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Er dankte dem Herrn, daß er den Strauch hatte an dieser Stelle wachsen lassen, und verwünschte seine eigene Unvorsichtigkeit. Er durfte seine Gedanken nicht abschweifen lassen. Er und die Frau aus Deutschland mußten wohlbehalten nach Hoodsville kommen, damit er Rache nehmen konnte. Durch den Beinaheabsturz noch vorsichtiger geworden, kletterte er weiter - und zuckte zurück, als sich vor ihm ein neuer Abgrund auftat. Er sah hinunter auf ein kleines Felsplateau am Steilhang. Auf das Versteck der Attentäter! Sie kauerten hinter Felsen und Bäumen und schossen immer wieder aus ihren Gewehren auf den Planwagen, den er ebenfalls gut erkennen konnte. So wie die Männer, die er sofort wiedererkannte. Rauhe Burschen, vornehmlich in Felle und Wildleder gekleidet. Es waren die Freunde des jungen Trappers, den er vor zwei Tagen in Abners Hope erschossen hatte. Er suchte noch nach einem sicheren Abstieg, um näher an das Plateau heranzukommen, als sich einer der Männer plötzlich umsah und zu ihm herauf schaute. Er wußte nicht, ob er sich verraten hatte, oder ob den Mountain Man ein Instinkt gewarnt hatte, den er in den langen Jahren des Lebens in der Wildnis herausgebildet hatte. Es war auch gleichgültig. Wichtig war nur, daß er entdeckt war. Der Trapper überwand seine Verblüffung schnell, richtete die Mündung seiner Riffle auf den Mann in Schwarz und zog den Abzug durch. Es klickte nur metallisch. In seiner Aufregung hatte der Jäger vergessen, daß er sein Gewehr soeben auf die Menschen hinter dem Planwagen abgefeuert hatte. Fast zu schnell für das menschliche Auge sprang der Webley in die Hand des Schwarzgekleideten. Der Warnruf, den der Trapper ausstieß, wurde vom Krachen des Schusses übertönt. Die Kugel fuhr in die Brust des Mountain Mans und ließ ihn zurücktaumeln. Eine zweite Kugel durchschlug seine Stirn und löschte sein Leben aus. Er kippte über den Abhang und stürzte in die Tiefe. Gleichzeitig warf sich der Mann in Schwarz hinter einem mannshohen Felsblock in Deckung. Gerade noch rechtzeitig. Die Kugeln der übrigen Trapper patschten gegen den Fels und sirrten als Querschläger davon. Vorsichtig schob sich der Schwarzgekleidete Zoll für Zoll aus seiner Deckung und sah Black Joe Haslips riesenhafte Gestalt hinter dem krummgewachsenen Stamm einer Tanne hervorlugen. Er schoß, und Haslip stieß einen Schmerzensschrei aus, als ihm die Kugel in den Oberarm fuhr. Der Anführer der Trapper fiel oder ließ sich fallen. Jedenfalls verschwand er aus seinem Blickfeld. Der Mann hinter dem Felsblock hörte aufgeregte Schreie, und schon wurde er von einem wahren Bleigewitter eingedeckt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als wieder in Deckung zu gehen. Nach zwei, drei Minuten hörten die Schüsse auf. Auf einmal herrschte völlige, ungewohnte Stille. Eine Falle? Er schob sich erneut vor, konnte aber unten auf dem Plateau keinen seiner Gegner entdecken. Statt dessen hörte er Hufgetrappel, das erst laut war, aber schnell leiser wurde. Ein Gedanke durchzuckte ihn: Sie sind geflohen! Er wagte den Abstieg auf das Plateau, auch auf die Gefahr hin, in eine Falle zu laufen. Aber er fand seine Vermutung bestätigt: Die Mountain Men waren fort. Er fand nur jede Menge Patronenhülsen und die Leiche des von ihm Erschossenen, die fünfzig Fuß unter ihm auf einem kleinen Felsvorsprung hing. Zu weit entfernt, um zu ihr hinabzusteigen. Wozu auch? Der Mann war tot.

*

»Nicht schießen!« rief der Mann in Schwarz, als er in der Dämmerung auf den Planwagen zuging. »Ich bin es, Driscoll!« »Sind Sie allein?« fragte der Deutsche vorsichtig. »Mutterseelenallein.«

Er atmete auf, als er nicht nur Jacob Adler, den Sharps in den Händen, sondern auch Irene Sommer, die mit dem Army Colt bewaffnet war, unter dem Planwagen hervorkriechen sah.

Er dankte dem Herrn, daß die Frau am Leben war.

*

Der Reverend berichtete Jacob und Irene, was sich in den Felsen ereignet hatte, und schloß: »Ich habe die Stelle gefunden, wo die Trapper ihre Pferde untergebracht hatten. Nicht weit von ihrem Versteck entfernt. Sie sind abgehauen, weil sie es mit der Angst zu tun bekamen, als ich in ihrem Rücken auftauchte. Wahrscheinlich waren sie so verwirrt, daß sie es für möglich hielten, es mit einer größeren Streitmacht zu tun zu haben. Sie wußten ja nicht, daß ich mich vom Wagen weggeschlichen hatte. Unser Plan ist somit vollauf geglückt!«

»Ihrem Boß sei Dank«, murmelte Jacob.

»Wie?« fragte Driscoll.

Jacob legte den Kopf in den Nacken und zeigte nach oben, in den immer dunkler werdenden Abendhimmel.

»Ach so«, meinte der Reverend und grinste. »Den meinen Sie.«

»Was ist mit dem Mann, den Sie erschossen haben, Reverend?« erkundigte sich Irene.

»Was soll mit ihm sein?«

»Liegt er noch in den Felsen?«

»Natürlich. Ihn zu bergen, würde einen ganzen Tag dauern. Die Geier wollen auch etwas zu fressen haben.«

»Müßte ein Mann wie Sie nicht auch ihm ein christliches Begräbnis gönnen?«

»Das tu ich ja, Miß Sommer. Ich gönne ihm ein christliches Begräbnis. Doch ich sehe mich nicht in der Lage, selbst dafür zu sorgen. Aber ich werde heute abend für ihn beten. Sobald wir einen Lagerplatz gefunden haben, an dem wir vor einem

Überraschungsangriff sicher sind.«

Irene sah Driscoll besorgt an. »Rechnen Sie etwa mit einem weiteren Überfall?«

»Diesem Black Joe traue ich alles zu. Ich weiß nicht, wie schwer ich ihn verwundet habe.«

»Weshalb hatten es die Trapper überhaupt auf uns abgesehen?«

»Das liegt doch auf der Hand, Miß Sommer. Sie wollten sich für den Tod ihres Kameraden rächen. Was haben die Kerle jetzt davon? Noch einen Toten. Wollen wir hoffen, daß ihnen das eine Lehre ist!«

Sie kletterten auf den Wagen, und Irene legte sich auf Jacobs Anweisung flach in den Wagenkasten. Jacob legte den Sharps griffbereit auf seine Knie, als er die Zügel in die Hand nahm. Driscoll hielt den Webley in der Hand.

Sie waren noch nicht weit gekommen, da alarmierte sie das Wiehern eines Pferdes. Als Jacob die Zügel losließ und den Karabiner hochriß, klickte neben seinem Ohr bereits der Hahn des Webleys.

Hufgetrappel näherte sich dem Wagen aus einem kleinen Wald. Aber es war nur ein einziges Pferd. Eines ohne Reiter noch dazu. Driscolls Rappe.

Der Reverend sprang vom Bock und ging langsam auf das Pferd zu.

»Du bist mir ja einer«, sagte er zu dem Tier, während er nach den lose herunterhängenden Zügeln griff. »Ein ganz hübscher Feigling bist du. Erst erschrickst du vor den Schüssen, und dann hältst du dich solange versteckt, bis die Gefahr vorüber ist.«

Und schon saß der Reverend wieder in seinem Sattel.

»Auch Pferde kennen lebenserhaltende Maßnahmen«, meinte Jacob erleichtert und legte den Sharps neben sich auf den Bock.

Sie setzten ihren Weg fort und fanden einen geeigneten Lagerplatz auf einer Lichtung am Ende der Schlucht. Sie verstreuten Reisig im Wald um die Lichtung herum, so daß sie einen heranschleichenden Angreifer schon von weitem hören mußten.

Ihr Abendessen bestand aus Brot und kaltem Fleisch. Ein Feuer wagten sie nicht anzuzünden, um sich den Mountain Men nicht zu verraten. Auch wenn sie sich bei der Kälte liebend gern an einem Lagerfeuer gewärmt hätten.

Jacob und Driscoll hielten abwechselnd Wache. Doch die Nacht verlief ruhig.

*

Der Morgen kam mit noch größerer Kälte, und der bisherige Nieselregen verwandelte sich in leichten Schneefall.

Jetzt entzündeten sie doch ein kleines Feuer, achteten aber darauf, daß sich die Rauchentwicklung in Grenzen hielt. Die warmen Bohnen und der heiße Kaffee taten ihnen gut.

Die fern im Osten über den Rocky Mountains aufsteigende Sonne war allenfalls zu erahnen. Der Morgen war noch jung, als der Wagen weiterrollte. Reverend Driscoll ritt voran. Ohne seine Führung wären Jacob und Irene in den Bergen ziemlich verloren gewesen, hätten allenfalls die grobe Richtung gekannt.