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»Es ist eine Strafe Gottes, weil wir deinen Vater getötet haben«, pflegte Josephines Mutter zu dem Kind zu sagen, und da Josephine zu jung war, um die Bedeutung dieser Worte zu verstehen, wusste sie nur, dass sie etwas Schlechtes getan hatte, und sie wünschte, sie wüsste, was es war, damit sie ihrer Mutter sagen könnte, es täte ihr leid.

5.

Am Anfang war Toby Temples Krieg ein Alptraum.

In der Armee war er ein Niemand, eine Nummer in einer Uniform wie Millionen andere, gesichtslos, namenlos, anonym.

Er wurde in ein Grundausbildungslager in Georgia geschickt und dann nach England verschifft, wo seine Einheit einem Lager in Sussex zugeteilt wurde. Toby sagte dem Feldwebel, dass er den kommandierenden General sprechen wolle. Er kam bis zu einem Hauptmann. Sein Name war Sam Winters. Er war ein intelligenter, gebildeter Mann Anfang Dreißig. »Was haben Sie auf dem Herzen, Soldat?«

»Es ist folgendes, Hauptmann«, begann Toby. »Ich bin Unterhaltungskünstler. Ich bin im Showgeschäft tätig. Das heißt, das habe ich im Zivilleben gemacht.«

Hauptmann Winters lächelte über seinen Eifer. »Was genau machen Sie?« fragte er.

»Ein bisschen von allem«, erwiderte Toby. »Ich bringe Imitationen und Parodien und…« Er sah den Ausdruck in den Augen des Hauptmanns und endete stockend: »… solche Sachen.«

»Wo haben Sie gearbeitet?«

Toby begann zu sprechen und hielt dann inne. Es war hoffnungslos. Der Hauptmann würde nur von Städten wie New York und Hollywood beeindruckt sein. »Kein Ort, von dem Sie je gehört hätten«, erwiderte Toby. Er wusste jetzt, dass er seine Zeit vergeudete.

Hauptmann Winters sagte: »Es hängt nicht von mir ab, aber ich werde sehen, was ich tun kann.«

»Klar«, sagte Toby. »Vielen Dank, Hauptmann.« Er salutierte und ging. Hauptmann Winters saß an seinem Schreibtisch und dachte noch lange, nachdem Toby gegangen war, über den Jungen nach. Sam Winters war Soldat geworden, weil er der Meinung war, dass dies ein Krieg sei, der durchgekämpft und gewonnen werden musste. Gleichzeitig hasste er ihn aufgrund dessen, was er jungen Burschen wie Toby Temple antat. Aber wenn Temple wirklich begabt war, würde er sich früher oder später durchsetzen, denn Begabung war wie eine zarte Blume, die sich unter festem Boden entwickelt. Schließlich konnte nichts sie hindern, zu sprossen und zu blühen. Sam Winters hatte einen guten Job als Filmproduzent in Hollywood aufgegeben, um in die Armee einzutreten. Er hatte verschiedene erfolgreiche Filme für die Pan-Pacific-Studios produziert und hatte Dutzende von Hoffnungsvollen wie Toby Temple kommen und gehen sehen. Sie verdienten zumindest eine Chance. Im Laufe des Nachmittags sprach er mit Oberst Beech über Toby. »Ich glaube, wir sollten ihn von der Wehrbetreuung prüfen lassen«, sagte Hauptmann Winters. »Ich habe den Eindruck, dass er Talent hat, und weiß Gott, die Jungs werden alle nur erdenkliche Unterhaltung brauchen.«

Oberst Beech starrte Hauptmann Winters an und sagte kühclass="underline" »Gut, Hauptmann, schicken Sie mir eine Aktennotiz darüber.« Er blickte Hauptmann Winters nach, als er hinausging. Oberst Beech war Berufsoffizier, West-Point-Mann und Sohn eines West-Point-Mannes. Der Oberst verachtete alle Zivilisten, und für ihn war Hauptmann Winters ein Zivilist. Eine Uniform und die Spangen eines Hauptmanns machten noch keinen Soldaten. Als Oberst Beech die Aktennotiz über Toby Temple von Hauptmann Winters bekam, warf er einen Blick darauf und kritzelte dann wütend quer darüber »Antrag abgelehnt« und unterschrieb.

Danach fühlte er sich besser.

Am meisten vermisste Toby das Publikum. Er musste sein Gefühl für Timing, seine Kenntnisse und Fähigkeiten weiterentwickeln. Er erzählte Witze, trug Imitationen vor und gab sein Repertoire bei jeder Gelegenheit zum besten. Es spielte keine Rolle, ob sein Publikum zwei GIs waren, die mit ihm auf einsamem Gelände Wache schoben, ein Omnibus mit Soldaten auf dem Weg zur Stadt oder ein Tellerwäscher, der Küchendienst hatte. Toby musste sie zum Lachen bringen, musste ihren Beifall gewinnen.

Hauptmann Sam Winters sah eines Tages zu, als Toby eine seiner Nummern im Aufenthaltsraum vorführte. Danach ging er auf Toby zu und sagte: »Tut mir leid, dass Ihre Versetzung nicht geklappt hat, Temple. Ich halte Sie für begabt. Wenn der Krieg vorbei ist und wenn Sie nach Hollywood kommen, besuchen Sie mich.« Er grinste und fügte hinzu: »Vorausgesetzt, ich habe da immer noch einen Job.« In der folgenden Woche kam Tobys Bataillon an die Front.

Wenn Toby sich in späteren Jahren an den Krieg erinnerte, waren es nicht die Schlachten, die er im Gedächtnis behalten hatte. In Saint L6 war er ein toller Erfolg gewesen, als er zu einer Bing-Crosby-Platte sang und agierte. In Aachen war er ins Lazarett geschlichen und hatte den Verwundeten zwei Stunden lang Witze erzählt, ehe die Schwestern ihn hinauswarfen. Er erinnerte sich mit Befriedigung, dass ein GI derart gelacht hatte, dass alle seine Nähte geplatzt waren. In Metz war er nicht angekommen, aber Toby war der Meinung, dass es nur an der Nervosität des Publikums gelegen hatte, weil Nazi-Bomber die Stadt überflogen.

Tobys Bewährung im Kampfgeschehen war eher zufälliger Natur. Er wurde für seinen Einsatz bei der Gefangennahme eines deutschen Kommandopostens lobend erwähnt. In Wirklichkeit hatte Toby keine Ahnung gehabt, was sich abspielte. Er hatte John Wayne nachgeahmt und war so fortgerissen worden, dass alles vorüber war, ehe er auch nur Angst haben konnte.

Für Toby war nur seine Unterhaltungskunst wichtig. In Cherbourg ging er mit zwei Freunden in ein Bordell, und während sie oben waren, blieb Toby unten im Salon und gab für Madame und zwei ihrer Mädchen sein Repertoire zum besten. Danach schickte ihn Madame als Gast des Hauses nach oben.

Das war Tobys Krieg. Alles in allem war er nicht schlecht, und die Zeit ging schnell vorüber. 1945, bei Kriegsende, war Toby beinahe fünfundzwanzig. Äußerlich war er keinen Tag älter geworden. Er hatte dasselbe freundliche Gesicht und dieselben verführerischen blauen Augen und dieselbe hilflose, unschuldige Art.

Alle redeten über die Heimkehr. Da warteten eine junge Frau in Kansas City, eine Mutter und ein Vater in Bayonne, ein Geschäft in Saint Louis. Auf Toby wartete nichts und niemand. Außer Berühmtheit.

Er entschloss sich, nach Hollywood zu gehen. Es war langsam Zeit, dass Gott sein Versprechen einlöste.

»Kennt ihr Gott? Habt ihr das Gesicht von Jesus gesehen? Ich habe Ihn gesehen, Brüder und Schwestern, und ich habe Seine Stimme gehört, aber Er spricht nur zu denen, die vor Ihm knien und ihre Sünden bekennen. Gott verabscheut die Unbußfertigen. Der Bogen des göttlichen Zorns ist gespannt, und der lodernde Pfeil Seines gerechten Zorns zielt auf eure bösen Herzen, und jeden Augenblick wird Er loslassen, und der Pf eil Seiner Strafe wird eure Herzen durchbohren! Schaut zu Ihm auf, ehe es zu spät ist!«

Josephine blickte entsetzt zur Spitze des Zeltes empor, wartete darauf, dass ein lodernder Pfeil auf sie herunterzischte. Sie drückte die Hand ihrer Mutter, aber ihre Mutter war sich dessen nicht bewusst. Ihr Gesicht glühte, und ihre Augen glänzten vor Inbrunst.