Выбрать главу

Mrs Vandemeyers Gesicht verriet Entschlossenheit. «Ich tue es. Es ist ein großer Betrag. Und abgesehen davon», sie lächelte unergründlich, «ist es nicht klug gehandelt, eine Frau wie mich ausbooten zu wollen!»

Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Plötzlich fuhr sie zusammen. «Was war das?»

«Ich habe nichts gehört.»

«Vielleicht belauscht uns jemand.»

«Unsinn!»

«Auch die Wände können Ohren haben», flüsterte die andere. «Ich habe Angst. Sie kennen ihn nicht!»

«Denken Sie an die hunderttausend Pfund!»

Mrs Vandemeyer fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. «Sie kennen ihn nicht! Es ist…»

Mit einem Schrei des Entsetzens sprang sie auf. Mit ausgestreckter Hand deutete sie über Tuppences Kopf hinweg. Dann stürzte sie ohnmächtig zu Boden. Tuppence blickte sich um.

In der Tür standen Sir James Peel Edgerton und Julius Hersheimer. 

13

Sir James stürzte an Hersheimer vorbei und beugte sich hastig über die am Boden liegende Frau. «Das Herz! Der Schrecken, uns so plötzlich zu sehen, muss einen Herzanfall herbeigeführt haben. Schnell etwas Kognak oder sie stirbt uns unter den Händen!»

«Hier ist keiner», rief Tuppence über ihre Schulter Hersheimer zu. «In der Karaffe im Esszimmer. Zweite Tür rechts.»

Sir James und Tuppence hoben Mrs Vandemeyer auf und legten sie aufs Bett. Sie betupften ihr Gesicht mit Wasser, aber es blieb ohne Erfolg. Der Anwalt fühlte ihren Puls. «Es steht auf der Kippe», murmelte er. «Wenn nur Hersheimer sich mit dem Kognak etwas beeilte.»

In diesem Augenblick betrat Hersheimer wieder das Zimmer. Er trug ein halb gefülltes Glas in der Hand, das er Sir James reichte. Tuppence hob Mrs Vandemeyers Kopf, während der Anwalt versuchte, ihr ein wenig Kognak zwischen die Lippen zu träufeln. Schließlich öffnete die Frau die Augen. Tuppence hielt ihr das Glas an die Lippen. «Trinken Sie!»

Mrs Vandemeyer gehorchte. Nachdem sie den Kognak getrunken hatte, stieg wieder etwas Farbe in ihre Wangen und sie lebte überraschend schnell auf. Sie versuchte sich aufzurichten und sank mit einem Stöhnen wieder zurück.

«Es ist mein Herz», flüsterte sie, «ich darf nicht reden.»

Sir James fühlte noch eine Weile ihren Puls, erhob sich dann und nickte. «Jetzt wird sie es schaffen.»

Alle drei entfernten sich ein wenig und sprachen mit leiser Stimme. Im Augenblick war wenig zu tun, da es gar nicht in Frage kam, Mrs Vandemeyer einem Verhör zu unterwerfen. Tuppence berichtete, dass Mrs Vandemeyer sich bereit erklärt hatte, das Geheimnis um Mr Brown zu lüften, und ihnen helfen wolle, Jane Finn ausfindig zu machen. Hersheimer beglückwünschte sie zu ihrem Erfolg.

«Wunderbar, Miss Tuppence, großartig! Ich bin überzeugt, dass Mrs Vandemeyer die hunderttausend Pfund morgen ebenso gefallen wie heute Abend. Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen. Ohne das Geld in Händen wird sie ja sowieso nichts sagen.»

Das war zweifellos richtig und Tuppence fühlte sich ein wenig beruhigt.

«Was Sie da sagen, stimmt», mischte sich Sir James ein. «Aber ich wünschte, wir wären nicht gerade in diesem Augenblick gekommen. Nun, es lässt sich nicht ändern. Wir müssen bis morgen Früh warten.»

«Na schön», sagte Tuppence und versuchte unbeschwert zu wirken, «warten wir eben. Aber ich glaube, wir sollten die Wohnung nicht verlassen.»

«Wie wäre es, wenn wir Ihren Fahrstuhlführer als Bewachung hier lassen? Er ist doch ein heller Junge?»

«Albert? Und wenn sie dann wieder zu sich kommt und uns durchbrennt? Albert könnte sie nicht aufhalten.»

«Ich glaube, sie wird das Geld nicht aufgeben wollen.»

«Möglich wäre es. Sie schien ‹Mr Brown› sehr zu fürchten. Sie sah sich um und meinte, die Wände hätten Ohren.»

«Vielleicht dachte sie an ein Mikrofon?», fragte Hersheimer interessiert.

«Miss Tuppence hat Recht», sagte Sir James. «Wir dürfen die Wohnung nicht verlassen – und sei es nur um Mrs Vandemeyers Sicherheit willen.»

Hersheimer sah ihn an. «Sie glauben, er könnte ihr etwas antun? Heute Nacht? Wie sollte er denn erfahren, was geschehen ist?»

«Sie vergessen, dass Sie selber eben noch von einem eingebauten Mikrofon sprachen», erwiderte Sir James. «Wir haben es mit einem gefährlichen Gegner zu tun. Mrs Vandemeyer ist eine wichtige Zeugin, die wir schützen müssen. Ich möchte vorschlagen, dass Miss Tuppence jetzt schlafen geht und Sie und ich, Mr Hersheimer, uns in der Wache ablösen.»

Tuppence wollte schon protestieren, aber als ihr Blick über das Bett hinstreifte, sah sie in Mrs Vandemeyers halb offenen Augen einen solchen Ausdruck der Furcht und des Entsetzens, dass es ihr die Sprache verschlug.

Einen Augenblick lang überkam sie der Verdacht, Ohnmacht und Herzanfall seien nur gespielt, aber dann dachte sie wieder daran, wie bleich sie geworden war, und verwarf diesen Gedanken. Und während sie noch die Frau beobachtete, schwand dieser Ausdruck wie durch Zauberei aus ihrem Gesicht und Mrs Vandemeyer lag wieder regungslos da wie zuvor. Tuppence war entschlossen, die Augen offen zu halten.

«Gut», sagte nun Hersheimer, «aber ich glaube, wir verlassen dieses Zimmer.»

Die anderen stimmten ihm zu. Sir James fühlte Mrs Vandemeyer nochmals den Puls. «Ganz ordentlich», sagte er leise zu Tuppence. «Die Nachtruhe wird genügen, um sie wiederherzustellen.» Er ging hinaus. Hersheimer folgte.

Tuppence blieb einen Augenblick zögernd am Bett stehen. Mrs Vandemeyer öffnete ein wenig die Augen. Sie schien reden zu wollen und es nicht zu können. Tuppence beugte sich über sie.

«Gehen Sie nicht…», aber sie schien unfähig, weiterzusprechen. Sie murmelte noch etwas, das so klang wie: «Schläfrig.» Tuppence beugte sich noch tiefer über sie. Ihre Worte waren nur noch wie ein Hauch. «Mr Brown…», die Stimme brach ab.

Aber die halb geschlossenen Augen, noch immer voller Angst, schienen ihr etwas mitteilen zu wollen.

Von einer plötzlichen Eingebung getrieben, sagte Tuppence: «Ich werde die Wohnung nicht verlassen, sondern die ganze Nacht wach bleiben.»

Ein Ausdruck der Erleichterung erhellte für einen Augenblick das Gesicht, bevor sich die Augen erneut schlossen. Was hatte sie mit ihrem leisen Gemurmel gemeint: «Mr Brown…?» Tuppence ertappte sich dabei, wie sie nervös einen Blick über ihre Schulter warf. Ihre Augen fielen auf den großen Kleiderschrank, Platz genug, um einem Mann als Versteck zu dienen. Tuppence machte die Schranktür auf und blickte hinein. Niemand – natürlich! Sie sah unter das Bett. Ein anderes Versteck gab es nicht. Es war wirklich zu dumm, wenn einem die Nerven in dieser Weise durchgingen. Langsam verließ sie das Zimmer. Hersheimer und Sir James unterhielten sich mit leiser Stimme. Sir James wandte sich ihr zu.

«Schließen Sie bitte die Tür von außen, Miss Tuppence, und ziehen Sie den Schlüssel ab. Wir müssen unbedingt verhindern, dass jemand das Zimmer betritt.»

Er war so ernst, dass dies seinen Eindruck auf die anderen nicht verfehlte; und Tuppence schämte sich nun auch weniger ihrer eigenen «schwachen Nerven».

«Ach», rief Hersheimer plötzlich, «wir haben ja Tuppences hellen Jungen völlig vergessen. Ich glaube, ich sollte lieber hinuntergehen und seine Neugier ein wenig stillen. Der Bursche gefällt mir, Tuppence.»

«Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?», fragte Tuppence. «Ich habe ganz vergessen, danach zu fragen.»

«Die Sache war so: Albert erreichte mich tatsächlich telefonisch. Ich holte sogleich Sir James ab und wir fuhren her. Der Junge hatte vor der Wohnung gehorcht, aber nichts hören können. Jedenfalls schlug er uns vor, im Kohlenaufzug nach oben zu fahren und nicht zu läuten. So landeten wir in der Küche. Albert ist noch immer unten und wahrscheinlich schon ganz durchgedreht.» Mit diesen Worten ging Hersheimer.

«Nun, Miss Tuppence», sagte jetzt Sir James, «Sie kennen doch diese Wohnung besser als ich. Wo sollten wir uns wohl Ihrer Ansicht nach niederlassen?»