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«Aber Sie wollen doch, dass ich Ihnen helfe?»

«Ja, Sie wissen, wer Mr Brown ist, nicht?»

«Ja. Endlich weiß ich es.»

«Endlich?», fragte Tuppence. «Aber ich dachte…»

«Seit einiger Zeit sehe ich ziemlich klar – seit jener Nacht, als Mrs Vandemeyer auf so mysteriöse Weise ums Leben kam.» Er machte eine kleine Pause und fuhr dann ruhig fort: «Es gibt nur zwei Lösungen. Entweder hat sie selber die Überdosis genommen, oder aber…»

«Oder…?»

«Oder das Schlafmittel befand sich in dem Kognak, den Sie ihr gaben. Nur drei Menschen haben mit diesem Kognak zu tun gehabt – Sie, ich und Mr Hersheimer!»

Jane Finn rührte sich und richtete sich auf. Sie betrachtete Sir James aus weiten, erstaunten Augen. Sir James fuhr fort: «Zunächst schien es mir völlig unmöglich, Mr Hersheimer zu verdächtigen. Er ist als der Sohn eines vielfachen Millionärs in Amerika eine bekannte Erscheinung. Höchst unwahrscheinlich, dass er und Mr Brown ein und dieselbe Person sein konnten. Man kann sich jedoch nicht der den Tatsachen innewohnenden Logik entziehen. Entsinnen Sie sich noch Mrs Vandemeyers plötzlicher unerklärlicher Erregung? Noch ein Beweis, falls es dessen noch bedürfte.

Ich habe Ihnen schon zu einem frühen Zeitpunkt einen Wink gegeben. Und zwar nach einigen Worten von Mr Hersheimer in Manchester. Ich nahm an, Sie hätten verstanden und würden diesem Wink entsprechend handeln. Ich machte mich dann an die Arbeit, um das Unglaubliche zu beweisen. Mr Beresford rief mich an und erzählte mir, was ich bereits geargwöhnt hatte, dass nämlich die Fotografie von Miss Jane Finn in Wirklichkeit stets in Mr Hersheimers Händen geblieben war.»

Jane sprang auf und rief zornig:

«Was wollen Sie damit sagen? Dass Mr Brown Julius ist – mein eigener Vetter?»

«Nein, Miss Finn. Nicht Ihr Vetter. Der Mann, der sich Julius Hersheimer nennt, ist mit Ihnen nicht verwandt.» 

25

Sir James’ Worte schlugen wie eine Bombe ein. Die Mädchen sahen einander völlig entgeistert an. Der Anwalt trat an seinen Arbeitstisch und kehrte mit einem kleinen Zeitungsausschnitt wieder, den er Jane reichte. Tuppence las ihn über ihre Schulter hinweg. Mr Carter hätte ihn wiedererkannt. Er bezog sich auf den geheimnisvollen Mann, den man in New York tot aufgefunden hatte.

«Der Ausgangspunkt meiner Ermittlungen», fuhr der Anwalt fort, «war die unbestreitbare Tatsache, dass Julius Hersheimer kein erfundener Name war. Als ich darüber etwas mehr wusste, war mein Problem gelöst. Es war so: Der richtige Julius Hersheimer hatte es sich in den Kopf gesetzt, festzustellen, was aus seiner Kusine geworden war. So reiste er nach Westen, wo er Nachrichten über sie einholte und die Fotografie bekam, die ihm bei seiner Suche helfen sollte. Am Vorabend seiner Abreise aus New York wurde er überfallen und ermordet. Sein Leichnam war mit einem schäbigen Anzug bekleidet und das Gesicht so entstellt, dass eine Identifizierung unmöglich war. An seine Stelle trat nun Mr Brown. Von jetzt ab tat sich Mr Brown mit den Personen zusammen, die sich verschworen hatten, ihn zur Strecke zu bringen. Jedes ihrer Geheimnisse wurde ihm bekannt. Nur ein einziges Mal war er einer Katastrophe nahe. Mrs Vandemeyer kannte sein Geheimnis. Es störte nicht seinen Plan, dass Miss Tuppence ihr die riesige Bestechungssumme anbot. Wäre Miss Tuppence nicht gewesen, hätte sie die Wohnung schon längst verlassen, als wir dort eintrafen. Und plötzlich war die Gefahr der Entlarvung für Mr Brown so groß wie noch niemals zuvor. Er unternahm einen verzweifelten Schritt, wobei er sich tollkühn auf die Rolle verließ, die er uns vorspielte und die ihn, wie er annahm, unverdächtig machte. Fast wäre ihm dies gelungen – jedoch nicht ganz.»

«Ich kann es nicht glauben», murmelte Jane. «Er schien ein so großartiger Mensch.»

«Der echte Julius Hersheimer war auch ein großartiger Mensch. Und Mr Brown ist ein hervorragender Schauspieler. Aber fragen Sie einmal Miss Tuppence, ob nicht auch sie schon Verdacht hegte.»

Tuppence nickte. «Ich hatte es nicht sagen wollen, Jane – ich wusste, dass es dir wehtun würde. Schließlich war ich auch nicht ganz sicher. Ich verstehe nur nicht, warum er uns, wenn er Mr Brown ist, gerettet hat.»

«War es denn Julius Hersheimer, der Ihnen zur Flucht verhalf?»

Tuppence schilderte Sir James die aufregenden Ereignisse des Abends und schloss: «Das alles verstehe ich nicht.»

«Nein? Ich schon. Und bestimmt auch der junge Beresford. Als letzte Hoffnung sollte Jane Finn die Flucht ermöglicht werden – und diese Flucht musste so eingefädelt sein, dass sie dabei nichts argwöhnte. So hatten die anderen auch nichts dagegen, dass der junge Beresford in der Nachbarschaft auftauchte und mit Ihnen in Verbindung trat. Sie wollten schon dafür sorgen, ihn im richtigen Augenblick aus dem Weg zu räumen. Nun gut – plötzlich taucht Julius Hersheimer auf und rettet Sie nach allen Regeln eines Melodramas. Es kommt zu einem Schusswechsel, aber niemand wird getroffen. Was wäre dann als Nächstes geschehen? Sie wären direkt bis zum Haus in Soho gefahren und man hätte dort das Dokument hervorgeholt, das Miss Finn wahrscheinlich sogleich der Obhut ihres Vetters anvertraut hätte. Vielleicht hätte er, wenn er die Durchsuchung geleitet hätte, auch so getan, als ob das Versteck bereits ausgehoben sei. Er hätte dutzende von Möglichkeiten gehabt, diese Situation nach seinem Belieben auszunützen. Ich bin auch ziemlich fest davon überzeugt, dass Ihnen beiden irgendetwas zugestoßen wäre. Sie wissen ganz einfach zu viel. Ja, das ist die ganze Sache in großen Zügen. Ich gebe zu, dass auch ich mich zunächst täuschen ließ; ein anderer jedoch ist hellwach geblieben.»

«Tommy», sagte Tuppence leise.

«Ja. Als für die Bande der Augenblick gekommen war, sich seiner zu entledigen, hat er sie übertrumpft. Trotzdem bin ich seinetwegen einigermaßen in Unruhe.»

«Warum?»

«Weil Hersheimer Mr Brown ist», erklärte Sir James kurz. «Und um mit Mr Brown fertig zu werden, erscheinen mir ein Mann und eine Pistole noch nicht unbedingt ausreichend.»

Tuppence erbleichte. «Was können wir tun?»

«Nichts, bevor wir nicht im Haus in Soho gewesen sind. Wenn Beresford die Oberhand behalten hat, ist nichts zu befürchten. Andernfalls jedoch wird unser Gegner selber den Kampf mit uns aufnehmen wollen. Aber da wird er uns nicht unvorbereitet antreffen!» Sir James zog aus einer der Schreibtischschubladen eine Armeepistole und schob sie sich in die Jackentasche. «So, jetzt sind wir gerüstet. Ich kenne Sie zu gut, Miss Tuppence, um Ihnen vorzuschlagen, hier zu bleiben. Sie wollen natürlich mit.»

Sir James ließ seinen Wagen vorfahren. Während der kurzen Fahrt schlug Tuppence das Herz bis zum Halse. Obwohl immer wieder die Unruhe um Tommy in ihr aufstieg, erfüllte sie nun doch ein Gefühl des Triumphes.

Der Wagen hielt an der Ecke des kleinen Platzes und sie stiegen aus. Sir James trat auf einen Polizisten in Zivil zu, der mit mehreren anderen das Haus überwachte, und redete mit ihm. Dann kehrte er zu den Mädchen zurück. «Bisher hat niemand das Haus betreten.»

Einer der Polizisten kam mit dem Schlüssel. Sie alle kannten Sir James. Sie hatten auch Befehle, die Tuppence betrafen. Nur das dritte Mitglied der Gruppe war ihnen unbekannt. Die drei betraten das Haus und schlossen die Tür hinter sich. Langsam stiegen sie die wacklige Treppe hinauf. Oben sahen sie den zerschlissenen Samtvorhang vor der Nische, in der sich Tommy versteckt hatte. Tuppence hatte die Geschichte von Jane gehört, die damals ja noch «Annette» gewesen war. Interessiert betrachtete sie den fadenscheinigen Stoff. Auch jetzt hätte sie fast schwören können, dass er sich bewegte – als ob jemand dahinter stünde. Wie, wenn Mr Brown – Hersheimer – dort auf sie wartete…?

Beinahe wäre sie zurückgegangen, um den Vorhang beiseite zu ziehen.

Nun betraten sie den Gefängnisraum. Dort hätte sich niemand verstecken können, dachte Tuppence. Aber was war das? Leise Schritte auf der Treppe? War also doch jemand im Haus?