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Zwei Schüsse krachten, und der Mann auf dem Stuhl schrie auf.

Keine Kugel hatte Alwin Rohlfing getroffen. Er hatte nur aus Angst geschrien.

Und auch Jacob hatte nicht geschossen, obwohl er den Zeigefinger, der um den Abzug seines Karabiners lag, schon gekrümmt hatte.

Aber gerade noch rechtzeitig erkannte er, daß die Kugel aus Haggards Webley in die Holzbohlen des Fußbodens fuhr.

Mit einem ungläubigen Ausdruck in seinem eingefallenen Gesicht brach der Mann in Schwarz neben dem Stuhl zusammen. Jacob entdeckte ein Einschußloch auf seiner Brust.

Und dann sah er den Mann, der den ersten Schuß abgefeuert hatte - die Kugel, die Haggard erwischt hatte. Er stand in der plötzlich aufgestoßenen Eingangstür, die direkt in die Wohnstube führte.

Ein kalter Wind fegte von draußen herein. Der Durchzug ließ die auf einem Tisch stehende Petroleumlampe heftig flackern. Die Schatten von Menschen und Gegenständen führten einen wilden Tanz an den Wänden auf.

Der Mann war groß, massig und von wildem Aussehen. Ein schwarzer Vollbart wucherte in seinem breiten Gesicht und fiel tief auf seine Brust. Es war Black Joe Haslip.

»Laß die Knarre fallen, Dutch!« forderte der Mountain Man.

Der Revolver in seiner Rechten zeigte auf den Zimmermann. Es würde zu lange dauern, den Sharps herumzuschwenken. Also gehorchte Jacob.

»Wie kommen Sie hierher?« fragte er erstaunt.

»Wie schon? Ich bin euch gefolgt. Leider hatten meine Leute nach dem Überfall im Canyon die Schnauze voll von euch, sonst hätten wir euch schon früher abgeknallt. So war ich allein und mußte auf eine günstige Gelegenheit warten. Der Bibelfritze ist tot. Jetzt bist du dran, Dutch!«

»Ich. bin nicht. tot«, stöhnte der am Boden liegende Reverend mit schwacher Stimme.

Haslip sah ihn verwundert an.

»Ein zäher Brocken, wie? Na, macht nichts, dann bist du es jetzt!« Er schwenkte den alten Colt Walker herum und richtete die Waffe auf den Reverend.

»Warum?« fragte dieser.

»Ich will Rache für meinen Sohn!«

»Ihr. Sohn?«

»Ja, für Timmy, den du getötet hast!«

»Sie. töten mich. aus Rache für den Tod Ihres Sohnes?« fragte Haggard mit immer schwächer werdender Stimme. Seine Augen blickten nach oben. »Der Herr hat wirklich. Sinn für Humor.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der starke Wind die zitternde Flamme der Petroleumlampe zum Erlöschen brachte.

Jacob reagierte sofort und sprang den Trapper an. Als ihre Körper gegeneinanderprallten, krachte ein Schuß.

Die beiden Männer wälzten sich auf dem Boden hin und her. Haslip verfügte über Bärenkräfte, obwohl er im Canyon von Haggard am Arm verletzt worden war. Er schaffte es, rittlings auf Jacob zu sitzen.

Jacob spürte, wie etwas an seiner Wange entlangstrich - ein Gefühl wie heißes Metall. Der Lauf von Haslips Revolver!

Der junge Deutsche fand in der Dunkelheit den rechten Arm des Trappers und versuchte, die Hand mit der Waffe von sich wegzudrücken.

Wieder ein Schuß. Die Stichflamme blitzte so nah vor Jacobs Augen auf, daß es schmerzte.

Der Druck auf seinem Brustkasten ließ nach, und Haslip fiel neben ihm aufs Holz.

Jacob sprang auf, fingerte ein Streichholz hervor und riß es an seinem Gürtel an.

Dort lag der mächtige Black Joe Haslip, den Colt noch in der Hand. In seinem Bauch klaffte ein gewaltiges Loch. Seine Augen blickten gebrochen. Der Trapper hatte sich im Zweikampf mit Jacob selbst erschossen.

Das Streichholz erlosch. Jacob riß ein neues an und brachte den Lampendocht wieder zum Brennen.

Dann kniete er sich neben Haggard hin. Aber auch ihm war nicht mehr zu helfen. Black Joes zweite Kugel hatte, wie die erste, ihr Ziel gefunden.

»Tot«, sagte Jacob leise und stand auf.

»Machen Sie mich endlich los!« forderte der Gefesselte mit wenig Taktgefühl. »Ich habe genug von diesem Ort. Ich werde von hier verschwinden.«

»Das glaube ich kaum«, knurrte Jacob.

Rohlfing sah ihn entgeistert an. »Aber Sie haben doch versprochen, mir zu helfen!«

»Ja. Ich wollte verhindern, daß Sie ermordet werden.« Jacob sah hinunter auf den toten Reverend. »Diese Gefahr besteht jetzt nicht mehr. Aber ich werde Sie nicht einfach so davonreiten lassen. Wenn Sie tatsächlich Haggards Schwiegertochter vergewaltigt haben, gehören Sie vor ein Gericht. Sie und Barry Hood.«

»Wenn Sie meinen«, sagte Rohlfing nur, und ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen.

Jacob konnte sich denken, was in Rohlfings Kopf vorging. Die Gefahr, in Hoodsville vor Gericht gestellt zu werden, schätzte er als sehr gering ein. Schließlich war der Mitangeklagte der Sohn des Bürgermeisters, des mächtigen Wallace Hood.

Das war in der Tat ein Problem.

*

Als Jacob seinen Colt zog, kehrte die Angst in Rohlfings Augen zurück.

»Was haben Sie vor?«

»Sie losschneiden«, antwortete Jacob und zog mit der anderen Hand sein Bowiemesser aus der Scheide. »Wenn Sie Dummheiten machen, vollende ich Haggards Rache!«

»Nicht doch. Ich werde brav sein. Versprochen.«

»Das hoffe ich«, knurrte Jacob und zerschnitt Rohlfings Fesseln. »Für Sie!«

Rohlfing schien Wort zu halten. Er blieb auf dem Stuhl sitzen und massierte seine schmerzenden Handgelenke.

»Aufstehen!« befahl Jacob. »Wir reiten in die Stadt!«

»Wenn Sie es sagen«, meinte der andere gleichgültig und erhob sich. »Darf ich meine Jacke überziehen? Ich möchte mir nicht den Tod holen.«

»Von mir aus.«

Rohlfing steuerte eine dunkle Ecke an, in der mehrere Kleidungsstücke an Wandhaken hingen, darunter eine grob karierte Wolljacke. Er nahm die Jacke ab und streifte sie über.

Als er sich wieder umdrehte, richtete er eine rostige, alte Riffle auf Jacob und grinste hämisch.

»Pech gehabt, mein Freund. Du bist ein wenig zu vertrauensselig.«

»Haben Sie etwa Angst vor der Gerichtsverhandlung?« fragte Jacob, während er sich einen Narren schalt und gleichzeitig fieberhaft nach einem Ausweg suchte.

Gewiß, er brauchte den Colt nur herumzureißen und abzudrücken. Aber dann hatte Rohlfing vermutlich längst geschossen.

»Angst, nein«, kicherte der Mann mit dem Gewehr. »Nicht in Hoodsville. Wallace Hood wird nicht zulassen, daß seinem Sohn etwas zustößt. Aber warum soll ich das Risiko eingehen, wenn ich's einfacher haben kann?«

»Also verüben Sie lieber einen Mord.«

»Ich würde es eher als Notwehr bezeichnen. Schließlich hast du zuerst deine Waffe auf mich gerichtet. Aber nenn es, wie du willst, du fährst jetzt zur Hölle!«

Entsetzt sah Jacob, wie sich Rohlfings um den Abzugshebel gelegter Finger zusammenkrümmte.

Aber kein Schuß krachte.

Es gab nur ein metallisches Klicken, als der Hahn aufschlug.

Jacob zog den Hahn seines 44ers zurück und legte auf Rohlfing an.

»Sie haben wohl vergessen, Ihr Gewehr nachzuladen, nachdem Sie heute vormittag auf uns geschossen haben, was?«

»Verdammt!« entfuhr es dem anderen.

Er ließ das Gewehr fallen und riß die Hände nach oben.

»Nicht schießen! Ich... ich wollte Sie nicht töten!«

»Warum haben Sie dann geschossen?«

»Ich habe daneben gezielt. Ich wollte Sie nur erschrecken.«

Sein Gesicht verriet, daß Rohlfing log. Er suchte so verzweifelt wie zuvor Jacob nach einem Weg, um am Leben zu bleiben.

Jacob empfand tiefen Abscheu vor diesem Mann. Der Reverend hatte recht gehabt, er war nichts anderes als eine Ratte in Menschengestalt. Aber war er nicht trotz allem ein menschliches Wesen? Durfte man ihn einfach abknallen?

Jacob schoß.

Rohlfing zuckte zusammen und ging zu Boden, obwohl die Kugel weit über ihm in die Wand gefahren war.