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«Einen Augenblick, Mr Whittington! Sie scheinen meine Zustimmung für selbstverständlich zu halten.»

Whittington sah überrascht aus. «Sie wollen doch nicht etwa ablehnen? Ich kann Ihnen versichern, dass Madame Colombiers Institut nur von Töchtern aus den ersten Kreisen besucht wird. Und meine Bedingungen sind doch sehr großzügig.»

«Das ist es ja gerade. Ich kann einfach nicht verstehen, wieso ich Ihnen einen solchen Betrag wert sein kann?»

«Nein? Ich will es Ihnen erklären. Sicher könnte ich eine andere für sehr viel weniger Geld bekommen. Was ich aber suche, ist eine junge Dame, die klug und geistesgegenwärtig genug ist, um ihre Rolle gut zu spielen. Sie muss auch so diskret sein, dass sie nicht zu viele Fragen stellt.»

Über Tuppences Gesicht huschte ein Lächeln. Whittington hatte mit diesen Worten zweifellos einen Treffer erzielt. «Da wäre noch etwas: Mr Beresford. Wo soll denn nun er eingesetzt werden?»

«Mr Beresford?»

«Mein Partner. Sie haben uns gestern zusammen gesehen.»

«Ach ja. Es tut mir Leid, wir werden seine Dienste nicht benötigen.»

«Dann kommt es nicht in Frage!» Tuppence hatte sich erhoben. «Entweder beide oder keiner!»

«Warten Sie! Vielleicht lässt sich etwas für ihn finden… Nehmen Sie doch wieder Platz, Miss…» Er hielt fragend inne.

Tuppence schlug plötzlich das Gewissen, als sie an ihren Vater, den Herrn Pfarrer, dachte. So nannte sie den erstbesten Namen, der ihr gerade einfiel.

«Jane Finn», sagte sie hastig und dann verschlug ihr die Wirkung dieser harmlosen Silben fast den Atem.

Alle Freundlichkeit war aus Whittingtons Gesicht gewichen. Es war dunkelrot vor Zorn.

Er zischte böse: «So, das wäre also Ihr kleines Spiel, ja?»

Tuppence war zwar völlig verblüfft, verlor jedoch nicht ihre Fassung. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte.

«Sie haben also die ganze Zeit nur mit mir gespielt», fuhr Whittington fort, «wie die Katze mit der Maus, was? Sie haben die ganze Zeit gewusst, wozu ich Sie brauche!» Er sah sie scharf an. «Wer hat da geredet? Rita?»

Tuppence schüttelte den Kopf. Sie war alles andere als sicher, wie lange sie dieses Spiel weiterführen konnte, aber es war ihr klar, dass sie nun nicht etwa auch noch mit einer ihr unbekannten Rita aufwerten konnte.

«Nein. Rita weiß nichts von mir.»

Seine Augen waren noch immer voll Misstrauen auf sie gerichtet. «Wie viel wissen Sie denn?»

«Eigentlich sehr wenig», erwiderte Tuppence und bemerkte mit Genugtuung, dass dadurch Whittingtons Unruhe nicht gemildert, sondern eher verschärft wurde. Hätte sie damit geprahlt, dass sie eine Menge wüsste, hätte dies bei ihm einige Zweifel erweckt.

«Auf jeden Fall wissen Sie genug, um hier mit diesem Namen herauszuplatzen», knurrte Whittington.

«Ich könnte ja so heißen.»

«Wäre es nicht sehr unwahrscheinlich, dass es zwei Mädchen mit einem solchen Namen gibt?»

«Oder ich könnte ganz zufällig diesen Namen gewählt haben», fuhr Tuppence fort, ganz berauscht von dem Erfolg, den sie mit ihrer Wahrhaftigkeit hatte.

Mr Whittington schlug mit der Faust auf den Tisch. «Schluss mit dem Unsinn! Und wie viel verlangen Sie?»

Die letzten drei Worte interessierten Tuppence ungemein, schon in Anbetracht ihres kargen Frühstücks und der paar Brötchen am Abend zuvor. Ihre gegenwärtige Rolle schien bereits die einer Abenteurerin und nicht mehr die eines Mädchens, das erst Abenteuer sucht.

«Lieber Mr Whittington, legen wir doch zunächst einmal unsere Karten auf den Tisch. Und seien Sie bitte nicht so böse. Sie haben mich gestern sagen hören, dass ich die Absicht habe, durch mein Köpfchen vorwärts zukommen. Mir scheint, ich habe Ihnen jetzt bewiesen, dass mein Köpfchen dazu ausreicht. Ich gebe zu, dass ich von einem gewissen Namen Kenntnis habe, aber vielleicht bin ich damit auch schon am Ende meiner Weisheit.»

«Ja – und vielleicht auch nicht», brummte Whittington.

«Sie wollen mich unbedingt falsch einschätzen», sagte Tuppence und seufzte leise auf.

«Mir gegenüber können Sie nicht die Unschuldige spielen. Sie wissen weit mehr, als Sie zugeben.»

Tuppence schwieg ein Weilchen vor Staunen über ihre eigene Findigkeit und erwiderte dann ruhig: «Ich möchte Ihnen nicht widersprechen, Mr Whittington.»

«So kämen wir also zurück zu der Frage: Wie viel?»

Tuppence befand sich in einer Klemme. Bisher war es ihr gelungen, Whittington hinters Licht zu führen, wenn sie jetzt eine zu hohe Summe nannte, könnte dies sein Misstrauen wecken. Da hatte sie einen Einfall. «Wie wäre es mit einer kleinen Anzahlung? Später könnten wir uns dann einmal über den Rest unterhalten.»

Whittington streifte sie mit einem gehässigen Blick. «Erpressung, wie?»

«Aber nein! Nur eine Vorauszahlung.»

«Jedenfalls sind Sie so ziemlich das Schlimmste, was mir jemals begegnet ist», sagte Whittington in einer Art unwilliger Bewunderung. «Sie haben mich ganz schön reingelegt. Ich dachte, Sie wären eine völlig harmlose, kleine Person, gerade intelligent genug für meinen Zweck…»

«Das Leben», meinte Tuppence philosophisch, «ist voller Überraschungen.»

«Überraschend ist unter anderem», fuhr Whittington fort, «dass jemand nicht dicht gehalten hat. Sie sagen, Rita sei es nicht. War es dann…? Ja, herein!»

Der Büroangestellte war nach einem leisen Klopfen eingetreten und legte seinem Chef ein Blatt Papier hin. «Das wurde eben telefonisch durchgegeben, Sir.»

Whittington ergriff das Papier und las. «Es ist gut, Brown. Sie können gehen.»

Der Angestellte zog sich zurück und Whittington wandte sich wieder Tuppence zu. «Kommen Sie morgen um die gleiche Zeit wieder. Ich habe jetzt zu tun. Da sind zunächst einmal fünfzig Pfund.»

Er holte rasch einige Scheine hervor, schob sie Tuppence zu und erhob sich ungeduldig.

Tuppence zählte die Scheine, steckte sie in die Handtasche und erhob sich.

«Leben Sie wohl, Mr Whittington», sagte sie höflich. «Oder ich sollte doch wohl eher au revoir sagen?»

«Ganz richtig.» Whittington sah fast heiter aus. Diese Veränderung weckte in Tuppence eine leichte Vorahnung. «Au revoir, mein reizendes Fräulein.»

Tuppence eilte leichtfüßig die Treppe hinunter. Sie war in bester Stimmung. Eine Normaluhr auf der Straße zeigte fünf Minuten vor zwölf.

«Jetzt soll Tommy auch eine Überraschung erleben», murmelte Tuppence und rief ein Taxi herbei. 

3

«Was in aller Welt hat denn dich dazu getrieben, ein Taxi zu nehmen?», fragte Mr Beresford.

«Ich hatte Angst, zu spät zu kommen.»

«Angst, zu spät zu kommen? Ach, lieber Gott, ich gebe auf!», erklärte Mr Beresford.

«Komm, gehen wir essen. Wie wäre es mit dem Savoy?»

Tommy grinste. «Oder mit dem Ritz?»

«Wenn ich es mir noch mal überlege, ziehe ich eigentlich das Piccadilly vor. Es liegt näher.»

«Sag mal, ist das eine neue Art Galgenhumor bei dir? Oder ist in deinem Kopf vielleicht etwas ausgehakt?», fragte Tommy.

«Die zweite Annahme könnte zutreffen. Ich bin zu Geld gekommen und es war wohl mehr, als ich ertragen kann. Für diese Form geistiger Verwirrung hat der Arzt Horsd’œuvres, Hummer à l’américaine und Pfirsich Melba verordnet. Und das werden wir uns jetzt zu Gemüte führen.»

«Nun sag schon, Tuppence, was ist denn in dich gefahren?»

«Oh, du Ungläubiger!» Tuppence riss ihre Tasche auf. «Sieh dir den an und den und den!»

«Hör nur auf, mit Pfundnoten so herumzuwedeln!»

«Sind ja keine Pfundnoten. Sind fünfmal besser als die und der ist sogar zehnmal besser.»

Tommy stöhnte. «Träume ich oder sind es wirklich Pfundnoten, die mir da in unverantwortlicher Weise vor die Nase gehalten werden?»