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»Halt!« rief Jacob laut, stieß mit einem Fuß die Tür ganz auf und richtete den Sharps auf den Mann in Schwarz. »Wenn Sie abdrücken, Driscoll, tu ich es auch!«

Driscolls Augen und der lange Lauf seines Webleys richteten sich auf Jacob. Er bekam sich schnell wieder unter Kontrolle, und die Überraschung, die sich für Sekunden auf seinem hohlwangigen Gesicht abgezeichnet hatte, verschwand.

»Sieh an, Mr. Adler. Was führt Sie her?«

»Ein Reverend, den seine Kirche weniger interessiert als sein Revolver. Welchen Beruf üben Sie wirklich aus, Mister Driscoll?«

»Ich bin Reverend, seit vielen Jahren schon.«

»Und da lernt man, so gut mit der Waffe umzugehen?«

»Da nicht, aber bei der Armee. Im Krieg gegen Mexiko war ich Lieutenant.«

»Was wollen Sie von Pape? Was ist das für eine Geschichte mit diesem geheimnisvollen dritten Mann?«

»Die Geschichte will ich Ihnen gern erzählen, Adler.« Driscoll blickte kurz den Gefesselten an. »Und auch dir, obwohl du den größten Teil kennen dürftest. Sie spielt einige Meilen östlich von hier, in dem Ort Wasco. Drei junge Männer kamen vor einigen Monaten in das Gebiet und verkauften dort eine Rinderherde. Wahrscheinlich hatten sie die Tiere gestohlen, denn sie hatten sich zum Verkauf der Tiere weit von ihrer Heimat am Rande der Cascade Range entfernt. Sie feierten das Geschäft mit Whiskey - und mit dem Überfall auf eine junge Frau, die allein und schutzlos auf ihrer Farm war, weil ihr Mann verreisen mußte, um seine todkranke Mutter ein letztes Mal zu sehen. Alle drei vergewaltigten die Frau und quälten sie. Als ihr Mann nach Wasco zurückkehrte, fand er statt einer lebenslustigen Frau ein völlig verstörtes Wesen vor. Nur wenig war mit viel Mühe aus ihr herauszubekommen. Daß ihre Peiniger aus einer Stadt am Rande der Cascade Range kamen. Und daß zwei von ihnen Deutsche waren. Mehr nicht. Aber der Ehemann der geschändeten Frau, Randolph Haggard, fand die Deutschen hier in Hoodsville. Als er auf diese Farm kam, um die beiden zur Rede zu stellen, kam es zum Streit. Den Rest kennen Sie, Adler.«

»Aber was haben Sie damit zu tun, Driscoll?«

»Randy war mein Sohn. Ich hörte erst spät von der Geschichte. Als er nicht zurückkam, machte ich mich auf die Suche. Ich fand sein Grab hier in Hoodsville.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Jacob kopfschüttelnd. »Sie heißen Driscoll und.«

»Ich habe mich nur Driscoll genannt, um mich nicht zu verraten«, fiel ihm der Schwarzgekleidete ins Wort. »Driscoll war der Mädchenname meiner Frau. In Wahrheit heiße ich Blake Haggard.«

Jetzt wurde Jacob alles klar. Auch, weshalb der Reverend so großes Interesse an Jacob und Irene gezeigt hatte.

Hauptsächlich wohl an Irene.

»Sie haben Irene ausgenutzt, Haggard!« stieß er wütend hervor. »Sie haben Irenes Suche nach Carl Dilger für Ihre eigenen Zwecke mißbraucht!«

»So kann man es bezeichnen. Als ich von diesem Händler, Bodeen, hörte, daß eine Frau in Abners Hope einen Carl Dilger sucht, bin ich sofort weitergeritten. Mir war klar, daß man ihr in Hoodsville mehr über die Sache erzählen würde als einem Mann, der seinen erschossenen Sohn rächen will.«

»Sie wollen das wirklich tun?« fragte Jacob ungläubig.

»Was?«

»Sich mit der Waffe rächen? Sie sagten doch, Sie seien wirklich Reverend. Ist das mit Gottes Wort vereinbar, die Rache in die eigene Hand zu nehmen?«

»Der Herr braucht manchmal sehr lange, um sein Werk zu vollenden. So lange will ich nicht warten, nicht in diesem Fall. Außerdem bin ich nur das Schwert in seiner Hand. Ich handle nach seinem Wort: Auge um Auge, Zahn um Zahn!«

Das heftige Flackern in den tiefen Höhlen von Haggards Augen, das ständige Zucken seiner Mundwinkel und das Vibrieren seiner Stimme bei den letzten Worten gaben Jacob plötzlich einen ganz neuen Eindruck von dem Mann. Gewiß, der Reverend handelte kühl und berechnend. Doch zugleich schien er von einem Irrsinn gepackt zu sein, daß er sich als Schwert des Herrn betrachtete. Vielleicht war dieser Wahn eine Folge des Schmerzes, den er über den Tod seines Sohns empfand.

Jedenfalls macht der Irrsinn den Mann in Schwarz unberechenbar und noch gefährlicher.

Haggard schwenkte seine Waffe herum, bis die Mündung wieder auf Pape zeigte. Jacob las im Gesicht des Reverends den Entschluß, endlich seine Rache zu üben.

»Nicht!« schrie der junge Zimmermann.

»Warum nicht?« fragte Haggard scheinbar ruhig. Nur das Vibrieren, das seiner Stimme weiterhin anhaftete, verriet seine Erregung. »Würden Sie wirklich auf mich schießen, Adler? Obwohl ich Ihnen und Irene mehrmals aus der Patsche geholfen habe? Obwohl ich Ihre Freundin, Miß Anderson, vor diesem Trapper gerettet habe, der genauso ein mieser Frauenschänder war wie diese Ratte hier?«

»Sie haben recht, meine Freunde und ich stehen in Ihrer Schuld, Haggard. Aber deshalb werde ich nicht ruhig mitansehen, wie Sie einen Mord begehen!«

Der Gefesselte wandte seinen Kopf um, so daß Jacob zum erstenmal sein Gesicht sehen konnte. Es war ein wenig vertrauenerweckendes Gesicht, unrasiert und pockennarbig. Die schiefe Nase verriet, daß Pape handfeste Auseinandersetzungen nicht scheute. Jetzt sprach Todesangst aus seinen schmalen Augen, aber Jacob bezweifelte nicht, daß sie auch mitleidslos und gemein blicken konnten. Zum Beispiel bei der Vergewaltigung einer Frau.

Jacob war sich ziemlich sicher, daß der Reverend nicht den Falschen erwischt hatte. Trotzdem war es Mord, was Haggard vorhatte. Außerdem blieb ein Rest von Zweifel, wenn Jacob an Carl Dilger dachte.

Pape krächzte angsterfüllt und zugleich von neuer Hoffnung beseelt auf deutsch: »Ja, bitte, Herr, helfen Sie mir! Sie sind doch auch Deutscher! Retten Sie mich vor diesem Wahnsinnigen, und ich werde alles tun, was Sie sagen!«

»Dann erzählen Sie mir die Wahrheit!« verlangte Jacob.

»Die Wahrheit?« echote Pape mit gerunzelter Stirn. »Was meinen Sie?«

Auch Haggard blickte Jacob fragend an.

»Ich meine Ihren toten Freund, Carl Dilger. Hieß er wirklich so?«

»Worauf wollen Sie hinaus, Adler?« fragte der Reverend.

»Ich kenne Irene gut. Und sie hat mir viel über Carl Dilger erzählt. Der Carl Dilger, von dem ich gehört habe, wäre nie und nimmer der Mann, der eine Frau überfällt und vergewaltigt.« Jacob erhob seine Stimme. »Oder irre ich mich, Pape?«

»Nein«, sagte der Gefesselte leise. »Es stimmt. Wir haben unsere Namen geändert, weil wir steckbrieflich gesucht wurden. Ich heiße eigentlich Alwin Rohlfing. Mein Freund hieß August Mohl. Wir nahmen die Namen von Pape und Dilger an, die wir auf dem Treck über die Rockies kennengelernt hatten.«

»Also ist Dilger hier in Oregon?« fragte Jacob erregt. »Und er lebt?«

»Ich weiß nicht, ob er lebt. Aber er ist wahrscheinlich nicht in Oregon. Als wir in Fort Hall von den neuen Goldfunden in Kalifornien hörten, spaltete sich ein Teil unseres Trecks ab, um den California Trail zu nehmen. Dilger und sein Freund Pape gehörten dazu. August und ich wären auch lieber zu den Goldfeldern gereist. Aber unter den Leuten, die weiter nach Oregon wollten, befand sich ein Geldsack, den wir ausnehmen wollten. Wir haben es auch geschafft und uns von dem Geld diese Farm gekauft.«

»Haben Dilger und der richtige Pape gesagt; wohin sie sich in Kalifornien wenden wollten?«

Franz Pape alias Alwin Rohlfing schüttelte seinen Kopf. »Keine Ahnung.«

»Jetzt wissen Sie ja alles, was Sie interessiert, Adler«, sagte Haggard ungeduldig. »Sie brauchen diese Ratte nicht mehr. Lassen Sie uns allein, wenn Sie nicht mitansehen können, was ich mit ihr vorhabe.«

»Nein!« schrie der Gefesselte und sah Jacob flehend an. »Sie haben mir versprochen, mir zu helfen!«

»Das werde ich auch«, sagte Jacob mit fester Stimme und machte einen Schritt nach vorn, näher an Rohlfing und Haggard heran. »Wenn Sie nicht sofort den Revolver senken, schieße ich, Reverend!« »Das kann ich nicht tun, Adler.« Wieder stand das irrsinnige Flackern in Haggards Augen. »Das kann ich nicht tun!«