Toby und Jill sahen sich einen jungen Komiker im Fernsehen an.
»Er ist erbärmlich«, schnaubte Toby. »Verdammt noch mal, ich wünschte, ich könnte wieder auf dem Bildschirm erscheinen. Vielleicht sollte ich einen Agenten nehmen. Jemand, der sich in der Stadt umtut und erfährt, was los ist.«
»Nein!« Jills Stimme klang entschieden. »Es kommt nicht in Frage, dass jemand mit dir hausieren geht. Du bist nicht irgendein Landstreicher, der Arbeit sucht. Du bist Toby Temple. Wir werden dafür sorgen, dass sie zu dir kommen.«
Toby lächelte schief und sagte: »Sie werden uns nicht gerade die Tür einrennen, Baby.«
»Sie werden«, versprach Jill. »Sie wissen nur nicht, in welcher Form du bist. Du bist jetzt besser denn je. Wir müssen es ihnen nur zeigen.«
»Vielleicht sollte ich als Akt posieren.«
Jill hörte ihm nicht zu. »Ich habe eine Idee«, sagte sie bedächtig. »Eine Ein-Mann-Show.«
»Was?«
»Eine Ein-Mann-Show.« In ihrer Stimme schwang wachsende Erregung mit. »Ich werde das Huntington Hartford Theatre dafür mieten. Ganz Hollywood wird dasein. Und hinterher werden sie dir die Tür einrennen!«
Und ganz Hollywood war tatsächlich da: Produzenten, Regisseure, Kollegen, Kritiker – all diejenigen, die im Showgeschäft zählten. Das Theater an der Vine Street war im Nu ausverkauft, und Hunderte waren abgewiesen worden. Eine jubelnde Menge drängte sich davor, als Toby und Jill eintrafen. Es war ihr Toby Temple. Er war von den Toten auferstanden und zu ihnen zurückgekehrt, und sie liebten ihn mehr denn je.
Das Publikum war zum Teil aus Respekt vor einem Mann da, der berühmt und groß gewesen war, die meisten aber waren aus Neugier gekommen. Sie waren da, um einem sterbenden Helden, einem erlöschenden Star Tribut zu zollen.
Jill hatte die Show persönlich zusammengestellt. Sie war zu O'Hanlon und Rainger gegangen, und die hatten ein glänzendes Repertoire geschrieben, das mit einem Monolog begann, in dem die Stadt auf die Schippe genommen wurde, weil sie Toby begrub, während er noch am Leben war. Jill hatte sich an ein Team von Liedertextern gewandt, das bereits mehrere Preise gewonnen hatte. Sie hatten noch nie für einen speziellen Interpreten geschrieben, aber
als Jill sagte: »Toby beteuert, dass Sie die einzigen Texter der Welt sind, die…«
Dick Landry kam aus London angeflogen, um die Show zu inszenieren.
Jill hatte die besten Leute zusammengetrommelt, um Toby zu unterstützen, aber letztlich würde alles von dem Star selbst abhängen. Es war eine Ein-Mann-Show, und er würde ganz allein auf der Bühne stehen.
Und der Augenblick kam. Die Lichter des Hauses verlöschten, und das Theater war von jener erwartungsvollen Ruhe erfüllt, die dem Heben des Vorhanges vorangeht, von dem Stoßgebet, dass an diesem Abend ein Wunder geschehen möge.
Das Wunder geschah.
Als Toby Temple auf die Bühne schlenderte, mit sicherem und festem Schritt, mit dem bekannten schelmischen Lächeln, das sein knabenhaftes Gesicht erhellte, hielten alle den Atem an, und frenetischer Applaus brach los, ein Jubel, der das Theater volle fünf Minuten erschütterte.
Toby stand da, wartete auf das Abklingen des Höllenlärms, und als das Publikum sich schließlich beruhigt hatte, sagte er: »Das nennen Sie einen Empfang?« Und sie brüllten vor Lachen.
Er war glänzend. Er erzählte Geschichten und sang und tanzte, und er attackierte jeden, und es war, als ob er nie fortgewesen wäre. Das Publikum konnte nicht genug von ihm kriegen. Er war immer ein Superstar gewesen, aber jetzt war er mehr; er war zur lebenden Legende geworden.
Im Variety war am nächsten Tag zu lesen: »Sie kamen, um Toby Temple zu begraben, aber sie blieben, um ihn zu preisen und ihm zuzujubeln. Und wie er es verdiente! Es gibt niemanden im Showgeschäft, der den Zauber des alten Meisters hat. Es war ein Abend der Ovationen, und niemand, der das Glück hatte dabeizusein, wird diesen denkwürdigen Abend je vergessen…«
Der Kritiker des Hollywood Reporter schrieb: »Das Publikum war da, um einen großen Star zurückkehren zu sehen, aber Toby Temple bewies, dass er nie fort gewesen war.«
Auch alle anderen Kritiken lobten und priesen ihn in den höchsten Tönen. Von diesem Augenblick an klingelten Tobys Telefone unaufhörlich. Briefe und Telegramme mit Einladungen und Angeboten häuften sich.
Man rannte ihm die Tür ein.
Toby wiederholte seine Ein-Mann-Show in Chicago, Washington und New York; überall, wohin er kam, war er eine Sensation. Jetzt interessierte man sich mehr für ihn denn je zuvor. In einer Welle der Nostalgie wurden Tobys alte Filme in Filmkunsttheatern und an Universitäten gezeigt. Fernsehstationen veranstalteten eine Toby-Temple-Woche und brachten seine alten Variete-Aufzeichnungen.
Es gab Toby-Temple-Puppen und Toby-Temple-Spiele und Toby-Temple-Puzzles und Comic-Hefte und T-Shirts. Hersteller von Kaffee und Zigaretten und Zahnpasta machten mit ihm Reklame.
Toby wirkte in einem Musikfilm bei Universal mit und verpflichtete sich, Gastrollen in allen großen Variete-Veranstaltungen zu geben. Die konkurrierenden Fernsehanstalten hatten ihre Autoren beauftragt, Konzeptionen für eine neue Toby-Temple-Stunde zu entwickeln.
Die Sonne war wieder aufgegangen, und sie schien auf Jill.
Es gab wieder Parties und Empfänge, und da waren dieser Botschafter und jener Senator und Privatfilmvorführungen und… Jeder wollte das Paar überall dabeihaben. Sie wurden zum Dinner ins Weiße Haus eingeladen, eine Ehre, die gewöhnlich Staatsoberhäuptern vorbehalten blieb. Sie wurden mit Applaus bedacht, wo immer sie erschienen.
Aber jetzt galt der Applaus ebensosehr Jill wie Toby. Die Geschichte ihres großartigen Einsatzes, ihrer Großtat, Toby gegen jede Aussicht auf Erfolg allein wieder gesund gemacht zu haben, hatte die Phantasie der Welt entflammt. Sie wurde von der Presse als die Liebesgeschichte des Jahrhunderts gefeiert. Das Magazin Time brachte die beiden als Titelbild, und die dazugehörige Story war eine einzige Huldigung für Jill.
In einem Fünf-Millionen-Dollar-Vertrag wurde Toby als Star für eine neue wöchentliche Fernsehshow verpflichtet, die bereits im September, also schon in zwölf Wochen, anlaufen sollte.
»Wir gehen nach Palm Springs, damit du dich inzwischen ausruhen kannst«, sagte Jill.
Toby schüttelte den Kopf. »Du bist lange genug eingesperrt gewesen. Jetzt wollen wir etwas vom Leben haben.« Er legte seine Arme um sie und fügte hinzu: »Ich bin nicht sehr wortgewandt, Baby, und was herauskommt, sind meistens nur Witze. Ich weiß nicht, wie ich dir sagen soll, was ich für dich empfinde. Ich – du solltest wissen, dass mein Leben eigentlich erst begann, als ich dich kennenlernte.« Er wandte sich jäh ab, damit Jill seine Tränen nicht sehen konnte.
Toby vereinbarte eine Europa-Tournee mit seiner Ein-Mann-Show, die nach London, Paris und sogar nach Moskau führen sollte. Jeder kämpfte darum, ihn zu engagieren. Er war in Europa inzwischen genauso berühmt wie in Amerika.
Sie waren mit dem Boot unterwegs, an einem sonnigen, funkelnden Tag, und segelten nach Catalina. An Bord war ein Dutzend Gäste, unter
ihnen Sam Winters und O'Hanlon und Rainger, die als Hauptautoren für die Texte von Tobys neuer Fernsehshow ausersehen worden waren. Alle hielten sich im Salon auf, spielten und plauderten miteinander. Jill blickte umher und bemerkte, dass Toby nicht da war. Sie ging auf das Deck hinauf.
Toby stand an der Reling und starrte auf die See. Jill trat zu ihm. »Fühlst du dich nicht wohl?« fragte sie.
»Ich betrachte nur das Wasser, Baby.«
»Es ist herrlich, nicht wahr?«
»Für einen Hai vielleicht.« Er schauderte. »Aber ich möchte nicht darin sterben. Ich habe immer große Angst vor dem Ertrinken gehabt.«
Sie legte ihre Hand auf seine. »Was hast du nur?«
Er sah sie an. »Ich will nicht sterben. Ich fürchte mich vor dem, was da draußen ist. Hier bin ich ein großer Mann. Jeder kennt Toby Temple. Aber da draußen…? Weißt du, wie ich mir die Hölle vorstelle? Als einen Ort, wo es kein Publikum gibt.«