst du jetzt tun?«
»Ich werde mein Baby bekommen.«
Wegen ihrer schmächtigen Figur war Harriets Schwangerschaft schon nach wenigen Wochen zu sehen, und sie musste ihren Job als Mannequin aufgeben. Jill fand Arbeit in einem Supermarkt, so dass sie sie beide ernähren konnte.
Als Jill eines Nachmittags nach Hause kam, fand sie einen Zettel von Harriet, auf dem stand: »Ich wollte schon immer, dass mein Baby in Ho-boken geboren wird. Ich gehe nach Hause zurück. Ich wette, da wartet ein wundervoller Mann auf mich. Danke für alles.« Der Zettel war unterschrieben mit: »Harriet, die Nonne.«
In dem Apartment war es plötzlich einsam geworden.
21.
Toby Temple befand sich wie in einem Rausch. Er war zweiundvierzig, und ihm gehörte die Welt. Er scherzte mit Königen und spielte Golf mit Präsidenten, doch seinen Millionen biertrinkender Fans machte das nichts aus, weil sie wussten, dass Toby einer von ihnen war, ihr Champion, der alle die heiligen Kühe molk, die Großen und Mächtigen verspottete, die Losungsworte des Establishments zerstörte. Sie liebten Toby, weil sie wussten, dass auch er sie liebte.
In allen seinen Interviews sprach er über seine Mutter, und sie wurde mehr und mehr zu einer Heiligen. Für Toby war das die einzige Möglichkeit, seinen Erfolg mit ihr zu teilen.
Toby erwarb einen herrlichen Besitz in Bel-Air. Das Haus war im Tu-dor-Stil gebaut, hatte acht Schlafzimmer und ein riesiges Treppenhaus mit geschnitzter Täfelung. Es gab ein Kino, ein Spielzimmer, einen Weinkeller, und auf dem Gelände befanden sich ein Swimming-pool, ein Anbau für die Haushälterin und zwei Gästehäuser. Er kaufte sich eine elegante Villa in Palm Springs, eine Anzahl Rennpferde und stellte ein Trio von Handlangern ein. Toby nannte sie alle »Mac«, und sie beteten ihn an. Sie machten Botengänge, chauffierten ihn, beschafften ihm zu jeder Tages- oder Nachtzeit Mädchen, machten Ausflüge mit ihm, massierten ihn. Was immer der Herr wünschte, die drei Macs waren stets bereit, ihm seine Launen zu erfüllen. Sie waren die Spaßmacher für den Spaßmacher der Nation. Toby hatte vier Sekretärinnen, von denen zwei sich ausschließlich um die ungeheure Flut der Fanpost kümmern mussten. Seine Privatsekretärin war eine hübsche einundzwanzigjährige Blondine namens Sherry. Ihr Körper musste von einem Sexbesessenen erschaffen worden sein, und Toby bestand darauf, dass sie kurze Röcke und nichts darunter trug. Es ersparte beiden eine Menge Zeit.
Die Premiere von Toby Temples erstem Kinofilm war bemerkenswert gut über die Bühne gegangen. Sam Winters und Clifton Lawrence
waren im Uraufführungstheater. Anschließend gingen alle zu Chasen, um über den Film zu diskutieren.
Nachdem das Geschäft zustande gekommen war, hatte Toby seine erste Begegnung mit Sam genossen. »Es wäre billiger gewesen, wenn Sie meine Telefonanrufe erwidert hätten«, meinte Toby, und er erzählte Sam, wie er versucht hatte, ihn zu erreichen.
»Mein Pech«, sagte Sam zerknirscht.
Jetzt, bei Chasen, wandte sich Sam an Clifton Lawrence. »Wenn Sie nicht gerade einen Arm und ein Bein von mir verlangen, würde ich gern für eine neue dreiteilige Filmserie mit Toby abschließen.«
»Nur einen Arm. Ich werde Sie morgen früh anrufen«, antwortete der Agent. Er blickte auf seine Uhr. »Ich muss weg.«
»Wohin gehen Sie?« fragte Toby.
»Ich treffe mich mit einem anderen Klienten. Ich habe andere Klienten, mein Junge.«
Toby sah ihn sonderbar an und sagte dann: »Natürlich.«
Die Kritiken am nächsten Morgen glichen Hymnen. Jeder Kritiker prophezeite, Toby Temple werde beim Film ein ebenso großer Star wie beim Fernsehen werden.
Toby las alle Besprechungen und rief dann Clifton Lawrence an.
»Gratuliere, mein Junge«, sagte der Agent. »Haben Sie den Reporter und Variety gelesen? Das sind geradezu Liebesbriefe.«
»Hab ich. Es ist wie im Schlaraffenland, und ich bin eine große, fette Ratte. Kann es für mich noch etwas Schöneres geben?«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, dass Ihnen eines Tages die Welt gehören würde, Toby, und nun ist es soweit. Sie haben's geschafft.«
»Cliff, ich hätte gern mit Ihnen gesprochen. Könnten Sie herkommen?«
»Natürlich. Um fünf Uhr könnte ich's einrichten und -«
»Ich meine jetzt.«
Ein kurzes Zögern, dann antwortete Clifton: »Ich habe Verabredungen bis -«
»Oh, wenn Sie zu beschäftigt sind, vergessen Sie's.« Und Toby legte auf.
Eine Minute später rief Clifton Lawrences Sekretärin an und sagte: »Mr. Lawrence ist auf dem Weg zu Ihnen, Mr. Temple.«
Clifton Lawrence saß auf Tobys Couch. »Um Himmels willen, Toby. Sie wissen, dass ich für Sie nie zu beschäftigt bin. Ich habe nicht geahnt, dass Sie mich gleich sprechen wollten, sonst hätte ich keine anderen Verabredungen getroffen.«
Toby starrte ihn schweigend an und ließ ihn schwitzen. Clifton räusperte sich und sagte: »Nun reden Sie schon! Sie sind mein Klient Nummer eins. Wissen Sie das nicht?«
Und das stimmt, dachte Clifton. Ich habe ihn zu dem gemacht, was er ist. Er ist meine Schöpfung. Und ich genieße seinen Erfolg genauso wie er.
Toby lächelte. »Bin ich das wirklich, Cliff?« Er konnte förmlich sehen, wie die Spannung aus dem Körper des kleinen Agenten wich. »Ich fing schon an zu zweifeln…«
»Was soll das heißen?«
»Sie haben so viele Klienten, dass ich manchmal den Eindruck habe, Sie kümmern sich nicht genug um mich.«
»Das ist nicht wahr. Ich widme Ihnen mehr Zeit als -«
»Ich würde es gern sehen, dass Sie nur noch mich vertreten, Cliff.«
Clifton lächelte. »Sie scherzen.«
»Nein. Ich meine es ernst.« Toby sah das Lächeln aus Cliftons Gesicht schwinden. »Ich glaube, ich bin wichtig genug, um meinen eigenen Agenten zu haben – und wenn ich sage, meinen eigenen Agenten, dann meine ich nicht jemanden, der für mich keine Zeit hat, weil er sich um ein Dutzend andere Leute kümmern muss. Es ist wie beim Gruppensex, Cliff. Irgend jemand bleibt immer mit einem Ständer zurück.«
Clifton musterte ihn einen Augenblick und sagte dann: »Machen Sie uns einen Drink.« Während Toby zur Bar hinüberging, saß Clifton grübelnd da. Er kannte das wirkliche Problem – es lag weder an Tobys Egoismus noch an seiner übersteigerten Selbsteinschätzung.
Es hatte mit Tobys Einsamkeit zu tun. Toby war der einsamste Mann, den Clifton je kennengelernt hatte. Clifton hatte miterlebt, wie Toby sich Frauen dutzendweise gekauft hatte und ebenso versucht hatte, sich mit verschwenderischen Geschenken Freunde zu kaufen. Stets bezahlte Toby alle Rechnungen. Clifton hatte einmal einen Musiker zu Toby sagen hören: »Sie haben es nicht nötig, sich Liebe zu kaufen, Toby. Jeder liebt Sie sowieso.« Toby hatte ihm zugezwinkert und geantwortet: »Warum etwas riskieren?«
Der Musiker wurde nie mehr in Tobys Show beschäftigt.
Toby wollte, dass jeder ihm alles gab. Er war von einer Gier besessen, und je mehr er errang, desto stärker wurde seine Gier.