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Der Wagen hielt vor dem überdachten Eingang. Der Fahrer wandte sich um, als wartete er auf weitere Anweisungen.

«Wenden Sie erst den Wagen, George. Dann klingeln Sie und setzen sich wieder ans Steuer. Lassen Sie den Motor laufen und halten Sie sich bereit, auf ein Wort von mir wie der Blitz davonzujagen.»

Der Diener öffnete die Tür. Kramenin fühlte die Mündung der Pistole auf seinen Rippen.

«Los!», zischte Hersheimer. «Und seien Sie vorsichtig.»

Kramenin nickte. Seine Stimme war unsicher: «Ich bin es – Kramenin. Bringen Sie sofort das Mädchen runter. Es ist keine Zeit zu verlieren!»

Whittington stieß einen Ruf des Erstaunens aus, als er den anderen erblickte. «Sie! Sie wissen doch sicher, dass der Plan…»

Kramenin unterbrach ihn. «Man hat uns verraten. Wir müssen unsere Pläne ändern. Das Mädchen. Und zwar sofort. Es ist unsere einzige Chance.»

Whittington zögerte, aber nur einen Augenblick. «Haben Sie Befehle – von ihm?»

«Natürlich! Wäre ich sonst hier? Schnell! Die andere Gans kann auch gleich mitkommen.»

Whittington wandte sich um und lief ins Haus. Die Minuten, die verstrichen, waren eine Folter. Dann erschienen zwei Gestalten, die sich hastig ihre Mäntel umwarfen, auf den Stufen und wurden in den Wagen gedrängt. Die kleinere von beiden versuchte ein wenig Widerstand zu leisten, wurde jedoch von Whittington höchst unehrerbietig hineingeschoben. Hersheimer beugte sich vor und dabei fiel das Licht aus der offenen Tür auf sein Gesicht. Ein anderer Mann auf den Stufen hinter Whittington stieß einen Ruf der Überraschung aus. Das Geheimnis war gelüftet. Mit einem Satz schoss der Wagen davon. Der Mann auf den Stufen fluchte. Seine Hand griff in die Tasche. Ein Aufblitzen und ein Einschlag. Die Kugel war dicht neben dem größeren Mädchen vorbeigegangen.

«Runter, Jane!», rief Hersheimer. «Flach auf den Boden des Wagens!» Energisch stieß er sie nach unten, stand dann auf, zielte bedächtig und feuerte.

«Haben Sie ihn getroffen?», rief Tuppence.

«Klar. Beinschuss! Wie geht’s Ihnen, Tuppence?»

«Gut! Wo ist Tommy? Und wer ist das?» Sie deutete auf den zitternden Kramenin.

«Tommy ist vielleicht schon unterwegs nach Argentinien. Ich glaube, er dachte, Sie sähen das Gras von unten wachsen. Nur langsam durch das Tor, George! Gut. Die brauchen mindestens fünf Minuten, um uns nahe zu kommen. Natürlich werden sie telefonieren. Passen Sie also auf, ob uns nicht unterwegs Fallen gestellt werden – und nehmen Sie nicht den direkten Weg. Wer das ist, fragten Sie, Tuppence? Darf ich Ihnen Mr Kramenin vorstellen. Ich habe ihn dazu überredet, seiner Gesundheit wegen mitzufahren.»

Kramenin schwieg, noch immer bleich vor Entsetzen.

«Aber was hat sie denn bewogen, uns gehen zu lassen?», fragte Tuppence argwöhnisch.

«Unser guter Kramenin hat sie so herzlich gebeten, dass sie es ihm einfach nicht abschlagen konnten.»

Das war zu viel für Kramenin. «Verflucht! Nun wissen sie, dass ich sie verraten habe. Mein Leben ist in diesem Land keine Stunde mehr sicher.»

«Richtig. Und ich möchte Ihnen raten, sofort in ein anderes zu verschwinden.»

«Dann lassen Sie mich doch gehen. Ich habe getan, was Sie verlangten. Warum geben Sie mich nicht frei?»

«Ich dachte, es wäre Ihnen lieber, ich brächte Sie nach London zurück.»

«Vielleicht gelangen Sie niemals nach London», zischte der andere. «Lassen Sie mich hier aussteigen.»

«Halten Sie an, George. Wenn wir uns je Wiedersehen sollten, Mr Kramenin…»

Bevor Hersheimer ausgeredet hatte und der Wagen ganz zum Stehen kam, war der Russe schon hinausgesprungen und in der Dunkelheit verschwunden.

«Doch sehr ungeduldig», meinte Hersheimer, als der Wagen wieder Geschwindigkeit aufnahm. «Und denkt nicht einmal daran sich von den Damen zu verabschieden. Jane, jetzt kannst du dich wieder auf den Sitz setzen.»

Das Mädchen öffnete nun zum ersten Mal den Mund. «Wie hat man ihn denn dazu überreden können?»

Hersheimer streichelte seine Pistole. «Das verdanken wir dem kleinen Willi!»

«Großartig!», rief das Mädchen. Es sah Hersheimer bewundernd an.

«Annette und ich wussten ja nicht, was mit uns geschehen würde», sagte Tuppence. «Der alte Whittington hatte uns nur hinausgehetzt. Wir kamen uns vor wie Kälber, die zur Schlachtbank sollen.»

«Annette?», meinte Hersheimer. «So nennen Sie sie?»

«Ja, so heißt sie doch.» Tuppence sah ihn groß an.

«Unsinn! Vielleicht glaubt sie das, weil sie ihr Gedächtnis verloren hat! Aber sie ist die echte Jane Finn!»

«Was?»

Mit einem hässlichen Geräusch bohrte sich plötzlich eine Kugel in das Polster hinter ihrem Kopf.

«Runter mit euch!», schrie Hersheimer. «Ein Hinterhalt! Geben Sie Gas, George!»

Der Wagen schoss davon. Drei weitere Schüsse jagten hinter ihnen her, verfehlten jedoch ihr Ziel. Hersheimer stand aufrecht im Wagen und beugte sich nun nach hinten.

«Nichts, worauf man schießen könnte», erklärte er verbissen. «Aber wir werden wohl bald wieder so ein kleines Feuerwerk haben. Au!» Er berührte mit der Hand eine Wange.

«Verletzt?», fragte Annette besorgt.

«Nur gestreift.»

Das Mädchen sprang auf. «Lasst mich raus! Nur mich wollen sie haben. Niemand soll meinetwegen ums Leben kommen!» Sie tastete schon nach dem Türgriff.

Hersheimer packte es an beiden Armen und sah es an. Es hatte ohne jede Spur eines ausländischen Akzents gesprochen.

«Setz dich, Mädchen», sagte er freundlich. «Ich glaube, dein Gedächtnis ist übrigens ganz in Ordnung. Hast sie die ganze Zeit schön an der Nase herumgeführt, was?»

Das Mädchen nickte. Plötzlich brach es in Tränen aus.

«Schon gut, schon gut – bleib nur ruhig sitzen. Wir lassen dich nicht im Stich.»

Noch schluchzend stieß das Mädchen undeutlich hervor: «Sie sind von daheim. Das höre ich an Ihrer Stimme. Ich habe solche Sehnsucht nach zu Hause.»

«Natürlich. Ich bin doch dein Vetter – Julius Hersheimer. Ich bin nach Europa gekommen, um dich zu finden – und du hast mich ganz schön herumjagen lassen.»

Der Wagen verlangsamte seine Fahrt. George sagte über seine Schulter hinweg: «Eine Kreuzung, Sir. Ich bin mir über den Weg nicht ganz im Klaren.»

Der Wagen fuhr langsamer, bis er fast stillstand. In diesem Augenblick schwang sich eine Gestalt von hinten in den Wagen und landete mit dem Kopf zuerst zwischen ihnen.

«Verzeihung», sagte Tommy, nachdem er sich aufgerichtet hatte.

Ein Schwall von Worten ergoss sich über ihn und er bemühte sich, eine Frage nach der anderen zu beantworten: «Ich stand im Gebüsch neben der Anfahrt. Bin hinten aufgesprungen. Ihr fuhrt so schnell, dass ich mich nicht früher bemerkbar machen konnte. Ich hatte alle Mühe, mich festzuhalten! Und nun, Mädchen, raus mit euch!»

«Wieso raus?»

«Ja. Ein Stückchen weiter, die Straße entlang, liegt ein Bahnhof. Der Zug kommt in drei Minuten. Ihr bekommt ihn noch, wenn ihr euch beeilt.»

«Was zum Teufel haben Sie denn vor?», fragte Hersheimer. «Glauben Sie denn, Sie können so die Spur verwischen?»

«Sie und ich werden den Wagen auch nicht verlassen. Nur die Mädchen!»

«Sie sind wohl völlig verrückt, Beresford. Sehen Sie mich doch nicht so an! Sie können die Mädchen nicht allein gehen lassen. Das wäre ja das Ende!»

Tommy wandte sich Tuppence zu. «Sofort raus, Tuppence! Nimm die andere mit, und tu genau, was ich dir sage. Niemand kann dir etwas anhaben. Du bist in Sicherheit. Nimm den Zug nach London. Geh gleich zu Sir James Peel Edgerton. Mr Carter lebt ja außerhalb der Stadt. Aber bei Sir James bist du gut aufgehoben.»